Duisburger Norden
Duisburg
Walter Buschmann
Industriegeschichte und Industriearchitektur im Duisburger Norden


Mühlen

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Die Wittfelder Mühle in einem histoischen Foto
Wie in so vielen Industrieregionen beginnt auch im Duisburger Norden die industrielle Entwicklung mit den Mühlen und ihren Folgenutzungen. Weder der Rhein noch die Ruhr boten allerdings in diesen Flussabschnitten hinreichende Voraussetzungen zur Ansiedlung von Mühlen. Breite und Unruhe dieser Flüsse war für die fest installierten Wasserräder der Mühlen zu groß. Zwar war die Ruhr mit ihren Nebenflüssen nach der Wupper einer der meist genutzten Standorte für Mühlen und Wassertriebwerke und gab mehreren Hundert Anlagen dieser Art eine hervorragende Existenzgrundlage. Unterhalb von Mülheim mit seinen beiden Ruhrmühlen hatte sich allerdings keine weitere Mühle niedergelassen.

Eine Kette von bis nahe an den Rhein heranreichenden Mühlenstandorten gab es jedoch an der Emscher. An dem 109km langen Fluss hatten sich zwischen Dortmund-Aplerbeck und Duisburg-Alsum 15 Mühlen angesiedelt, davon allein 10 am Unterlauf.



Raseneisenerz

Das Ruhrgebiet gehörte nicht zu den alten eisenschaffenden Regionen wie die Eifel oder das Siegerland. Einige wenige Spuren verweisen zwischen Ruhr und Lippe auf die Verhüttung von Raseneisenerz in römischer und germanischer Zeit. Das Erz lag zwischen drei Zoll und drei Fuß knapp unter der Erdoberfläche und wurde teils in großen Stücken, teils in kleinen Brocken ausgegraben. Die Entstehung und Entwicklung der ersten Eisenhütten des Ruhrgebiets in dem unmittelbar östlich an Hamborn angrenzenden, heute zu Oberhausen gehörenden Bereich basierte auf diesen Raseneisenerzfunden. Freiherr von der Wenge erhielt 1741 die Schürfrechte im Vest Recklinghausen und ließ 1757 durch Lütticher Wallonen die St. Antonyhütte errichten. Es folgten 1782 die Hütte Gute Hoffnung und 1791 die Hütte Neuessen. Der Abbau von Raseneisenerz konzentrierte sich auf die Lipperheide im heutigen Oberhausen. Das Abbaugebiet reichte jedoch im Osten bis (Essen-)Karnap und im Westen bis an den Rhein bei Bruckhausen im Schwelgern- und Schwiensbruch. Es ist sogar im 18. Jahrhundert von einer Eisenhütte in Beeckerwerth die Rede, von der jedoch jede weitere Nachrichten fehlen.


Ruhrschifffahrt und Ruhrorter Hafen

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Die Stadt Ruhrort in einer Ansicht von Braun-Hogenberg
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Plan der Stadt Ruhrort um 1800
Das 1371 gegründete Ruhrort muss als Rheinzollstelle schon früh einen Hafen oder wenigstens eine Anlagestelle gehabt habe. 1392 wurde dieser Hafen erstmals erwähnt. Gelegen an der Ruhrmündung war Ruhrort prädestiniert als Umschlagplatz für die in der Mark, im Essen-Werdener und im Mülheim-Broicher Revier geförderte Kohle. 1563 wurde der Ort als Hafen für märkische Kohle erwähnt und schon im 16. Jh. soll viel märkische Kohle aus dem Raum Witten und Hagen über Ruhrort verfrachtet worden sein. 1716 wurde eine Ruhrschlenke zu einem kleinen, noch provisorischen und 1740 vertieften Hafenbecken ausgebaut. 1756 kam der Hafen unter preußische Verwaltung und wurde als Staatshafen weiterentwickelt, während der Duisburger Hafen städtisch war.

Gegen die Konkurrenz Mülheims erhielt Ruhrort 1771 das Monopol für den Kohlenhandel. Dies und vor allem die 1774 bis 1780 durchgeführte Schiffbarmachung der Ruhr waren die Grundlagen für die Hafen- und Ortsentwicklung. Schüttgüter wie Kohle und später Erze bestimmten Bild und Technik des Ruhrorter Hafens.

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Das Hanielsche Stammhaus
Die Ruhrorter Kohlenkaufleute, allen voran Franz Haniel, kauften sich verstärkt in die Stollenzechen an der Ruhr ein und sorgten mit ihrem Kapital für einen Entwicklungsschub im Ruhrbergbau. Haniel wurde als Mitbegründer der Gutehoffnungshütte in (Oberhausen-) Sterkrade und als Gründer der Zechen Oberhausen, Zollverein, Rheinpreußen und Neumühl zu den großen Industriepionieren des Reviers. Das Haniel’sche Stammhaus von 1756 in der Ruhrorter Hafenstraße ist als Wohn- und Kontorhaus und zudem mit seinem mächtigen Doppeldachstuhl nicht nur ein wichtiges Beispiel für den frühen Bau von Speicherhäusern, sondern zugleich eine der vielbeschworenen Wiegen der Ruhrindustrie.

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Das Hanielsche Stammhaus
Die Industrialisierung des Duisburger Nordens in der ersten Boomphase nach 1850 wurde begünstigt durch den mit Mitteln des Ruhrschiffahrtsfonds vom preußischen Staat betriebenen Hafenausbau. 1820-25 entstand nach Entwurf des Wasserbauinspektors Carl Wilhelm Heinrich Neuenborn als Verlängerung des bisherigen Hafenbeckens von 1716 der Inselhafen. Die ovale Form des Hafenbeckens sorgte für eine große Wasserfläche und war dennoch mit nur kurzer Deichlinie zu sichern. Bald nach Fertigstellung dieses für Ruhrort riesenhaften Projektes entstand 1829/30 durch die Betreiber der Gutehoffnungshütte in Oberhausen Jacobi, Haniel und Huyssens eine Werft mit zugehöriger Kesselschmiede am Nordufer des Hafens. Nach anfänglichem Misserfolg produzierte die Werft seit 1832 fast jährlich ein Dampfschiff. Die erhaltenen Werkstattgebäude der Werft gehören zu den wenigen erhaltenen Zeugnissen der Industriearchitektur an der Ruhr aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Der Inselhafen steigerte die Leistungsfähigkeit des Ruhrorter Hafens beträchtlich. Der Kohlenumschlag verdoppelte sich zwischen 1826 und 1834 von 160.000 auf 340.000t. In den 1830er/1840er Jahren wurden 50% der Ruhrkohlenförderung über den Fluss transportiert und in Ruhrort von den Ruhrnachen in Magazinen gelagert und auf Rheinschiffe umgeladen. Um der rasanten Entwicklung gerecht zu werden, entstand 1837-42 der Schleusenhafen, als 1000m langes, parallel zum ovalen Inselhafen geführtes Hafenbecken. Insel- und Schleusenhafen wurden mittels Durchstich, Verbindungskanal und Schleuse mit der Ruhr verbunden.


