Städtisches Kraftwerk Köln - Zugwegzentrale / Heizwerk Köln-Südstadt
Zugweg / Ecke Rolandstraße




Walter Buschmann
Städtisches Kraftwerk Köln - Zugwegzentrale / Heizwerk Köln-Südstadt

Die bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannte und genutzte Energieart Strom erlebte zur Erzeugung von Licht erste aufsehenerregende Erfolge zur Jahrhundertmitte, als der Place de la Concorde und die Pariser Boulevards mit Bogenlampen beleuchtet wurden. Dem Pariser Beispiel folgend wurde die Bogenlampe in den folgenden Jahrzehnten auch in anderen Städten zur Beleuchtung herausragender Bauten oder zur Lichtspendung für Großereignisse benutzt: in London 1860 für die Westminster Bridge, in München 1879 für den Hauptbahnhof und die Isarbrücken, in Köln 1880 zur Fertigstellung des Domes und 1885 wurde zum Kaisermanöver das Schloß Augustusburg in Brühl festlich mit Bogenlampen beleuchtet. Die Technik der Bogenlampe war jedoch zu aufwendig, ihr Licht war zu grell, als dass sie sich hätte allgemein z. B. für die Beleuchtung von Büro- oder Wohnräumen durchsetzen können. Die Erfindung der Glühlampe, für die sich viele Namen nennen ließen brachte 1879/80 den Durchbruch für die allgemeine Verbreitung des elektrischen Lichtes.

Zuvor bereits war mit der Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips durch Werner von Siemens und anderen eine zweite Grundlage für den Strom geschaffen worden. Der Dynamo erzeugt Strom und in der Umwandlung dieses Vorgangs wird aus dem Strom wieder Bewegung, rotierende Bewegung, die für den Antrieb von Maschinen und Fahrzeugen bisher vom Wasserrad oder dem Produkt der Ersten industriellen Revolution: der Dampfmaschine geliefert wurde.

Die international vielleicht wichtigste Ausstellung dieser Art war die Elektrotechnische Ausstellung in Paris 1881. Dort präsentierte Thomas Alva Edison nicht nur seine Glühbirne, sondern ein komplettes System zur Stromerzeugung und -verteilung, von den Dynamomaschinen bis zur Steckdose, Sicherungen und Stromzählern.


Elektrische Zentralen

Nach den meist privat installierten sogenannten Eigenanlagen zur Stromerzeugung für nur ein Haus und den Blockanlagen, die schon die Gebäude eines ganzen Blocks mit Strom versorgten, wurden die sogenannten Zentralanlagen zur Versorgung ganzer Stadtviertel und letztlich ganzer Städte Grundlage der technischen Entwicklung. Nach einer ersten derartigen Anlage in New York von Edison 1882 gab es die erste deutsche Zentralstation 1885 in Berlin durch Rathenaus Edison-Gesellschaft. In Westdeutschland folgten die Städte Barmen und Elberfeld 1887, Düsseldorf 1890/91, Köln ebenfalls 1890/91, Aachen 1892/93, Köln-Mülheim 1903/04.


Gleichstromkraftwerke

Die ersten Kraftwerke waren Gleichstromkraftwerke. Gleichstrom hatte den Nachteil, dass er nur mit Schwierigkeiten über größere Strecken übertragen werden konnte, hatte zugleich allerdings den Vorteil, dass er in Akkumulatoren gespeichert werden konnte. Die ersten Kraftwerke mussten daher verbrauchernah inmitten des Versorgungsgebietes entstehen, um den Strom rentabel an die Kunden liefern zu können. Häufig entstanden diese Kraftwerke in beengten innerstädtischen Situationen, wurden in bestehende Blockinnenhöfe gelegt und mussten, zur Einsparung des knappen und teuren Bauplatzes, die Funktionen stapeln. Zum Antrieb dienten im Maschinenhaus meist stehende Dampfmaschinen, die ihre Kraft mit Transmissionsriemen an die Dynamos oder Generatoren weitergaben. Im Kesselhaus lieferten jene handbefeuerten Flammrohrkessel den notwendigen Betriebsdampf, die in England in der ersten Jahrhunderthälfte entwickelt worden waren und in einem dritten Gebäude waren die Akkumulatoren und Schaltanlagen untergebracht.

