Tabakfabrik Paustian / Fabian
Koblenzer Straße 65 in Köln-Bayenthal
Texte und Dokumente
Walter Buschmann : Kurztext
Walter Buschmann: Die Zigarettenfabrik Fabian / Paustian



Walter Buschmann
Kurztext


Entstanden ist die Werksanlage in der Koblenzer Straße 1924 als Zigarettenfabrik und wurde unter den Namen Fabian oder auch Paustian betrieben. Sally, auch Salli oder Siegfried Fabian wurde vermutlich 1942 zusammen mit seiner Frau in das KZ Theresienstadt deportiert. Das Ehepaar ist seit der Überführung nach Maly Trostinec verschollen. Schon 1935 kam die Werksanlage in der Koblenzer Straße in den Besitz der Firma Liebig und war damit einbezogen in die Herstellung von Fleischbrühe, Selleriesalz, Fleischbrühwürfel u.a. 1954 erwarb der Apotheker Paul Bolder die Anlage zur Herstellung chemisch-pharmazeutischer Produkte. Von der aus Verwaltungstrakt und Produktionshalle bestehenden historischen Anlage ist der Straßenbau architektonisch besonders fein in der Formensprache des Rheinischen Expressionismus gestaltet. Erkennbar sind zurückhaltende Anleihen an die historische Architektur in Verbindung mit spitzwinklig-kristallinen Gestaltungselementen. Hervorzuheben ist auch das hinter der mittigen Eingangstür gelegene Treppenhaus mit reichen, expressiven Stuckformen und Ausstattungselementen an Wänden und Decken.

Lager
Die hier durch die Verwendung von Putzarchitektur und reichen Details erkennbare Abweichung vom allgemeinen Bild der Fabrikarchitektur ist teilweise aus der örtlichen Situation heraus zu begründen. Bayenthal war zwar einerseits auch durch Industrieanlagen, wie die Bayenthaler Maschinenfabrik geprägt. Wichtig für den Bauherrn und Architekten waren sicher aber auch die vom Villenvorort Marienburg geprägte und mit ihrer Wohnhausarchitektur auch nach Bayenthal ausstrahlende Wohnhausarchitektur. Sally Fabian, Bauherr der Zigarettenfabrik hatte dort am Südpark 13 in den 1920er Jahren seinen Wohnsitz.



Walter Buschmann
Die Zigarettenfabrik Fabian / Paustian in Köln-Bayenthal



Geschichte

Die Fabrik in der Koblenzer Str. 65 entstand 1924 zur Herstellung von Zigaretten. Das Kölner Adressbuch dieses und der folgenden Jahre nennt unter der Adresse in der Koblenzer Straße die Zigarettenfabrik Sally Fabian. Das Unternehmen soll sich aber auch Paustian genannt haben (frdl. Mitteilung von Herrn Dr. Alexander Bolder/Köln). 1935 wurde die Anlage verkauft an die 1865 in Hamburg gegründete Firma Liebig. In der Fabrik wurden nun verschiedene Produkte des Unternehmens wie Liebig-Fleisch-Extrakt, gekörnte Fleischbrühe, Selleriesalz und Fleischbrühwürfel handelsfertig hergestellt. Verarbeitet wurde Fleischextrakt aus Argentinien und Trockenfleischbrühe aus England sowie Würzpaste für die Liebig Flüssig-Fabrikation. Nach dem Krieg besserte das nun unter dem Namen „Liebig GmbH Nahrungs- und Genussmittelfabrikation“ firmierende Unternehmen die vergleichsweise geringen Kriegsschäden aus. Nach den erhaltenen Bauzeichnungen von 1946 stand in dicken Lettern der Name Liebig in dem Putzfeld unter dem Giebeldreieck. Doch schon 1952 wurde die Kölner-Niederlassung des Liebig-Konzerns auf Beschluss der ausländischen Gesellschafter stillgelegt. Maschinen in der Abfüllung und im Vertrieb gingen an die Firma Appel-Feinkost AG. 1954 erwarb der Apotheker Paul Bolder die Fabrikanlage und verlagerte sein 1924 gegründetes Unternehmen zur Herstellung chemisch-pharmazeutischer Produkte von der Gereonsmühlengasse an die Koblenzer Str. Die Produkte des Unternehmens waren in ganz Deutschland bekannt: Josicol, Ephepect, Tonamyl, Paluvit und Pentetten. Produziert wurde mit den modernsten maschinellen Einrichtungen der damaligen Zeit. (Berens, S. 236) Die 1924 erbaute Fabrikanlage ist im baulichen Bestand weitgehend überliefert und trägt zur Dokumentation von gleich drei bedeutenden Wirtschaftsbranchen im Kölner Raum bei.