Eisenbahnen

Im äußersten Osten wurde der Duisburger Norden schon früh von einer der wichtigsten Eisenbahnlinien in Preußen tangiert: der Köln-Mindener Eisenbahn. Mit dem Bau der Linie war 1843 begonnen worden, 1846 war Duisburg erreicht und 1847 fuhren die ersten Züge zwischen Köln und Minden. Die durchgehende Verbindung durch das Königreich Hannover bis Berlin war 1848 möglich. Die Linienführung im Emschertal hatte einem immensen Entwicklungsschub besonders für den Bergbau in der Emscherzone zur Folge. Die Entstehung großer Bergwerke und Hütten, wie die Zeche Oberhausen, die Eisenhütte der Gutehoffnungshütte, der Kölner Bergwerks-Verein mit der Zeche Carl in Essen, die Zeche Zollverein wären ohne diese Eisenbahn nicht denkbar gewesen.

Nicht diese Fernlinie selbst, wohl aber die 1848 fertig gestellte Zweigstrecke der Köln-Mindener-Eisenbahn zwischen Oberhausen und Ruhrort beeinflusste die industriellen Gründungsphasen der kommenden Jahrzehnte im Duisburger Norden erheblich. Die Zweigstrecke war umso wichtiger, als in Ruhrort ein Rheinübergang geschaffen wurde. Schon im März 1847 hatte die Köln-Mindener Eisenbahn mit der linksrheinischen Ruhrort-Krefeld-Gladbacher Eisenbahngesellschaft eine Übereinkunft zur Verbindung der beiden Gleisnetze über den Rhein hinweg mittels Dampffähre geschlossen. 1852 wurden auf dieser Grundlage an beiden Rheinufern Hafenbecken und Rampen mit einem Gefälle von 1:10 zur Vermittlung zwischen Ufer und Wasserniveau gebaut und 1854-56 entstanden an beiden Rheinufern nach englischem Vorbild Hebetürme.

Als wichtiger Konkurrent im Zeitalter der Privateisenbahnen trat im Ruhrgebiet schon bald der Köln-Mindener-Eisenbahn die Bergisch-Märkische-Eisenbahn gegenüber. Die Bergisch-Märkische übernahm 1854 die Betriebsleitung der Ruhrort-Krefeld-Gladbacher Eisenbahn und damit auch den Trajektverkehr über den Rhein zwischen Homberg und Ruhrort. In der zweiten Hälfte der 1850er Jahre wurde das Projekt einer zentralen Ost-West-Bahn durch das Ruhrgebiet entwickelt und 1860-62 realisiert. Die Bahn berührte alle großen Ruhrstädte: Duisburg, Mülheim, Essen, Bochum und Dortmund. 1867 kam die Zweigbahn Styrum – Meiderich – Ruhrort dazu. Die Strecke war nun für Kohlentransporte aus den Bergamtsbezirken Essen und Bochum zum Ruhrorter Hafen geeignet. Auf den letzten 3,6km führte die Stecke parallel zur Linie der Köln-Mindener-Eisenbahn und endete am Bassin des Eisenbahnhafens. Als Empfangsgebäude diente das durch Enteignung in den Besitz der Eisenbahngesellschaft gelangte Verwaltungs- und Direktionsgebäude der Phoenix AG. Mit zahlreichen Anschlussbahnen an Zechen und Hütten (1881 waren 52 Hochöfen angeschlossen) hatte die Bahn eine erhebliche Bedeutung für die wirtschaftliche Erschließung des Reviers.

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Karte der werksinternen Eisenbahnen Thyssen
Die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft reagierte 1868-75 mit einer weiteren Ost-West-Bahnlinie, der Emschertalbahn. Man knüpfte mit dieser Bahn an die guten Erfahrungen der ersten Linie an und erhoffte sich positive Auswirkungen auf den Bergbau. Die im Osten bis (Dortmund-)Hoerde führende Bahn wurde auch Hoerder Transportbahn genannt. Der 1879 erbaute Bahnhof Neumühl war eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der nördlichen und östlichen Bereiche Hamborns.

Schließlich realisierte auch die dritte große westdeutsche Eisenbahngesellschaft eine durch den Duisburger Norden führende Strecke. Die Rheinische Eisenbahn konnte 1879 die als Verbindung zur Nordsee erbaute Linie Oberhausen - Quackenbrück eröffnen. In Quakenbrück erfolgte der Anschluss an die Oldenburger Staatsbahn und damit die Verbindung nach Wilhelmshaven und Bremen. Die Strecke blieb ohne große wirtschaftliche Bedeutung, diente jedoch während des Ersten Weltkriegs zur Versorgung des Kriegshafens Wilhelmshaven mit Ruhrkohle. Im Stadt- und Landschaftsbild des Duisburger Nordens wirkt diese Eisenbahn durch die Brücke über die Ruhr und die Ruhrniederung südlich von Meiderich.


Gründerjahre 1850-1900

Die Entwicklung des Ruhrorter Hafens und der Eisenbahnen waren Voraussetzung und Folge für der Industrialisierung nördlich von Ruhrort. Die Gründung der Unternehmen oder Werke erfolgte in drei wesentlichen Entwicklungsschüben: das Jahrzehnt nach der Deutschen Revolution 1848, die Zeit nach dem Deutsch-Französischen Krieg ab etwa 1870 und die 1890er Jahre. Steinkohle, Eisen- und Stahl wurden innerhalb weniger Jahrzehnte die wichtigsten Produkte im Duisburger Norden. Aber es gab noch einige andere wichtige Branchen.