In den beiden Jahrzehnten um die Jahrhundertwende herrschte unter den Stromfirmen ein erbitterter Streit um das richtige Stromsystem. Die etablierten Firmen Siemens & Halske, AEG und Edison bevorzugten das von ihnen eingeführte Gleichstromsystem. Die Vorteile des Wechselstroms waren bekannt: diese Stromart konnte mit Trafos auf hohe Spannungen gebracht und über weite Strecken übertragen werden. Die Firma Ganz aus Budapest hatte bereits 1884/85 eine erfolgreiche Transformatorentechnik entwickelt und die Ergebnisse ihrer Arbeit in Budapest präsentiert. Unternehmen wie Helios in Deutschland und Westinghouse in USA wollten diese Technik realisieren. Doch versuchten die Gleichstromfirmen die Verwendung von Strom mit hoher Spannung zu verbieten und erreichten 1890 in den USA eine Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl mit hochgespanntem Wechselstrom, um die Gefährlichkeit dieser Stromart zu demonstrieren.

Die Vorteile jedoch lagen auf der Hand: bei der von Oskar von Miller organisierten Elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt wurde von dem Wasserkraftwerk in Lauffen am Neckar der von fünf Wasserturbinen erzeugte Drehstrom in das 190 km entfernte Frankfurt übertragen und speiste dort eine Lichtreklame mit 1000 Glühbirnen und eine Pumpe, mit der ein Wasserfall betrieben wurde. Emil Rathenau sprach angesichts dieses Ereignisses von einer märchenhaften Überwindung des Raumes. Die damit mögliche Trennung von Stromerzeugung und Stromverbrauch war die eigentlich Geburtsstunde für Wasserkraftwerke und die großen Kraftwerke in den Kohlerevieren. Mit Erfindung des Drehstrommotors 1890 durch den Chefkonstrukteur bei der AEG Michael Dolivio-Dobrovolsky wurde der dreiphasige Wechselstrom oder Drehstrom bald zur bevorzugten Stromart.

Auf dem Weg zum Drehstromkraftwerk, gab es als Vorboten der neuen Technik Wechselstromkraftwerke, die bis 1890 nur in Rom, Mailand, Luzern und Wien entstanden waren. Das erste Wechselstromkraftwerk Deutschlands in Köln nach dem System Ganz galt als technische Pionierleistung. Schon der Lageplan verweist auf die Vorteile der getroffenen Wahl: ein großzügiges Grundstück in der Kölner Neustadt mit reichlich Erweiterungsmöglichkeit, relativ unproblematischer Anlieferung für die Kohle, Kühlwasserversorgung durch das Wasserwerk auf dem gleichen Grundstück und zumindest anfangs ohne eine benachbarte Wohnbevölkerung, die sich über Emissionen beschweren könnte.


Zugwegzentrale

Wie schon bei den Gleichstromkraftwerken der vorangegangenen Generation (vgl. E-Werk in Köln-Mülheim oder Städtisches Elektrizitätswerk Aachen) besteht das "Zugwegzentrale" genannte Kraftwerk aus zwei parallel angeordneten Hallen für Kessel und Maschinen. In der 46 Meter langen Maschinenhalle wurden zunächst zwei, bis 1895 vier liegende Verbunddampfmaschinen mit je 400-650 PS aufgestellt. Verwendet wurden die von der Fa. Helios in Köln hergestellten Schwungradgeneratoren, d. h. auf den Schwungrädern waren direkt die Wicklungen der Generatoren angebracht. Auf einer Empore hinter dem Mittelrisalit waren Schalttafeln und Schaltanlagen aufgestellt. Im parallel liegenden Kesselhaus lieferten die damals üblichen Wasserröhrenkessel den Dampf.

Die Fassade des Maschinenhauses (Architekt: Heinrich Deutz) nimmt mit seinen Neorenaissanceformen das Vorbild des benachbarten Pumpenhauses des Wasserwerks von 1885 auf. Im Mittelrisalit mit einem mehrfach unterteilten, großen Rundbogenfenster findet sich der griechische Sinnspruch „Kinetai Kai Pei Ta Panta“ in etwa: Alles wird bewegt und fließt.