Beschreibung

Straßenansicht von Südosten
Straßenansicht von Südwesten
Von dem mehrteiligen Gebäudekomplex wird der straßenbegleitende, zweigeschossige Gebäudekörper und die dahinter anschließende Halle mit Nebenräumen als denkmalwert eingestuft.

Der Straßentrakt ist ein zweigeschossiger Putzbau mit Satteldach. Die fünfachsige Mittelzone wird betont durch erkerartige Vorbauten auf polygonalem Grundriß und einem optisch auf diese Vorbauten bezogenes, übergiebeltes Zwerchhaus in der Dachzone. Axial in diesem risalitartigen Mitteltrakt befindet sich der rundbogige Haupteingang mit Freitreppe flankiert von kleinen, hochrechteckigen Fenstern mit spitzwinklig Dreiecksformen über den Schmalseiten. Die übrigen Fensteröffnungen sind rechteckig mit Holzsprossenfenstern in alter Sprossenteilung und Flügeligkeit. Die Erdgeschoß- und Kellerfenster sind durch Metallgitter mit rautenförmigem Muster gesichert. Die ruhig gehaltenen Dachflächen werden nur durch kleine Dreiecksgauben unterbrochen. Die Durchfahrt zum Hof ist als breite, korbbogige Öffnung in einem Seitenrisalit am nördlichen Ende der Straßenfront angeordnet. Im Fassadenaufbau überwiegen die Horizontalgliederungen mit einem Netz von Scheinfugen für die Mittelzone, den Seitenrisalit und die rustikaartig betonten Gebäudeecken. Sockel- und das kräftig wirkende Traufgesims sowie die nur im Bereich der Scheinfugen eingesetzten Sohlbankgesimse in Obergeschoss unterstützen diese Wirkung. In den überwiegend ruhig gehaltenen Wandfeldern der an die Mittelzone anschließenden Flügel sind die Fenster vertikal durch wulstförmige Putzprofile geschoßübergreifend ausgebildet. Der aufwändigste Fassadenschmuck konzentriert sich auf die Mittelzone mit einem diesen Bereich noch einmal optisch zusammenfassenden Ornamentfries knapp oberhalb des Traufgesimses.

Hinter dem Haupteingang erstreckt sich ein anspruchsvoll gestaltetes Treppenhaus. Durch eine breite, einläufige Steintreppe wird eine Art Vorraum mit reichen, expressiven Stuckformen an den Wänden erschlossen. Die von Metallgittern und zwei schwer wirkenden Treppenpfosten in Steinarchitektur begleitete Treppe ist axial auf einen direkt gegenüber der Hauseingangstür angeordneten Kamin ausgerichtet. Rechts davon führt eine dreiläufig Treppe ins Obergeschoß. Auch dieser Treppenraum ist mit Stuckprofilen und zusätzlich durch eine Pfeiler-/Brüstungsarchitektur im Obergeschoß reich ausgestaltet. Zur Beleuchtung dienen zwei Metalllampen auf ornamental verzierten Konsolen.

Zur denkmalwerten Ausstattung gehören zudem die erhaltenen historischen Innentüren, ein Nebentreppenhaus, Stuckdecken in den Zimmern und ein Tresor im ersten Obergeschoß.

Rückseitig ist an den Hauptbau eine größere Produktionshalle mit begleitenden, niedrigeren Seitenschiffen angeordnet. Die Betonbauten sind mit Putzfassaden versehen und öffnen sich mit Rechteckfenstern zu den Höfen. Auf dem flachen Satteldach der großen Halle sind querliegende Belichtungsraupen aufgesattelt. Darunter befindet sich in der Halle eine Lichtdecke in Stahl-/Glaskonstruktion. Die Halle wird zusätzlich durch kleine, längsrechteckige Fenster im Bereich des Obergadens belichtet.