Die wichtigste Gründung der 1850er Jahre war die Phoenix AG für Bergbau und Hüttenbetrieb. Das Unternehmen wurde 1852 in Aachen gegründet. Beteiligt waren wallonische Eisenhüttenleute, aber auch die wichtigsten Textilfabrikanten aus Eupen. Télémach Michiels brachte sein 1841 in Eschweiler-Aue gegründetes Puddel- und Walzwerk ein. Geplant war der Bau und Betrieb von Hochofenwerken „auf der Kohle“ im Ruhrgebiet. Es entstanden zwei neue Hüttenwerke in Laar bei Ruhrort und ein kleineres Werk in (Essen-)Kupferdreh. 1855 wurde das Borbecker Hüttenwerk von Charles Détillieux übernommen. „Der Phoenix“ benannt nach dem aus der Asche sich erhebenden sagenhaften Vogel aus der griechischen Mythologie war mit drei Hüttenanlagen im Ruhrgebiet eine der größten montanindustriellen Gründungen der 1850er Jahre im Ruhrgebiet. Zum größten Hüttenstandort des Unternehmens wurde die Anlage in Ruhrort-Laar. 1853/54 entstanden die ersten drei Hochöfen schottischer Bauart mit Blechmänteln anstelle der in den 1850er Jahren noch üblichen in massivem Mauerwerk errichteten Öfen.

In diese Zeit fallen auch die Anfänge des Steinkohlenbergbaus im Duisburger Norden. Die „Mutungslust“ der 1850er Jahre, bedingt durch die Entwicklung des Eisenbahnwesens, das Aufblühen der Eisenindustrie und die Aufhebung des Direktionsprinzips zugunsten weitgehend marktwirtschaftlicher Prinzipien auch im Bergbau führte überall in der Umgebung von Duisburg zu dem Versuch, erfolgreiche Schächte und Bergwerke zu entwickeln: 1855 wurde mit englischem Kapital Zeche Westende gegründet. 1856 kam es im Europäischen Hof zu Duisburg zur Gründung der Gewerkschaft Ruhr und Rhein. Wegen der unrentierlichen Förderbedingungen wurde aber auch die Zeche Ruhr und Rhein schon 1868 wieder stillgelegt. Die Zeche wurde 1870 neu belebt und gehrte seit 1896 zum benachbart Hüttenwerk Phoenix.

Erst die Probleme der anderen Rheinzechen verdeutlichen den Wagemut mit dem 1872 nur 2km vom Rhein entfernt die Abteufarbeiten für den Schacht 1 der Gewerkschaft Deutscher Kaiser begannen. Dieser 1876 in Förderung gehende Schacht 1 war noch in einer altertümlichen Architektur, mit einer massiv in Backstein ausgeführten Schachthalle und darauf aufgesetztem Pyramidengerüst ausgestattet worden. Als August Thyssen 1883 mit Hilfe der beteiligten Banken in den Vorstand der Gewerkschaft Deutscher Kaiser einzog, sorgte er für die Durchsetzung eines konsequent auf Expansion ausgerichteten Konzepts. Die Zeche wurde mit drei weiteren nun mit Stahlfördergerüsten ausgestatteten Schachtanlagen bis 1903 die größte Zeche des Ruhrgebiets und verschaffte August Thyssen, der bis 1891 alle Anteile an der Zeche erworben hatte die erhoffte Kohlenbasis für seine Eisen- und Stahlwerke. Zum Thyssen-Bergbau am Niederrein gehörten auch die 1909 bis 1914 in Walsum erbaute Zeche Wehoven und im nördlich benachbarten Dinslaken die 1908-13 geschaffene Zeche Lohberg.

Zunächst jedoch entstanden in der Gründungsphase nach dem Deutsch-Französischen Krieg auf dem Nachbargelände der Phoenix AG die Rheinischen Stahlwerke. Sehr schnell nach Entwicklung des Thomas-Verfahrens erwarb das Werk eine Lizenz und schon 1879 wurde wie im Hoerder Hüttenwerk der erste Thomasstahl in Deutschland erzeugt. Von den schon lange geplanten Hochöfen wurden die ersten zwei 1887-89 errichtet. 1899 folgte der dritte und 1904/08 weitere zwei Öfen. Zur Hochofenanlage gehörte eine Kokerei mit 150 Öfen.

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Historisches Schaubild der Zeche August Thyssen
Die Anfänge für die gewaltigste Hüttenanlage im Duisburger Norden legte August Thyssen mit einem 1889-94 erbauten Stahl- und Walzwerk in Bruckhausen. Zwischen 1895 und 1900 wurde die Hütte in Bruckhausen mit einer Gruppe von fünf Hochöfen und einer Kokerei mit 324 Koksöfen ausgebaut. Das Werk zählte um 1900 mehr als 5000 Beschäftigte.

Parallel zur Entstehung der Hütte in Bruckhausen plante August Thyssen in den 1890er Jahren ein zweites Hüttenwerk in Meiderich. Das Werk in sollte zur Versorgung der Siemens-Martin-Öfen in Mülheim-Styrum Stahleisen und Spezialeisen liefern. Zwischen 1901 und 1912 entstanden 5 Hochöfen. Mit Inbetriebnahme des fünften Ofens waren in Meiderich 1350 Mann beschäftigt. Dem Meidericher Hochofenwerk wurde 1910-11 eine Gießerei für schwere Gießprodukte angegliedert.

Innerhalb von knapp 60 Jahren waren im Duisburger Norden vier Hüttenwerke entstanden. Die AG für Hüttenbetriebe in Meiderich war als reines Hochofenwerk die kleinste Anlage. Die anderen drei Hütten waren integrierte Hüttenwerke, dienten also zur Eisen- und Stahlproduktion und waren zudem mit Walzwerken ausgestattet. Zwei Hüttenwerke, die Thyssen-Hütte in Bruckhausen und die Phoenix AG hatten innerhalb der Werksgelände zugleich auch fördernde Zechen. Hier kam der häufig von den großen montanindustriellen Gesellschaften im Ruhrgebiet schon im Namen der Unternehmen demonstrierte Anspruch zur Verbindung von Bergbau und Eisenerzeugung auch architektonisch und städtebaulich zum Ausdruck. Besonders die Thyssen-Hütte Bruckhausen war geradezu die Inkarnation einer Hüttenzeche.

Optimal an die Verkehrswege angeschlossen waren die beiden südlichen Hütten, die Phoenix AG und die Rheinischen Stahlwerke. Beide Hütten lagen direkt an den großen Hafenbecken des Ruhrorter Hafens und verfügten von Anfang an mit der Köln-Mindener Eisenbahn über gute Eisenbahnanschlüsse. Der Ausbau des Ruhrorter Hafens ließ auch die Gleisanlagen des Ruhrorter Bahnhofs wachsen mit dicken Gleisbündeln, die den beiden Hütten im Süden direkt vorgelagert waren.

