Zeche Carl Funke
Essen, Carl-Funke-Str. 53


Walter Buschmann
Zeche Carl Funke


Nicht weit vom ehemaligen Flußlauf der Ruhr entfernt, der heute in den 1933 eingeweihten Baldeneysee einbezogen ist, gehörte Carl Funke mit den zughörigen Vorgängerzechen zum alten Bergbau des Ruhrreviers. Von der 1973 stillgelegten Anlage sind nur drei Objekte mit Denkmalbedeutung erhalten: ein Maschinenhaus von etwa 1881, ein Fördergerüst von 1921 und das Pförtnerhaus von 1920. Typisch für eine Zeche aus dem südlichen Revier ist die Bruchsteinarchitektur der Gebäude. Das zweigeschossige Fördergerüst zeigt einen selten gewordenen Fördergerüsttyp.

Am Westhang der Ruhr in Heisingen bauten seit Ende des 18. Jahrhunderts die vier nach den gleichnamigen Flözen benannten Stollenzechen Rauensiepen (1773), Hundsnocken (seit 1773), Zwergmutter (1781) und Abgunst (1799) eine qualitätvolle Steinkohle mit hoher Brennkraft ab. An einem Uferstück von etwa 250 m Länge endeten die Stollen der vier Heisinger Westzechen mit ihren Mundlöchern und waren über kurze Transport- und Schiebewege mit Kohlenniederlagen an der Ruhr verbunden. Die Zeche Hundsnocken mit dem ertragreichsten Flöz dieser Gruppe schuf die wesentlichen bergbaulich-technischen Grundlagen für die spätere Schachtanlage Carl Funke. Für 1806 und 1813 sind Konzessionen zur Wiederaufnahme von Arbeiten am Stollen der Zeche Hundsnocken überliefert. 1819 wurde die Zeche mit 25 Mann betrieben. Nach Übernahme der benachbarten Zeche Abgunst 1824 wurde 1825 die Kohlenniederlage ausgebaut und 1826 ein Zechenhaus direkt neben dem Mundloch errichtet. 1827/28 wurde im Stollen und darüber hinaus bis zur Kohlenniederlage ein 177 Lachter (= 369,9 m) langer Schienenweg mit guss- und schmiedeeisernen Schienen gelegt, die von der Gutehoffnungshütte geliefert und nach dem Vorbild der auf Zeche Langenbrahm (Essen-Rellinghausen) angelegten Schienenbahn gefertigt wurden. Hundsnocken bot nun das typische Bild einer Stollenzeche des frühen 19. Jahrhunderts mit einem Förderstollen, dessen Mundloch ein Zechenhaus zugeordnet war, sowie Schienenweg und Ruhrniederlage. Die Zeche förderte 1827 knapp 7000 t Kohle und konnte bis 1832 die Förderung auf 16250 t Kohle steigern.


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Lageplan um 1830
1836 erfolgte die Konzessionsverleihung zum Abbau der Kohle unter der Stollensohle und 1838-41 wurde der Übergang zum Tiefbau vollzogen. In 80 Lachter (=167,2 m) Entfernung vom Stollenmundloch wurde, ausgehend von der Stollensohle, ein tonnläger Schacht abgeteuft und im Stollen über dem Schacht Kammern zur Aufstellung der Maschine und Kessel in den Berg gebrochen und mit Steinen ausgemauert. In der Maschinenkammer wurde 1841 eine kombinierte Förder- und Wasserhaltungsmaschine von J. Nering, Bögel & Dinnendahl (Isselburg) aufgestellt. Es war eine 30 PS Hochdruckdampfmaschine mit stehendem Zylinder (Durchmesser 19 Zoll = 49,8 cm) und Balancier, die aus den 64 Lachter (=129,6m) tiefen, unter 35° einfallenden Schacht gleichzeitig 40 Kubikfuß Wasser und in einer achtstündigen Schicht 2000 Scheffel (= 130 t) Kohle fördern sollte. Über zwei zum Ausklinken eingerichtete Vorgelege wurden zwei Seiltrommeln und die Pumpensätze angetrieben. Die Dampfversorgung erfolgte zunächst über zwei Kessel, die über einen tonnlägigen Tunnel mit einem Schornstein über Tage verbunden waren.
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Foto des Stollenmundlochs
Parallel zum Förderschacht verband ein engerer Fahrschacht den Stollen mit der ersten Tiefbausohle. Der Stollen war weit im Osten mit dem Wetterschacht Hermann verbunden, der mit einem quadratischen Querschnitt von 1,6 m Seitenlänge und Wetterkamin mit Wetterofen in den 1850er Jahren fertig gestellt wurde. Im übertägigen Bereich wurde am Stollenmundloch gegenüber dem Zechenhaus eine Schmiede errichtet. Nach dem Ausbau der Schachtanlage konnten 1850 27.019 t Kohle gefördert werden.

