Wasserwerk Kenten
Bergheim, Am Wasserwerk

Walter Buschmann
Wasserwerk Kenten in Bergheim


Geschichte

Die Wasserversorgung im westlichem Umland von Köln ist eng mit der Geschichte der Braunkohle verbunden. 1909 hatte die Stadt Köln sich entschlossen, den Strombedarf der Stadt aus Braunkohle zu decken. Ein Jahr später wurde hierzu ein Stromlieferungsvertrag mit der "Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation" (RAG) geschlossen. Strom wurde in diesen Jahrzehnten um die Wende zum 20. Jahrhundert das wichtigste Produkt des Steinkohlenbergbaus und die Elektrifizierung entwickelte sich zu einer Grundlage für die Erfolgsgeschichte der Braunkohle. Wie schon die Stadt Köln konnte die RAG 1910 auch die Kreise Bergheim, Rheinbach und Köln-Land als Stromkunden gewinnen. Die Stromproduktion im großen Stil verlangte nach neuen Kraftwerksbauten: 1911 entstand das von der AEG konzipierte und von den legendären Kraftwerksplanern Waltar Klingenberg und Werner Issel entworfene Kraftwerk Fortuna I. Anfang 1912 wurde der erste Strom aus dem neuen Kraftwerk nach Köln geliefert. Ein Kraftwerk mit Kühlturmbetrieb benötigt doppelt soviel Wasser wie Kohle. Bohrungen und Angebotsunterlagen belegen, dass schon 1916/18 an den Bau eines eigenen Wasserwerks für das Kraftwerk Fortuna gedacht wurde. Ausgeführt wurden diese Planungen aber erst nach 1920. Bis dahin erfolgte die Wasserversorgung des Kraftwerks durch das vom Kreis Bergheim errichtete Wasserwerk Sindorf.

Wie fast überall in der Geschichte des Kraftwerksbaus, konnte Fortuna I schon sehr bald den steigenden Strombedarf nicht mehr befriedigen. Es wurde ein zweites Kraftwerk geplant, das 1920 bis 1922 als Siemenskraftwerk nach Plänen von Hans Hertlein ausgeführt wurde. Spätestens jetzt reichte die Wasserversorgung durch das Wasserwerk Sindorf nicht mehr aus. Da Wasser leichter zu transportieren ist als Kohle, entstand das Kraftwerk am Abbauort der Kohle. Das Wasser wurde in der Erftniederung gewonnen und dem Kraftwerk über eine 2,5km lange Leitung zugeführt. Das Wasserwerk an der Erft erhielt zunächst wie das zugehörige Kraftwerk den Namen Fortuna wurde jedoch später in Wasserwerk Kenten umgetauft.


Heutiger Zustand

Das 1920 erbaute Wasserwerk Kenten wurde als Putzbau mit flachgeneigten Dächern und Pilastergliederung der Fassaden errichtet. Der Baukörper besteht im Wesentlichen aus der Pumpenhalle und einem Kopfbau. Die Kernanlage von 1920 wurde 1954 erweitert um einen Ostflügel und einen Anbau an die Pumpenhalle.

Die Pumpenhalle ist mit 3:2 Achsen ausgebildet. An zwei Fassadenseiten sind die Rechteckfenster mit Metallsprossen erhalten, an der dritten Seite wurde 1954 der erwähnte Anbau angefügt.

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Nordseite des Pumpenhauses, Foto 2008
Nach Norden ist dem Pumpenhaus ein ursprünglich symmetrisch gestalteter Kopfbau vorgelagert. Er wird geprägt durch ein turmartiges Bauwerk mit flachem Zeltdach. An diesen Turm schließen sich seitlich zweigeschossige Flügelbauten an. Dieser höhenmäßig abgestuften Baugruppe vorgelagert ist ein eingeschossiger Baukörper mit Blechtore in vier Achsen für die Transformatoren. Der an den Kopfbau 1954 angefügte Flügel ordnet sich in Material und Farbgebung dem Ursprungsbau unter, hebt aber die originale Symmetriewirkung der Gesamtanlage auf.