Vergleichbar günstige Voraussetzungen gab es für die beiden Thyssen-Hütten nicht. Der 1880-82 für die Gewerkschaft Deutscher Kaiser in der Emschermündung angelegte Hafen Alsum erlaubte anfangs nur einen höchst einfachen Umschlag von Kohle und Eisen mit senkrecht zum Ufer angeordneten Verladebühnen und angehängten Schurren. Erst später entstand ein fester Kai mit einem parallel zum Ufer errichtetem Bohlwerk. Der Materialumschlag erfolgte mit 10 Dampfkrane und Klappkübelbetrieb.

Ausgehend vom Bahnhof Neumühl der Emschertalbahn wurde für den Schacht 1 der Gewerkschaft Deutscher Kaiser 1874 eine quer durch den Hamborner Norden führende Anschlussbahn erbaut, die zunächst nur bis zur Schachtanlage 1/6 führte. Diese Bahn war der Beginn für eines der größten Werksbahnnetze in Deutschland. 1882 wurde die Zweigbahn an der Hütte in Bruckhausen vorbei bis zum Hafen Alsum verlängert. 1903-07 entstand für die Thyssen-Werke der Hafen Schwelgern und in unmittelbarer Nachbarschaft 1902-05 für die Gutehoffnungshütte der Werkshafen Walsum.

Wie Thyssen war auch Haniel an einer Kohlebasis für seine Hüttenwerke interessiert. Die Großzechen Oberhausen in Oberhausen (Förderung seit 1850), Zollverein in Essen (Förderung seit 1851) und Rheinpreußen in (Duisburg-)Homberg (Förderung seit 1876) waren aus diesem Motiv heraus von Franz Haniel und seinem Sohn Hugo aufgebaut worden. Der erste Plan für die Zeche Neumühl geht auf Mutungen der 1850er Jahre zurück. Franz Haniel und Daniel Morian hatten nach gemeinsamen Bohrungen die Felder Neumühl 1-9 1859 und 1865 verliehen bekommen. Die Schächte 1 und 2 entstanden jedoch erst 1893-99 und die Schächte 3 bis 6 1902-16. Die Zeche Neumühl wurde eine der leistungsstärksten Anlagen der Jahrhundertwende. Architektonisch bemerkenswert war der 1910-14 entstandene Förderturm für den Schacht 4. Es war einer der ersten Fördertürme des Ruhrbergbaus in Stahlkonstruktion mit Stahlfachwerkfassaden. Im Turmkopf war eine Dampffördermaschine aufgestellt.


Verbundwirtschaft und ihre Produkte: Gas und Teer

Die Entwicklung der Verbundwirtschaft ist in dem hier realisierten Umfang ein originärer Beitrag Duisburgs zur Montanindustrie. Wesentliche Aufgabe der Verbundwirtschaft ist es, diejenigen Stoffe und Energien nutzbar zu machen, die im Betrieb zwangsläufig anfallen und ohne Anwendung der Verbundwirtschaft entweder verloren gehen oder nur unwirtschaftlich verwertet werden. Die im Produktionsprozess verborgenen ungenutzten Reserven waren August Thyssen schon um 1900 bewusst. Unter seinem Hüttendirektor Franz Dahl gab es im ersten Jahrzehnt nach 1900 einen konsequenten Ausbau der Verbundwirtschaft. Das betraf besonders das in ungeheuren Mengen in Hoch- und Koksöfen erzeugte Gas. Heinrich Koppers hatte 1904 mit der Erfindung des Regenerativ-Koksofens die Grundlage geschaffen. Dieser Ofen produzierte 50% des Koksofengases als Überschuss. Mit dem Verbundofen von Koppers wurde das Gichtgas der Hochöfen zur Beheizung der Koksöfen verwendbar. Damit konnten die Kokereien der Montanreviere in großen Mengen Stadtgas produzieren. 1911-12 wurden die ersten Verbund-Koksöfen für die Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mülheim/Ruhr und für die August-Thyssen-Hütte in Bruckhausen gebaut. Die Kokerei Bruckhausen war 1907-12 komplett erneuert worden, zunächst mit Regenerativ-, dann mit Verbundöfen. Thyssen konnte durch Verträge die Ferngasversorgung bis nach Barmen 1910 und Wesel 1912 aufnehmen. Seit 1926 wurde auch Köln mit dem Ruhrgas versorgt.


Wasser

Im Produktionsprozess der Montanindustrie ist das Brauchwasser eine existenzielle Voraussetzung, so wie die Versorgung mit Trinkwasser als Lebensmittel Grundlage der Siedlungsentwicklung war und ist. Beides führte im Duisburger Norden zu heute nur noch rudimentär wahrnehmbaren baulich-städtebaulichen Resultaten. Die Grundlagen für eine leistungsstarke Wasserförderung lieferte die Industrie mit dem 1893 erbauten Thyssen-Wasserwerk im benachbarten Mülheim-Styrum. Entstanden war die Anlage aus dem Wasserbedarf des Mülheimer Thyssenwerks Thyssen&Co zu befriedigen. Bald jedoch entstanden auch Wasserleitungen nach Gladbeck (1895/96) zur Versorgung der Zeche Graf Moltke und nach Hamborn (1896/97) für die Betriebsteile der Gewerkschaft Deutscher Kaiser. Aus dem Wasserwerk in Styrum als industriellem Hilfsbetrieb wurde parallel mit Entstehung, Ausbau und der Ausdehnung des Leitungsnetzes auch ein gutverdienender Versorgungsbetrieb für die anliegenden Gemeinden: Styrum, Dümpten, Borbeck, Bottrop, Gladbeck, Hamborn (seit 1898), Bruckhausen, Alsum, Fahrn und Marxloh. Zur Sicherstellung des notwendigen Wasserdrucks in Hamborn war 1898/99 an der Provinzialstraße (heute Duisburger Straße) ein wahrzeichenhafter Wasserturm entstanden. Seit 1902 wurde dieser Standort zur Betriebsstelle ausgebaut. Um den steigenden Wasserbedarf zu decken entstand 1906-08 in Laar ein zweites Wasserwerk(nicht erhalten). Das Wasserwerk Thyssen&Co übernahm nach Abschluss eines Gasliefervertrages seit 1904 auch die Gasversorgungsfunktion für die Gemeinde Hamborn.