Ein in der Geschichte der Stromerzeugung immer wiederkehrendes Phänomen war die zur Bauzeit einer Anlage stets unterschätzte Bedarfsentwicklung. Die überall rasant ansteigende Nachfrage nach Strom führte überall zu Erweiterungen am alten Standort oder zu Neubauten in neuer Umgebung führte. Für das Kölner Kraftwerk schien der Mangel an Vorsorge für den Erweiterungsbedarf nicht zuzutreffen. Schon der Lageplan wies auf die Erweiterungsmöglichkeit auf dem Grundstück hin und in einer Skizze des Kölner Malers Jakob Scheiner von 1892 wird gezeigt, wie man sich diese Erweiterung dachte: als Fortsetzung der bereits für das Pumpenhaus und die Zentrale I realisierten Architektur.

Als die Zentrale II dann 1898-1900 gebaut wurde, wählte man allerdings eine andere Formensprache. An einer Ecke erhebt sich ein hoher Turm, der das Werkstor und den Eingang in die neue Maschinenhalle markiert. Das zu den Maschinen führende Portal ist als neoromanischer Portikus aus Sandstein mit gedrungener Ecksäule ausgebildet. Auch der Mittelrisalit, hinter dem sich – wie schon bei der Zentrale I – die Empore für die Schalttafel befindet wird von kleineren Treppentürmchen flankiert. Hohe Rundbogenfenster zwischen Strebepfeilern sorgen für die Belichtung der Halle. Unter der Traufe erstreckt sich ein zwerchgalerieartiger Rundbogenfries mit vorgestellten Säulen in dichter Reihung.

In der Maschinenhalle wurden bis 1904 sieben Dreifach-Expansionsdampfmaschinen aufgestellt mit je 1000 kW. Die Dampfmaschinenzeit war jedoch schon ein Jahr später vorüber: die Dampfmaschinen wurden ersetzt durch Dampfturbinen.

In den Jahren 1926-28 wurden die letzten Dampfmaschinen in der Zentrale II ausgebaut. Eine der damals installierten 7,5 MW Dampfturbinen ist noch erhalten.


Heizwerk Köln-Südstadt

Nach Modernisierung der Anlage 1963/64 lieferte das Kraftwerk auch Fernwärme.

Weitere Umbauten erfolgten seit 1994 durch Umwandlung in eine Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD) mit drei Hauptkomponenten: ein Gasturbosatz mit Generator, ein Abhitzedampferzeuger mit Zusatzfeuerung und eine Dampfturbine mit Generator.

Als 2017 die neue Gas- und Dampfturbinenanlage im Kraftwerk Köln-Niehl in Betrieb ging, wurde im Kraftwerk am Zugweg die Stromerzeugung eingestellt. Das Werk wird noch als Reserveheizwerk genutzt, das allein im Winter 80 Megawatt Fernwärme liefert.

Die Eigentümergesellschaft änderte schon 2005 ihren Namen. Aus den Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke AG (GEW) wurde nun die Rheinenergie AG, die als Teil des Kölner Stadtwerkekonzerns geführt wird. Die Gebäude am Zugweg werden vom Eigentümer bereitwillig als Denkmale gepflegt und unter Beseitigung von Kriegsschäden auch teilrekonstruiert.



Literatur

Blumrath, Fritz: Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke der Stadt Köln, Köln 1950

Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG(Hg.): 100 Jahre Strom für Köln, Köln o. J.(1991)

Kleinertz, Everhard: Elektrizität in Köln. Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Köln, Köln 1977

Klein-Meynen, Dieter/ Meynen, Henriette/ Kierdorf, Alexander: Kölner Wirtschaftsarchitektur. Von der Gründerzeit zum Wiederaufbau, Köln 1996

Lindemann, Doris(Red.): 125 Jahre kommunale Wasser- und Energieversorgung für Köln (Hg.: Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke AG Köln), Köln 1997

Lindemann, Doris: Mit Energie für Köln. 125 Jahre Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG 1872-1997, Köln 1998