1853-57 wurde zur Anlage der zweiten Tiefbausohle ein zweiter tonnlägiger Schacht dicht neben dem alten Schacht abgeteuft, die untertägige Maschinen- und Kesselkammer erweitert und auf der Stollensohle über dem neuen Schacht eine einfache, direkt wirkende Hochdruckdampfmaschine (Zylinderdurchmesser 54 Zoll = 141,5 cm) mit 130 PS zur Wasserhaltung angeordnet. Zur Dampfversorgung wurden zwei neue Kessel aufgestellt, die über einem neuen tonnlägigen Tunnel mit einem Kamin über Tage verbunden waren. Der alte Schacht sollte reiner Förderschacht werden, doch wurde die alte Maschine auch weiterhin mit zur Wasserhaltung eingesetzt. Die zweite Tiefbausohle in 107 Lachter (= 223,6 m) Teufe war so dimensioniert worden, dass eine doppelspurige Pferdeförderung möglich war.

1870/71 entstand aus der Vereinigung der vier genannten Stollenzechen sowie der Gruben Steinknapp-Bruchkamp, Christian und Flaßhoff die Zeche Heisinger Tiefbau. Das Bergwerk förderte nun mit 148 Beschäftigten 24.102 t Kohle. Begünstigt wurde die weitere Entwicklung durch die am Ufer der Ruhr entlang führende Ruhrtalbahn. Am Mundloch des Förderstollen entstand eine lang gestreckte Ladebühne zur Verladung der Kohle auf Eisenbahnwaggons.

Seit 1880 besaß die Firma Funke & Schürenberg die Mehrheit der Anteile an der Zeche und 1881 bis 1886 wurde die Anlage kräftig ausgebaut.


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Das Maschinenhaus in einem Foto von 1991
Übertage entstand das erhaltene Fördermaschinenhaus für eine Zwillingsfördermaschine und ein Kesselhaus für zunächst zwei, später drei Cornwallkessel. Die Fördermaschine war über einen "Seilstollen" mit dem nach oben in der Tonnlage vorgetriebenen Förderschacht verbunden. Die Hängebank wurde unterhalb des Seilstollens in einem kurzen Förderstollen angelegt, dessen Mundloch hoch oben am Hang über einen Bremsberg mit der Ladebühne an der Ruhrtalbahn verbunden war. Der alte Förderschacht wurde tonnlägig weiter abgeteuft, mußte aber wegen Verwerfungen im Gebirge durch einen 80 m östlich niedergebrachten Hilfsförderschacht mit eigener untertägiger Fördermaschine ergänzt werden. Der ebenfalls tiefer geteufte Wasserhaltungsschacht erhielt auf der Schachtsohle in einer untertägigen Maschinenkammer 1888 eine 150 PS starke Wasserhaltungsmaschine. Als Kaue diente eine 130 Meter vom Stollenmundloch entfernt im Berg liegende untertägige Kammer, die ausgemauert und verputzt war und ein Bassin hatte. Es herrsche in der Kammer eine „zugige, dumpf-feuchte Atmosphäre“, wie der Revierbeamte 1891 feststellte. Bis 1886 war "eine in jeder Beziehung neue Anlage" fertig gestellt worden mit einer deutlich gesteigerten Förderkapazität von 91.471 t. 1889 wurde diese Entwicklungsphase abgeschlossen durch Umwandlung des Bergwerkes in eine Aktiengesellschaft unter dem Namen Rheinische Anthrazit-Kohlenwerke AG mit Carl Funke im Aufsichtsrat. Mit erweitertem Bergwerkseigentum wurde die Rheinische Anthrazit-Kohlenwerke AG 1906 überführt in die Essener Steinkohlenbergwerke AG.

Schon Anfang der 1890er Jahre war erkennbar, dass die tonnlägigen Schächte wegen zunehmender Flözverflachung keine Zukunft hatten. Unter dem Namen Friedrich Wilhelm - einer früheren Stollenzeche, deren Kuxenmehrheit nun aber bei den Rheinischen-Anthrazit-Kohlenwerken lag - wurde 1896-98 dicht an der Ruhrtalbahn ein saigerer Schacht abgeteuft, der seit 1906 den Namen Carl Funke trägt. Die zugehörige Schachtanlage mit Aufbereitung, Brikettfabrik, Schachthalle mit Fördermaschinenhaus und Werkstätten entwickelte sich als zusammenhängender Baukörper auf winkelförmigem Grundriss, wobei Aufbereitung und Brikettfabrik ganz dicht parallel zum Gleiskörper der Ruhrtalbahn angeordnet waren. Über dem Schacht erhob sich ein Fördergerüst in Stahlkonstruktion; 1906 wurde mit 724 Beschäftigten 23.3267 t Kohle gefördert.