1920-23 war mit dem Bau des Wasserwerks Beeckerwerth eine neue Dimension der Wasserförderung eingeleitet worden. Die direkt neben der Haus-Knipp-Brücke erbaute Anlage war architektonisch und technisch eine Meisterleistung. Die drei Hochleistungspumpen waren zusammen mit einer Drehstrompumpe in einem zylinderförmigen Rundbau untergebracht. Achsial dahinter entstand überragt von einem Schornstein in Betonkonstruktion als hochaufragender Quader die Bunker- und Kesselhausanlage. Nach Umstellung auf Erdgas 1968 fiel zuerst der Schornstein und Anfang der 1990er Jahre auch die Bunker- und Kesselhausanlage nachdem ein Versuch zur Eintragung dieses mächtigen Betonbauwerks in die Denkmalliste misslungen war.


Eisenbahnen, Straßen und Kanäle: Verkehrsbauten der Jahrhundertwende

Eine Staatseisenbahn vermehrte nach 1900 das Gleisnetz im Duisburger Norden. 1908-12 entstand parallel zur Strecke Oberhausen-Arnheim eine zweite nach Norden führende Linie von Oberhausen über Walsum nach Wesel. Sie sollte zur Entlastung der vielbefahrenen Arnheimer Strecke und vor allem des Knotenpunktes Oberhausen dienen. Kurz vor der Stadtgrenze nach Oberhausen schwenkt die Gleistrasse im Bogen nach Westen, und führt teilweise der Emschertalbahn folgend durch Beeck und Beeckerwerth zu der für diese Linie neu errichteten Haus-Knipp-Brücke über dem Rhein. Zweck der Strecke war es, die aus Holland und vom Niederrhein kommenden Güter unter Umgehung des Bahnhofes Oberhausen über die neue Rheinbrücke nach Süden Richtung Mosel und Saar befördern zu können. Entlastet wurde damit auch die Hochfelder Brücke im Duisburger Süden. Die ganze Strecke war in Dammlage ohne Niveaukreuzungen mit fünf großen Brücken, 50 Unterführungen und den beiden Bahnhöfen Hamborn und Meiderich-Süd entstanden.

Auch im Bau von Straßenbrücken gab es nach 1900 zwei wichtige Resultate. Schon 1864 war die Haniel-Brücke als Verbindung zwischen Ruhrort und Duisburg entstanden. Mit den Hafenerweiterungen mussten im Verlauf der Brücke weitere Brückenfelder über den Hafenkanal, Kaiserhafen und Vinckekanal errichtet werden. 1907 wurde die Haniel-Brücke abgelöst durch die 70m stromabwärts erbaute Oberbürgermeister-Karl-Lehr-Brücke. Der gesamte etwa 1100m lange Brückenzug wurde nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend erneuert. 1947 wurde über der Ruhr ein per Schiff nach Duisburg gebrachter Bogenträger der Kölner Hohenzollernbrücke(1907-13) eingebaut.

Haniel-Brücke und Oberbürgermeister-Karl-Lehr-Brücke übernahmen auch eine wichtige Funktion für den öffentlichen Nahverkehr. Seit 1881 gab es eine Pferdebahn-, seit 1898 eine Straßenbahnverbindung über den Brückenzug zwischen Duisburg und Ruhrort.

Eine zweite für den Nord-Süd Straßenverkehr wichtige Verbindung zwischen Meiderich und Duisburg wurde die 1902-04 erbaute Aakerfährbrücke. Die Brücke ersetzte eine seit 1359 überlieferte und damals durch die Herren von Meiderich betriebene Fährverbindung. Die Aakerfährbrücke war eine dreiteilige Strombrücke kombiniert mit sechs Flutöffnungen im Meidericher Bereich. Die drei Bögen der Strombrücke waren als Bogensehnenträger mit Zugstangen konstruiert. Dieser so genannte „Deutsche Bogen“ wurde häufig im zeitgenössischen Brückenbau verwendet (vgl. Hohenzollernbrücke/Köln). Die architektonische Einbindung der Brücke in das Stadt- und Landschaftsbild wurde dem Berliner Architekten Bruno Möhring übertragen.

Ebenfalls als Ersatz für eine Fährverbindung entstand 1907 die Ruhrort-Homberger Brücke nach Entwurf des Karlsruher Architekten Hermann Billing. Nach Zerstörung der Brücke durch abziehende deutsche Truppen, blieben nur die von Billing gestalteten Brückentürme erhalten. Das Tragwerk wurde ersetzt durch eine 1954 unter dem Namen Friedrich-Ebert-Brücke eingeweihte Hängebrücke.

Als dritte markante Straßenbrücke wurde als durchlaufender Bogenträger 1906/07 die Bassinbrücke über den Eisenbahnhafen errichtet.


Ruhrorter Hafen und Rhein-Herne-Kanal

Bild und Geschichte des Duisburger Nordens wurden wesentlich durch den Ausbau des Ruhrorter Hafens im Jahrzehnt nach der Jahrhundertwende geprägt. Zuvor waren 1860-68 der Nord- und Südhafen und 1872-90 der Kaiserhafen entstanden. Starke Umschlagzuwächse und die Konkurrenz des Duisburger Parallelhafens führten zur Planung der Becken A, B und C mit eigenem Zufahrtskanal zum Rhein. Südöstlich des Kaiserhafens entstanden 1903-08 die drei 1200m langen Hafenbecken in den Meidericher Ruhrwiesen. Der Hafenneubau beeinflusste die parallel durchgeführte Planung für den Rhein-Herne-Kanal. 1912-14 entstand der Vinckekanal als direkte Verbindung von Nord- und Südhafen mit dem Rhein. Mit einer Teilzuschüttung des Insel- und Schleusenhafens und einer Brücke über den Vinckekanal als Teil des Oberbürgermeister-Karl-Lehr Brückenzuges wurde ein neuer Zugang nach Ruhrort geschaffen und es entstanden Bauflächen, die u. a. für den neuen Verwaltungsbau der Rheinischen Stahlwerke (Tausendfensterhaus) genutzt wurden.

Durch den Bau des Rhein-Herne-Kanals kam in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg von 1906 bis 1914 ein für das ganze Ruhrgebiet wichtiges Verkehrsprojekt mit weit ins 19. Jahrhundert zurückreichender Vorgeschichte zur Ausführung. Der Rhein-Herne-Kanal mit einer Länge von 45,6km und 7 Schleusen gehört zu einem weitreichenden Kanalsystem zwischen Rhein und Elbe.

