Stahl- und Walzwerk Beeckerwerth
Duisburg, Hoffsche Straße




Schon 1959 war als Ergänzung für die August-Thyssen-Hütte ein neues Stahlwerk angekündigt worden. Es sollte als Ersatz für das Siemens-Martin Stahlwerk II dienen. 1960 war ein goldenes Jahr in der Stahlindustrie. Der steigende Stahlbedarf im Bundesgebiet und in stärkerem Maße noch in anderen Stahlländern führte zu einer Kapazitätsauslastung aller Anlagen. Die geplante Größe des neuen Stahlwerks wuchs ständig: die Konvertergröße stieg von 100 über 180 auf schließlich 200t. Das Konzept von Hüttendirektor Alfred Michel sah im Kern des neuen Werkes eine Warmbreitbandstraße vor. Kaltbreitbandstraße und eine Bandverzinkungsanlage sollten nachgeschaltet waren.

Eine Werkserweiterung mit diesem anspruchsvollen Funktionsprogramm war am alten Standort in Bruckhausen nicht möglich. Durch vorausschauende Grundstückspolitik stand in Beeckerwerth im Halbkreis einer weit nach Westen ausschwingenden Rheinschleife ausreichende Fläche zur Verfügung. Voraussetzung war allerdings die Abtragung einer dort seit Jahrzehnten entstandenen Schlackenhalde.

Das Werk Beeckerwerth entstand 1961 bis 1965. 1962 wurde das Oxygen-Stahlwerk in Betrieb genommen, 1964 die Warmbreitbandstraße. Für die Architektur war die Hochbauabteilung der August-Thyssen-Hütte unter Leitung von Oberingenieur Degen zuständig. Die in Stahlkonstruktion errichteten Hallen waren mit einer Außenhaut aus verzinkten und kunststoffbeschichteten Stahlblechen überzogen. Nicht nur durch die Flachdächer, sondern auch durch die regelmäßigen Versprünge in der Dachlinie mit teilweise großflächiger Verglasung der niedrigeren Wandflächen ist das Gesamterscheinungsbild von beeindruckender kubisch-geprägter Ausdruckskraft. Beekerwerth war möglicherweise ein Vorbild für das Spätwerk von Fritz Schupp. Den hohen Gestaltungsanspruch in dieser Blütephase der Stahlindustrie verdeutlichen besonders die von den New Yorker Architekten Skidmore, Owings und Merrill für Beeckerwerth entworfenen Bauten.



Betriebsgebäude und Kantine, Baujahr | 1962-63
Architekten: Skidmore, Owings und Merrill

eisenhuette
Ansicht des Verwaltungsgebäudes
Die Baugruppe aus Hoch- und Flachbau wird zusammengefasst durch zwei etwa mannshohe Mauerwerksscheiben. Die Mauern bilden vor dem Flachbau einen Vorplatz, zwischen den beiden Gebäuden ein Atrium und jenseits des Hochhauses einen als Parkplatz ummauerten Hof. Das Hochhaus kragt mit beiden Schmalseiten über die Mauer hinweg und erhält durch das jenseits der Mauer nicht sichtbare Erdgeschoß eine geradezu schwebende Leichtigkeit.

Das Hochhaus ist eine Stahlkonstruktion mit vorgehängten Fassaden. Die Eckstützen sind mit ihren Außenecken sichtbar. Die Fassade wird durch außerordentlich filigran wirkende, schmale Stahlprofile geprägt. Zwischen diesen Profilen sind raumhohe, schlank-hochrechteckige Fensterelemente eingefügt. Im Inneren gibt es zwei massive Kerne, die das zerbrechlich wirkende Gebäude aussteifen und die Treppen und Nebenräume aufnehmen. Die Einzel- und Gruppenbüros erstrecken sich entlang der Längsfassaden.

Im Flachbau befindet sich der Speisesaal. Weiterhin waren hier die Lohnbuchhaltung, Archive und die Rechenanlage untergebracht.


