Roters & Buddenberg
Krefeld, Hafenstraße 83-85
Walter Buschmann
Roters & Buddenberg


Gesamtanlage

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Schaubild. Blick auf die Hafeneinfahrt des Krefeld-Uerdinger Hafens. Rechts Roters & Buddenberg
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Panorama. Roters & Buddenberg. Foto: Calvelli, 2016
Der Gebäudekomplex der heutigen Firma Roters & Buddenberg liegt direkt an der historischen Zufahrtsstraße zum Hafen und in direkter Nachbarschaft zu der das Hafenbecken querenden Drehbrücke. Westlich des direkt an der Kante des Hafenbeckens errichteten Silogebäudes(Silo 3 von 1963) erstreckt sich eine U-förmige Anlage von Bauten, bestehend aus dem ehemaligen Mühlengebäude der Roggen- und Gerstenmühle Reinhold Becker(1907), einem daran in die Tiefe des Grundstücks rechtwinklig sich anschließenden Gebäudeflügel(um 1911-16), dem turmartigen Speichergebäude von 1916 mit einem an der südwestlichen Traufseite vorgelagerten Mehlsilo(Silo 2 von 1970/71) und Sozialgebäude(Baujahr etwa 1970). Diese U-förmige Gebäudegruppe umschließt an drei Seiten einen großen, zur Hafenstraße weitgehend geöffneten Werkshof. Ein Pförtnergebäude(um 1970) ist diesem Werkshof zur Hafenstraße vorgelagert. Der aus der Erweiterungsphase stammende Gebäudeflügel von ca. 1911-16 ist stark überformt durch einen Aufbau und ein auf der Rückseite angefügtes Mehlsilo(Silo 1) von 1956/57. Nach Westen ist der Gebäudegruppe ein freistehendes Wohn- und Verwaltungsgebäude(um 1910) vorgelagert. Das Werksgelände wird zur Hafenstraße durch eine Einfriedung aus Rechteckpfeilern und Metallstabgeländer abgetrennt. Als denkmalwert wird aus dieser Gebäudegruppe der Gründungsbau von 1907, der Silobau von 1916 mit dem etwa zeitgleichen Wohn- und Bürogebäude und die zur Hafenstraße orientierte Einfriedung des Werksgeländes eingestuft (alle Gebäudedatierungen nach Lageplan 1986 – Dampfkesselerlaubnisurkunde, sh. Anlage)


Mühlenbetriebe und Getreidelagerung

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Schaubild der Erstbebauung: Roggen- und Gerstenmühle Reinhold Becker
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Mühle von 1907. Foto 2013
Das Pionierunternehmen am heutigen Standort Hafenstraße 83-85 war eine 1907 von dem Gelsenkirchener Mühlenbesitzer Reinhold Becker gegründete Roggen- und Gerstenmühle, deren Bauten in Parallellage zum Hafenbecken weitgehend erhalten sind. 1911 wurde das Werk übernommen und erweitert durch die Crefelder Mühlenwerke. Während des Zweiten Weltkrieges erfolgte 1943 die Umbenennung in Duisburger Mühlenwerke AG. Eine deutliche Änderung im Erscheinungsbild der Gesamtanlage brachte 1963 der Neubau eines 10geschossigen Silos mit pneumatischer Schiffsentladung direkt am Hafenbecken. In den 1990er Jahren wurde die Anlage übernommen durch das aus Duisburg stammende Unternehmen Roters & Buddenberg. Seither werden die Bauten und Anlagen als Umschlag- und Lagerbetrieb für Getreide und Ölsaaten genutzt.


Roggen- und Gerstemühle Reinhold Becker, 1907

Mühlengebäude von 1905 (links) und der Erweiterungsbau 1911-16. Foto 2013
Das 1907 errichtete Mühlengebäude war ein ursprünglich in Parallellage zum Hafenbecken errichtetes, lang gestrecktes Backsteingebäude. Nach einer Ansichtskarte von 1910(Schmid 2006, S. 264) war der Gebäudekörper gegliedert durch einen etwa mittig angeordneten, turmartig den übrigen Gebäudekörper überragenden Aufbau mit Zinnen und Eckwarten. Der Turmaufsatz teilte den Gebäudekörper in einen nordwestlichen und südöstlichen Flügel. Der fensterlose Nordwestflügel diente offenbar reinen Speicherzwecken, während der reich durchfensterte Südflügel die eigentlichen Mühleneinrichtungen aufnahm. Am heutigen Bau ist die Differenzierung der ehemaligen Baukörper noch ablesbar. Die Höhenunterschiede der Gebäudeteile wurden aber durch spätere Aufstockungen egalisiert. Die Fassadenarchitektur orientiert sich stark noch an den Formvorstellungen des 19. Jahrhunderts. Über einem Sockel aus Naturstein erhebt sich der Backsteinbau mit einer Gliederung aus Wandvorlagen und Stockwerks- bzw. Sohlbankgesimsen. Die zurückliegenden Wandfelder werden unter der ursprünglichen Traufe durch Rundbogenfriese abgeschlossen. Die vielfach zugemauerten Fensteröffnungen sind überwiegend rundbogig ausgebildet. In einigen Öffnungen sind die kleinteiligen Metallsprossenfenster erhalten. Dem Nordwestgiebel sind zwei monumental wirkende, nach oben zu sich stetig verjüngende Stützpfeiler angefügt. Sorgfältig gestaltet ist auch die darüber sich erhebende spätere Aufstockung, mit Rechteck-Blendfeldern in den Giebeldreiecken und Rundbogenfenstern in den Trauffassaden. Nach Südosten wurde das Mühlengebäude in der Erweiterungsphase 1911-16 ergänzt um einen rechtwinklig anschließenden Flügel, der sich in Richtung Hafenbecken erstreckt. Dieser Flügel weist noch die gleichen Formelemente wie der Gründungsbau auf mit Wandlisenen, Stockwerksgesimse und Rundbogenfries unter der Traufe. In den Fensteröfnungen, hier teilweise auch mit Segmentbogen befinden sich noch weitgehend Metallsprossenfenster. Nach Südosten ist dem Baukörper ein Vordach über Stahlkonstruktion und eine Verladerampe vorgelagert.