Die Realisierung des Rhein-Herne-Kanals bedeutete zugleich die Aufgabe der im südlichen Ruhrgebiet gehegten Hoffnung auf einen zeitgemäßen Ausbau der Ruhr. Mülheim mit seiner großen Schifffahrtstradition verzichtete jedoch nicht auf eine leistungsfähige Verbindung mit dem Rhein und ließ 1899 Pläne für einen 9,2km langen Seitenkanal bis Ruhrort ausarbeiten. Die preußische Wasserbauverwaltung passte diese Pläne dem Projekt des Rhein-Herne-Kanals an mit einem Wehr bei Duisburg-Meiderich und einem Verbindungskanal zwischen der Ruhr und Kanal. Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Mülheimer Stichkanals war das Ruhrwehr bei Duisburg-Meiderich und der Verbindungskanal zwischen Ruhr und Rhein-Herne-Kanal. Über den Verbindungskanal konnten die Mülheimer Schiffe auch die Meidericher Schleuse benutzen.

Die Schleuse in Meiderich war jedoch für 1700t große Rheinschiffe nicht passierbar. Zudem wirkte die Schleuse trotz Ausdehnung der Betriebszeiten von 12 bis 13 Stunden auf 16 bis 21 und zeitweise bis 24 Stunden wie ein Nadelöhr. Abhilfe sollte eine zweite Schleuse schaffen. Um den Verkehr im Ruhrorter Hafen nicht zusätzlich zu belasten, wurde keine zweite Kammer für die Meidericher Schleuse, sondern eine separate Anlage am Ruhrwehr geplant. Der Bau begann zeitgleich mit der Schleuse Raffelberg 1919, wurde unterbrochen durch die Ruhrbesetzung 1923/24 und konnte erst 1926 abgeschlossen werden. Die großzügig verbreiterte Ruhr oberhalb der Schleuse bot zusätzliche Liegeplätze für den Kanal- und Ruhrverkehr mit Liegeplätzen an Dalben.

Wegen Schäden am Ruhrwehr entstand 1934-36 im Verbindungskanal ein Sicherheits-Sperrtor, um bei einem Versagen des Ruhrwehrs ein Ausfließen des Kanalwassers zu vermeiden. Trotz der Kriegszeit wurde 1941 mit der Erneuerung des schadhaften Ruhrwehrs begonnen. Die Fertigstellung zog sich durch die Beschränkungen während Krieg und Nachkriegszeit bis 1957 hin.


Emscherregulierung

Eine der wichtigsten industriebezogenen Infrastrukturmaßnahmen war die Emscherregulierung durch die 1904 gegründete Emschergenossenschaft. Die im Unterlauf reich mäandrierende Emscher hatte durch Bergsenkungen inzwischen kein natürliches Gefälle mehr zum Rhein. Der Emscher-Unterlauf zwischen Meiderich und Alsum wurde daher ersetzt durch die bei Walsum in den Rhein mündende „Neue Emscher“. Die abgetrennte „Alte Emscher“ wurde begradigt und floss nun als örtlicher Schmutzwassersammler in einem ebenfalls kanalartigen Flussbett. Diese neugeformte „Alte Emscher“ durchquerte das Gelände der Hüttenbetriebe Meiderich und begrenzte im Süden die Schachtanlage Gewerkschaft Deutscher Kaiser 4/8. In Beeck entstand als Endpunkt des offenen Flusskanals das von Alfred Fischer 1914 entworfene Pumpwerk Alte Emscher. Das Wasser der Emscher und einiger kleinerer Flüsse wurde über dieses Pumpwerk in den Rhein gehoben. Architektonisch ebenso anspruchsvoll ist Fischers 1927 entstandenes Pumpwerk in Schmidthorst. Es pumpt über Druckrohrleitungen das Schmutzwasser in die „Neue Emscher“.

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Das Pumpwerk Alte Emscher
1937 erfolgte eine weitere Verschiebung der Emscher nach Norden. Die endgültige Lage des neuen Flusskanals mit der 7km nach Norden verschobenen Einmündung in den Rhein entstand erst 1949. Die bisherige „Neue Emscher“ wurde nun zur „Kleinen Emscher“. Sie diente wie die Alte Emscher als Abwassersammler für das direkte Umfeld. Durch die verschiedenen Flussregulierungen verkürzte sich der Flusslauf von 109km im Jahr 1900 auf heute noch 81km. Die seit der Internationalen Bauausstellung Emscherpark begonnene Renaturierung der Emscher will das von der Industriegeschichte geformte geradlinige Erscheinungsbild dieses jahrzehntelang als Abwassersammler genutzten Flusskanals nicht in Frage stellen.


Modernisierungen | Rationalisierungen | Konzentrationen

Weitaus häufiger als in anderen Industriebranchen müssen die ununterbrochen und mit hohen Temperaturen arbeitenden Anlagen der Eisen- und Stahlindustrie und des Kokereiwesens erneuert werden. Hochöfen, Koksöfen und Stahlwerke unterliegen einem starken Verschleiß aber auch einem hohen Innovationsdruck. Beides drängte in relativ kurzen Abständen zur Erneuerung. Nur sehr selten noch lassen sich Industriebauten oder Anlagen aus den so ereignisreichen 1850er oder 1870er Jahren finden.

Den wichtigsten Erneuerungsschub gab es in den 1920er Jahren. Aus Plänen zur Reparatur von vier Koksofenbatterien 1921 für die Kokerei der August-Thyssen-Hütte wurde nach Vorschlag von Heinrich Koppers ein kompletter Neubau. August Thyssen zögerte zunächst, ließ sich dann aber von Koppers überzeugen. 1922-26 entstanden vier neue Großbatterien und eine Misch- und Mahlanlage um die Kokskohlen von mehreren Zechen zu einer stets gleichmäßigen Qualität zu verarbeiten. Es war die erste Zentralkokerei Deutschlands. Damit wurde zugleich die zum Stadtteil Bruckhausen orientierte nun wesentlich durch den Betonbau der Misch- und Mahlanlage geprägte Silhouette des Werkes neu geformt. Auch die ebenfalls in Stahlbeton erstellten Kokskohlentürme, die fast gänzlich erneuerte Nebenproduktenanlage und die nach dem Krieg erneuerten Kühltürme sind Teil des durch die 1920er Jahre wesentlich geprägten Werksbildes.