Bedeutung

Mitteltrakt mit Eingang
Die ehemalige Zigarettenfabrik in der Koblenzer Straße zeichnet sich besonders durch die qualitätvolle Gestaltung der Fassaden und des Treppenhauses des zur Straße gelegenen Baukörpers aus. Die Architektur ist stark inspiriert vom so genannten Rheinischen Expressionismus mit seiner Vorliebe für zurückhaltende Anleihen an historische Architekturformen in Verbindung mit spitzwinklig-kristallinen Gestaltungselementen. Ungewöhnlich ist die Realisation in reiner Putzarchitektur, da Vergleichsbauten vorwiegend in Backstein, vielfach in einer Kombination von Backstein und Putzelementen entstanden sind. Generell sind Putzbauten in der Industrie selten anzutreffen, weil dem Zweckmäßigkeitsdenken der Bauherrn eine gegen die Industrieluft weitgehend resistente Backsteinbauweise stärker entsprach.

Die Abweichung vom allgemeinen Bild wird teilweise aus der örtlichen Situation heraus zu begründen sein. Bayenthal war zwar einerseits auch durch Industrieanlagen, wie die Bayenthaler Maschinenfabrik geprägt. Wichtig für den Bauherrn und Architekten waren sicher aber auch die vom Villenvorort Marienburg geprägte und mit ihrer Wohnhausarchitektur auch nach Bayenthal ausstrahlende Wohnhausarchitektur. Sally Fabian, Bauherr der Zigarettenfabrik hatte dort am Südpark 13 seinen Wohnsitz. Die hohe Qualität der Architektur ist auch erklärbar mit dem in der Industrie schon immer eingesetzten Werbeeffekt guter Industriebauten. Diese zierten regelmäßig Briefköpfe, Verpackungen und andere Werbemittel. Besonders die Tabak- und Zigarettenindustrie war auf Werbung angewiesen und setzte dafür auch die Architektur ihrer Werksbauten ein. Ein herausragendes Beispiel für diese Tendenz ist die Tabak- und Zigarettenfabrik Yenidze in Dresden. Auch dieser in Formen einer Moschee mit 8 Minaretten 1907-09 entstandene Bau ist in der Nähe der Dresdener Altstadt und direkt neben der Eisenbahn gelegen ganz auf Außenwirkung konzipiert mit Fassasenverkleidungen in Kunstsandstein und weißem Marmor. In Köln wäre der allerdings in Backsteinbauweise errichtete Neubau für die Firma Haus Neuerburg am Gülichplatz 1923-29 zu nennen.

Die Tabakindustrie hatte in Köln eine reiche, das Wirtschaftsleben über mehrere Jahrhunderte prägende Tradition. Schon im 17. Jahrhundert gab es mindestens 19 Tabakhändler in Köln. Das Tabakgewerbe galt in der reichsstädtischen Zeit als eine der fortschrittlichsten Branchen, kam jedoch über handwerkliche Produktionsformen im Verlagssystem nicht hinaus. Der Übergang zur Industrialisierung erfolgte erst spät im 19. Jahrhundert und wurde wesentlich gefördert durch die Tabakmaschinen der Firma Wilhelm Quester in Sülz. Die bekanntesten Firmen waren: Neuerburg, DuMont, Foveaux, Bürgers, Lyversberg und Ludwigs-Breuer.

Bedingt durch die Eigentumswechsel ist die Fabrikanlage auch für Geschichte der Nahrungsmittelindustrie und der Arzeneiherstellung bedeutend. Unter den Nahrungsmittelproduzenten gehörte Liebig ähnlich wie Maggi und Dr. Oetger schon früh in die Reihe jener berühmten Firmen, bei denen der Firmenname schon das Produkt bezeichnete. Die Arzeneimittelherstellung wurde im Raum Köln/Leverkusen besonders durch die Firma Bayer geprägt. Sowohl die Tablettenfabrik, wie auch die Hauptverwaltung Pharma der Bayer Werke Leverkusen von Emil Fahrenkamp sind in die Denkmalliste eingetragen.

Die Fabrikanlage ist industriegeschichtlich bedeutend für die Geschichte der Tabak- und Zigarettenindustrie in Köln und deren oft ausdruckstarken Bauwerken sowie für die Nahrungsmittelproduktion und die Arzeneimittelherstellung. Zudem ist der Straßenbau in einem engeren Sinne auch von architekturgeschichtlicher Bedeutung.