Gleichzeitig mit der neuen Schachtanlage entstand entlang der östlichen Zufahrtsstraße eine Siedlung mit eingeschossigen Vierhäusern zur Flussseite im "Villenstil" und zweigeschossigen Mehrfamilienhäusern an der Bergseite.
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Das Pförtnerhaus in einem Foto von 1991
Nachdem Schacht 1 schon 1912-15 tiefer geteuft worden war, wurde um 1921 die Fördereinrichtung erneuert. Das neue Fördergerüst war um 90° gedreht und stand in Verbindung mit einem neuen Fördermaschinenhaus. 1925/26 wurde Schacht 2 abgeteuft und mit dem von Zeche Victoria/Kupferdreh umgesetzten Fördergerüst (Tomsonbock) ausgestattet. Der mit seinem Mundloch höherliegende Schacht 2 war über einen Stollenquerschlag mit der Hängebank von Schacht 1 verbunden. Der Stollenquerschlag endete in der Schachthalle von Schacht 1 mit einem gemauerten Stollenmundloch, dessen Schlußstein die Jahreszahl 1926 trug. Der Schlußstein wird im Ruhrlandmuseum Essen aufbewahrt. Mit Schacht 2 entstand 1925 noch ein Bürogebäude mit Beamtenbädern und etwas zuvor bereits 1920 das erhaltene Pförtnergebäude.


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Die Anlage in einem Luftbild von 1980
Nach dem Krieg wurde die Schachtanlage Carl Funke großzügig ausgebaut. Die Essener Steinkohlenbergwerke AG gehörte seit 1955 zum Mannesmann-Konzern. Die Pläne zum Ausbau der Schachtanlage Carl Funke lieferte Fritz Schupp. 1955 entstand eine neue Brikettfabrik und 1964 wurde Schacht 2 zum Hauptförderschacht mit Förderturm und lang gestreckter Schachthalle in Stahlfachwerkbauweise ausgetattet, nach einem Anlageprinzip, das Schupp zuvor in baukünstlerisch vollendeter Weise für Sophia Jacoba in Hückelhoven erprobt hatte. Mit Fertigstellung von Schacht 2 hatte sich die Belegschaft seit Kriegsende auf 2 617 Mitarbeiter fast verdoppelt. Die Förderung lag 1964 bei 543.703 t. Nachdem die Zeche 1967 mit Pörtingsiepen auf der gegenüberliegenden Seite des Baldeneysees zum Verbundbergwerk zusammengeschlossen worden war, folgte 1973 die Stilllegung. Fast alle Übertageanlagen wurden abgebrochen. Die erhaltenen drei Bauten vermögen nur noch zwei wichtige Entwicklungsphasen des Bergwerkes zu dokumentieren.


Literatur

• L. Achepohl, Das niederrheinisch-westfälische Bergwerks-Industrie-Gebiet. 1. Aufl. 1888, 2. Aufl. Berlin 1894
• Behrens, Hedwig: Franz Dinnendahl 1775-1826, Köln 1970
• Wilhelm Busch, Fritz Schupp, Martin Kremmer. Bergbauarchitektur (= Arbeitsheft 13 Landeskonservator Rheinland), Köln 1980
• Buschmann, Walter: Zechen und Kokereien im rheinischen Steinkohlenbergbau, Berlin 1998
• Carl Funke und seine Werke, Essen 1915
• Führer durch die rheinisch-westfälische Bergwerks-Industrie. Mit zahlreichen Situationsplänen, Profilen, graphischen Darstellungen und einer Übersichtskarte. W. Forschpieper (Hg.), Oberhausen 1880
• Gerhard Gebhardt, Ruhrbergbau. Geschichte, Aufbau und Verflechtung seiner Gesellschaften und Organisationen, Essen 1957
• Geschäftsberichte Rheinische Anthrazit-Kohlenwerke 1890-1905
• Geschäftsberichte Essener Steinkohlenbergwerke AG, 1906-1957
• Wilhelm und Gertrude Hermann, Die alten Zechen an der Ruhr, Königstein/Taunus 3. Aufl. 1981
• Joachim Huske, Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier, Bochum 1987
• Pfläging, Kurt: Chronik der Seezechen ver. Pörtingsiepen/Carl Funke, unveröff. Manuskr. 1973
• Kurt Pfläging, Die Wiege des Ruhrkohlen-Bergbaus. Die Geschichte der Zechen im südlichen Ruhrgebiet, Essen 1987