In eine neue Dimension wuchsen die Erneuerungsmaßnahmen nach Gründung der Vereinigten Stahlwerke AG 1926. Es war in Deutschland der größte montanindustrielle Zusammenschluss. In Duisburg gehörten nun alle Thyssen-Werke und die beiden Hütten in Ruhrort und Meiderich unter ein Konzerndach und wurden wie ein Werk geführt. Noch einmal wuchsen die Verbindungselemente der Werke untereinander mit einem Austausch von Strom, Gas, Dampf, Roheisen und Halbzeuge. Sichtbarer Ausdruck waren die sich durch die Stadtteile ziehenden Rohr- und Verkehrsnetze. Die Gleisanlagen der Vereinigten Stahlwerke im Duisburger Norden erreichten Ende der 1920er Jahre eine Länge von 400km. Sie schufen Verbindungen zwischen den Werken, zerschnitten aber auch Wegebeziehungen innerhalb der Gemeinden und zwischen den Orten. Es entstand jene für viele Besucher der Montanstädte so fremdartige Zerrissenheit, deren Fremdheit sich erst auflöst, wenn man die Zusammenhänge der Werksteile auf den meist höher liegenden Ebenen der Werksstraßen und Werksgleise erfährt.

Das führende Werk blieb die August-Thyssen-Hütte mit dem neuen Hochofen 8 und einer neuen Blockstraße von 1927. Der Hochofen mit einem Gestelldurchmesser von 6,5m rückte in eine neue Größenordnung vor, galt als ein Gigant in der europäischen Montanindustrie.

Prägnantes Zeichen für die Blüte der 1920er Jahre waren die neuen Verwaltungsgebäude der Stahlindustrie. An städtebaulich äußerst prominenter Stelle, an der Zufahrtsstraße nach Ruhrort entstand 1923 die Verwaltung der Rheinischen Stahlwerke, ein Backsteinbau nach dem Entwurf von Heinrich Bleecken (Tausend-Fenster-Haus). Weniger gewaltig, aber in Wahl des Architekten und realisierten Bauformen ebenfalls äußerst anspruchsvoll baute die AG für Hüttenbetriebe nach Plänen von Alfred Fischer in Meiderich 1923-25 ein neues Verwaltungsgebäude.

Zu den wichtigsten Architekturen der 1920er Jahre jedoch gehören die Bergwerke.

Noch in Verwirklichung der Ausbaupläne für den Thyssen-Bergbau war während des Ersten Weltkrieges der Schacht 1 der Zeche Beeckerwerth 1915 begonnen worden. Die Tagesanlagen der 1923 in Förderung gegangenen Zeche sind noch in jener schweren Backsteinarchitektur mit historisierenden Zitaten gehalten, die dem Rheinischen Expressionismus zugeordnet werden kann.

Den Geist der neuen Zeit dagegen verkörperten die Tagesbauten der Zeche Friedrich Thyssen Schacht 2/5. Entsprechend den Rationalisierungsbestrebungen der Vereinigte Stahlwerke AG sollte die Förderung des Thyssen-Bergbaus auf einen Schacht konzentriert werden. Zum neuen Zentralförderschacht wurde 1929-31 Schacht 2 mit einer Förderleistung von 8-10.000t pro Tag ausgebaut. Die Architektur wurde geschaffen von Fritz Schupp und Martin Kremmer, die gleichzeitig die Zentralschachtanlage Zollverein 12 realisierten. Die Gebäude für die Thyssen-Anlage in Hamborn entstanden ebenfalls in Stahlfachwerkarchitektur. Das Fördergerüst von Schacht 5 hatte einen fast vollständig geschweißten Fördergerüstkopf und entwickelt mit den senkrechten Versteifungsstegen eine ganz eigenwillige Ästhetik. Die Tagesanlagen vom Schacht 2/5 wurden nach Stilllegung in den 1970er Jahren weitgehend abgebrochen.

Ebenfalls nach dem Konzept der Zentralförderanlagen wurde die Zeche Walsum in den 1920er Jahren geplant und begonnen. Verzögert durch die Weltwirtschaftskrise wurden die Tagesanlagen für den Franz-Lenze-Schacht aber erst zwischen 1934 und 1939 ausgeführt. Vollendet wurde die Anlage mit dem zweiten Schacht erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit den reinen Backsteinfassaden vor den tragenden Stahlkonstruktionen und den schlanken, vertikalen Fensteröffnungen zeugt die Architektur von den für die NS-Zeit typischen Formvorstellungen für den Industriebau.


Wiederaufbau und neue Blütezeit der Montanindustrie nach 1945

Nach den schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg stand die Zeit nach 1945 zunächst besonders unter dem Zeichen von Demontage und Entflechtung. Die Maßnahmen zur Entflechtung blieben nicht von Dauer. 1965 wurden die Ergebnisse des Entflechtungsverfahrens weitgehend zurückgenommen. Die Demontagepolitik der Alliierten konzentrierte sich im Duisburger Norden auf die August-Thyssen-Hütte und wurde dort 1951 nach heftigem Abwehrkampf durch das Unternehmen und die Beschäftigten aufgegeben.

Am wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er Jahre hatte die Montanindustrie wesentlichen Anteil. Steinkohlenbergbau und die Eisen- und Stahlindustrie verstanden sich als Motor der Entwicklung. Dieses Selbstverständnis kam auch in Architektur und Städtebau zum Ausdruck. Schon ein 1953 von der August-Thyssen-Hütte ausgelobter Architektenwettbewerb zur Neugestaltung der Kaiser-Wilhelm-Allee zwischen Matenastraße und Thyssenbrücke verdeutlichte dies.


Es folgten einige wichtige Großbauten, mit denen der weit über das Ruhrgebiet hinaus im Industriebau immer noch führende Architekt Fritz Schupp (ohne seinen 1945 gestorbenen Partner Martin Kremmer, später aber zusammen mit Fritz Winkhaus und Günter Patschul) beauftragt wurde:

• 1954-55 Warmbreitbandstraße August-Thyssen-Hütte
• 1955-56 Kaltbreitbandstraße August-Thyssen-Hütte
• 1957-59 Oxygen-Stahlwerk für Phoenix-Rheinstahl AG
• 1959-60 Erzumschlaganlagen zur direkten Verbindung der Hochöfen im Phoenix-Rheinrohr Werk mit den Erzlagern im Ruhrorter Hafen


Fritz Schupp blieb bei diesen Bauten seinen in den 1920er Jahren entwickelten Formprinzipen mit Stahlfachwerkwänden nun aber mit großen Glasflächen weitge4hend treu.

Dem Schupp’schen Formsystem stark verpflichtet war das 1953-55 entstandene Kraftwerk Hermann Wenzel. Das Kraftwerk der Phoenix-Rheinrohr AG wurde in erster Linie mit Gichtgas und bis zu 40% mit Steinkohlenstaub geheizt. Prägend für die Kraftwerksarchitektur ist das zum Rhein orientierte hochaufragende Kesselhaus in Stahlfachwerkarchitektur.