Sozialgebäude, Baujahr | 1964
Architekten: Skidmore, Owings und Merrill

eisenhuette
Ansicht des Sozialgebäudes
Als Typenentwurf wurden für die verschiedenen Betriebe im Werk Beeckerwerth vier Sozialgebäude errichtet. Das Grundmodul besteht aus einem 3-geschossigen, würfelförmigen Element von quadratischem Grundriss mit Fassadenlängen von ca. 20m. Die leichten Fassaden mit gleichmäßig schlanken Stahlprofilen sind von einer Kragkonstruktion im obersten Geschoß abgehängt. Zwischen die Stahlprofile sind in Neopren-Dichtungen weiße Thermoluxscheiben eingespannt. Im Inneren bestehen die Gebäude aus einem massiven Kern in Stahlbeton. Die Spinde sind gruppenweise um diesen Kern herum angeordnet.

In der Regel sind die Sozialgebäude in Zweiergruppen mit zurückliegenen Zwischentrakten zusammengefasst. Der einzelstehende Kubus am Stahlwerk gewinnt durch die ensembleartige Zusammenwirkung mit dem Betriebsgebäude eine besondere Bedeutung.


Literatur

• 20 Jahre Werk Beeckerwerth. Beilage zu: Thyssen aktuell 28, 1982, H. 7/8; StaD S 1948
• Behrens, Knut/ Moos, Rudolf von: Das neue Oxygenstahlwerk (Sauerstoff-Blasstahlwerk) der August-Thyssen-Hütte, in Technische und wissenschaftliche Berichte der ATH Bd. 3, 1965, aus: Stahl und Eisen 83, 1963 Heft 17, S. 1025-1034
• Branconi, Volker von/ Linden, Ferdinand: Die neue Sauerstoffanlage in Beeckerwerth, in: Technische und wissenschaftliche Berichte der ATH, Bd. 3, 1965, aus Unsere ATH 1964, Heft 9, S. 8-9
• Branconi, Volker von: Planungsprobleme bei den Werkserweiterungen in Beeckerwerth, in Technische und wissenschaftliche Berichte der ATH, Bd. 3, 1965, aus: Unsere ATH 1964, Heft 9, S. 4-5
• Deichmann, Helmut: Die Konvertergas-Entstaubungsanlage des Oxygenstahlwerkes der August-Thyssen-Hütte in Duisburg-Beeckerwerth, Technische und wissenschaftliche Berichte der ATH bd. 3 1965, aus: VDI-Nachrichten 17, 1963, "Keine Schmutzfackeln mehr über dem Stahlwerk"
• Festschrift aus Anlaß der Feier zur Inbetriebnahme: Warmbandwerk Beeckerwerth am 12. Juni 1964, 1964 StaD T 359
• Junkers, Lothar: Zwei Jahre Oxygen-Stahlwerk, in: Technische und wissenschaftliche Bericht, Bd. 3 1965, aus: Unsere ATH 10, 1964, Heft 9, S. 6-8
• Michel, Alfred: Das neue Hüttenwerk in Beeckerwerth, in: Technische und wissenschaftliche Berichte der ATH, Bd. 3, 1965, S. 3 aus: Unsere ATH 10, 1964, Heft 9, S. 3
• Pawlik, Alexander, Die Wasserwirtschaft in Beeckerwerth, ebd., S. 17 und 20/24
• Potthoff, Rudolf: Das neue 80-Zoll-Breitband-Kaltwalzwerk 2, ebd., S. 14-16
• Rieskamp, Karl H.: Die 88-Zoll-Warmbreitbandstraße, ebd., S. 12-14
• Sonderheft Beeckerwerth. Unsere ATH. Werkszeitschrift der August-Thyssen-Hütte 10, Nr. 9, 1964, 35 S.; StaD Z 802
• Treue, Wilhelm/ Uebbing, Helmut: Die Feuer verlöschen nie - August-Thyssen-Hütte, 2 Bde, Düsseldorf/Wien 1969, darin: Das Hüttenwerk im Grünen, Bd. 2, S. 240-249
• Weidtmann, Gerhard: Die elektrischen Anlagen, ebd., S. 23-25