In der architektonischen Formensprache dominieren die in äußerster Reduktion ausgeführten Pilaster. Sie unterstützen optisch einen vorspringenden Wandstreifen unter den Traufen, der nach Art der klassischen Architektur die Fassaden auflöst in ein System von Stützen und Balken. Zum neoklassizistischen Bild passen die kantig ausgebildeten Traufgesimse und die umrahmten Dreiecksgiebel.

Im Inneren ist keine bemerkenswerte Ausstattung erhalten. Es dominiert die große, bis unter Erdniveau eingetiefte Halle für die Pumpen. Die Pumpenhalle wird überspannt von genieteten Stahlfachwerkbindern in Nietkonstruktion.

Zum Wasserwerk gehören ein Schachtbrunnen direkt an der Pumpenhalle und eine Kette weiterer Brunnen.


Bedeutung

In der Geschichte des rheinischen Braunkohlenreviers hatten die Kraftwerke Fortuna I und II in Leistung, Funktion und Architektur eine hohe Bedeutung. Leider sind bauliche oder technische Reste dieser Kraftwerke nicht erhalten. Die Kraftwerke wurden restlos für den fortschreitenden Tagebau abgebrochen. Das Wasserwerk Kenten ist Teil der Kraftwerksgeschichte im Revier und besonders auch der Geschichte der Kraftwerke Fortuna. Als eines der letzten baulichen Relikte dieser herausragenden Entwicklung ist das Wasserwerk bedeutend für die Industriegeschichte des Braunkohlenbergbaus im Rheinland.

Darüber hinaus verdeutlichen die für das Wasserwerk Kenten realisierten Architekturformen wesentliche Tendenzen des Industriebaus und der Architektur in den Jahrzehnten nach 1900. Im Wechsel von dem die Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts dominierenden Historismus zur Moderne gab es nebeneinander mehrere Übergangsstile. Ein auf die Grundelemente reduzierter Klassizismus gehörte zu diesen Übergangsstilen. Der Architekt Peter Behrens, ein bedeutender Mitgestalter dieses Übergangs berief sich mehrfach auf die Tradition des Klassizismus und fühlte sich besonders beeinflußt durch Karl Friedrich Schinkel. Nach seinen epochalen Industriebauten in Berlin für die AEG wandte sich Behrens wieder stärker in konservativer Weise klassizistischen Formen in äußerster Reduktion zu. Es wird in diesem Zusammenhang von "Rohbau-Klassizismus" gesprochen. Behrens setzte Maßstäbe und beeinflußte viele andere zeitgenössische Architekten. Offensichtlich war sein prägender Einfluß auf den Essener Architekten Alfred Fischer, der in Hürth-Knapsack 1912 das Goldenberg-Werk entwarf. Auch hier in Hürth tauchen die auf strengste stilisierten Pilasterformen auf, die wie beim Wasserwerk in Kenten nur aus einer Wandvorlage mit abschließender Platte als Kapitellform bestehen. Der Architekt für das Wasserwerk in Kenten war offensichtlich von diesen Architekturtendenzen beeindruckt und beeinflußt. Wie im Lebenswerk von Peter Behrens ablesbar gewann diese Art der Architektur gerade nach dem Ersten Weltkrieg wachsende Bedeutung. Auch in Köln und Umgebung lassen sich vergleichbare Bauten in der Industriearchitektur nach 1918 verstärkt nachweisen, wie z. B. im Bayerwerk Leverkusen, im Carlswerk von Felten&Guilleaume in Köln-Mülheim oder bei der Rheinischen Gummiwarenfabrik Franz Clouth in Köln-Nippes. Als Beispiel dieser Architekturtendenz in der Zeit nach 1918 ist das Wasserwerk Kenten auch künstlerisch und architekturhistorisch von Bedeutung.