In engem Zusammenhang mit dem von Fritz Schupp gestalteten Hallensystem für die neuen Walzwerke der August-Thyssen-Hütte wurde 1961-64 das zur Thyssen-Hütte gehörende Stahl- und Walzwerk Beeckerwerth gestaltet. Neu war die Verwendung von verzinkten und kunststoffbeschichteten Stahlblechen anstelle der von Schupp in den 1950er Jahren noch bevorzugten Stahlfachwerkwände. Schupp äußerte sich geradezu enthusiastisch über die in Beeckerwerth realisierte Architektur und fragte in rethorisch: „Kann es etwas Schöneres geben als solch einen Industriebau?“ (in Zentralblatt für Industriebau 14, 1968, S. 508) Das Stahl- und Walzwerk Beeckerwerth beeinflusste deutlich das Spätwerk von Fritz Schupp.

Zu den späten 1950er Jahren gehören auch die von Gerhard Weber gestalteten Bauten für die August-Thyssen-Hütte. Der Bauhaus-Schüler Weber entwarf 1955-57 das Siemens-Martin(SM)-Stahlwerk und nach einem Wettbewerb 1958 die Hauptverwaltung und das Tor 1 an der Kaiser-Wilhelm-Straße. Weber hatte schon 1953 an dem Wettbewerb für die Gestaltung der Kaiser-Wilhelm-Straße teilgenommen und einen der beiden zweiten Preise erhalten. Durch den damals noch nicht beabsichtigten Neubau des SM-Stahlwerks hatten sich die Voraussetzungen verändert. Weber plante nun ein optimales architektonisch-/städtebauliches Beziehungsgeflecht zwischen Hauptverwaltung und Produktionsanlagen. Wesentliches Vermittlungselement zwischen diesen beiden Welten sollten die Neubauten für Tor 1 werden. Dazu mussten viele Altbauten in diesem Bereich der Kaiser-Wilhelm-Straße weichen, darunter auch das Kasino und mehrere Wohnhäuser.

Vollendet wurde dieser Komplex aus Verwaltungs- und Produktionsbauten erst durch das neue Oxygen-Stahlwerk von Fritz Schupp (zusammen mit Fritz Winkhaus und Günter Patschul) aus den Jahren 1968-69. Schupp und seine Partner nahmen hier das Vorbild der Hütte Beeckerwerth auf und bekleideten die riesigen Kuben des neuen Stahlwerks mit Trapezblechen. Die damals knapp 15 Jahre alten Hallen des SM-Werkes von Gerhard Weber wurden in das neue Stahlwerk einbezogen.

Schon kurz zuvor hatte das Büro von Fritz Schupp auch die Stranggießanlage der Hütte Ruhrort-Meiderich 1967-68 in gleichen Formen entworfen. Mit dem 1970-74 erbauten Hochofenwerk in Schwelgern für die August-Thyssen-Hütte und einem in neue Dimensionen vorstoßenden Riesenhochofen (Gestelldurchmesser 14,0m) vollendete das Büro Fritz Schupp sein Engagement im Duisburger Norden.

Die im 19. und 20. Jahrhundert schnell wachsenden montanindustriellen Orte hatten im ganzen Verlauf ihrer Entwicklung bis in die Gegenwart hinein immer mit Akzeptanzproblemen sowohl bei auswärtigen Besuchern, wie auch bei Einheimischen zu kämpfen. Schon in den 1920er Jahren versuchte man dem Negativimage auch durch anspruchsvolle Industriearchitektur entgegenzuwirken. Der in Hamborn tätige städtische Beigeordnete Wagner-Roemich bezog sich 1928 auf das positive Vorbild Amerikas und sprach von seiner Stadt Hamborn als der rationellsten Arbeitsstadt Deutschlands und fuhr fort: „Die Hamborner sind ebenso stolz auf die Industriewerke, wie die Kölner auf ihre Rathäuser und Kirchen in der Zeit der großen Dombaumeister.“

Der Duisburger Norden ist heute nicht mehr verständlich ohne die als Folge des etwa 1960 einsetzenden Strukturwandels 1989-99 durchgeführte Internationale Bauausstellung Emscherpark mit einer Imageverbesserung im Sinne Wagner-Roemichs. Aus dieser Bauausstellung ist ein durchgängiges Grünsystem hervorgegangen in das mit dem Hüttenbetrieb Meiderich eines der eindrucksvollsten Industriedenkmäler Deutschlands eingebunden ist. Noch sind der Bergbau und die Eisen- und Stahlindustrie im Duisburger Norden mit leistungsstarken und hochtechnisierten Einrichtungen aktiv. Dieses Inventar soll einen Beitrag zur Erhaltung der reichen Industriegeschichte der Duisburger Nordstadtteile liefern.


Literatur

• Averdunk-Ring: Geschichte der Stadt Duisburg, 1949
• Bentrop, W.: Die industrielle Entwicklung der Stadt Hamborn am Rhein bis Ende des Jahres 1922, 1923
• Cornelissen, Th.: Hamborn. Land und Leute, o. O., 1929 (Typoskript StaD)
• Festschrift zur Feier der Erhebung Hamborns zur Stadt. bearb. und hg. Von der Gemeinde-Verwaltung, Hamborn 1911
• Führer durch Hamborn am Rhein. Geschichte der Hamborner Heimat, 1931
• Hamborner Bürgerverein e.V.(Hg.): Havenburn. Hamborn. Duisburg-Hamborn. Geschichte und Geschichten (Zusammengestellt von Sieglinde Gottlob-Schnabbe/Helmut Wieczorek), Duisburg 1979
• Kanther, M.: Daniel Morian, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 18, S. 129f
• Kanther, Michael A./Nitrowski, Christoph: Hamborn. Rheinischer Städteatlas Lief. XII Nr. 70, Köln 1998
• Küpper, E.: Hamborn. Werden einer Großstadt, Duisburg 1937
• Milz, J.: Von Havenburnen bis Duisburg-Hamborn, hg. Stadtarchiv Duisburg, 1979
• Ring, W.: Heimatchronik der Stadt Duisburg
• Roden, Günter von: Geschichte der Stadt Duisburg, 2 Bde., Duisburg 1974
• Rommel: Duisburg-Beeck. Geschichte einer Siedlung
• Wagner-Roemmich (Red.): Hamborn. Bilder und Skizzen über Heimat, Wirtschaft, Stadtplanung, Kultur und Baukunst, Düsseldorf 1928
• Wehrmann, H.-H.: Hamborn - eine wirtschaftsgeografische Untersuchung, Krefeld 1960
• Weiser, L.: Hamborn - ein Heimatbuch, Hamborn 1925