Dem Mühlengebäude sind zum Hafenbecken mehrere kleinere Gebäudekörper rechtwinklig angegliedert. Dazu gehört im Norden das in Backstein errichtete Kesselhaus mit flachem Satteldach und Belüftungsraupe auf dem First. Die Trauffassade ist zweigeschossig aufgebaut mit Segmentbogenöffnungen und Metallsprossenfenstern im oberen Bereich. Die Giebelfassade in Stahlfachwerk wird durch ein großflächiges Metallsprossenfenster belichtet. Dicht daneben steht der Schornstein.

An das Kesselhaus schließen sich weitere Hallen an, die in späterer Zeit als Werkstätten genutzt wurden. Die direkt neben dem Kesselhaus gelegene Halle dürfte das Maschinenhaus gewesen sein, von dem aus die Maschinen in der Mühle angetrieben wurden.

Das Mühlengebäude wurde 1952 und 1968 umgebaut, enthält heute nur noch Silozellen, die nicht als denkmalwert eingestuft werden.



Getreidesilo 2, 1916

Getreidesilo von 1916. Foto 2013
Der mächtige Backsteinbau des Getreidesilos von 1916 wird in der Gebäudekubatur beherrscht von einem hohen Walmdach mit einem massig und schwer in Backstein ausgeführten Dachreiter. Dieser, das Bild des Gebäudes beherrschende Dachreiter ist im Grundriß polygonal ausgebildet und wird begleitet durch zwei niedrigere, kubisch geformte Flankenbauten. Die Fassaden des Baukörpers werden durch fast gebäudehohe, rundbogig abschließende Blendnischen geprägt. Ein kräftiger, umlaufender Betonstreifen trennt vom Hauptbau optisch einen Bereich unter der Traufe ab, der zum Hof hin mit Kreuzstockfenster durchbrochen ist und nach Norden als Schriftfeld für die Inschrift „Duisburger Mühlenwerke“ dient.

Zum Hof sind auch einige Blendnischen mit teilweise heute vermauerten Fensteröffnungen durchbrochen. Ganz in der Ecke zum anschließenden Flügel deuten treppenförmig angeordnete Fenster auf die hinter dieser Fassadenpartie angeordnete Treppe. Diese Fassadenpartie ist vermutlich mit Einbau des Fahrstuhls 1950 umgestaltet worden.

Im Inneren gehört das Treppenhaus mit einer massiven, in Beton erbauten Treppe und einem in das Treppenauge eingebauten Fahrstuhl zum denkmalwerten Bestand. Der Fahrstuhl(lt. Typenschild 1950 von MIAG Braunschweig eingebaut) ist zur Personenbeförderung mit Trittbrettern für jeweils eine Person ausgerüstet. Weiterhin sind im Gebäude Elevatoren mit zugehörigen Elektromotoren, Redler und die zu den Silozellen führenden Rohre zum Getreidetransport erhalten.


Wohn- und Bürohaus, um 1910

Wohn- und Bürohaus. Foto 2013
Zur Stadtseite ist den Mühlen-, Speicher- und Silokomplex ein zweigeschossiges Wohn- und Bürohaus vorgelagert. Der Backsteinbau ist mit einem Walmdach gedeckt. In der fünfachsigen Trauffassade ist der axial angeordnete Mitteleingang über eine einläufige Außentreppe zugänglich. Das Metallgeländer des Treppenaufgangs zeigt verhalten jungendstilige Formen. Der rundbogige Eingang ist portalartig mit Pilastern und horizontaler Verdachung gerahmt. Die bauzeiliche, doppelfüglige Holztür ist erhalten. An der Traufseite ist ein zweiter rundbogiger Nebeneingang mit einläufiger Treppe und Treppengeländer aus der Bauzeit. Die Rückfassade wird geprägt durch einen Altan(Standerker) auf polygonalem Grundriß mit weich gerundeten Eckausbildungen und Balkon vor der Dachgeschoßgaube. Die Fassaden werden geprägt durch den Wechsel von breiten, rundbogigen Fenster im Erdgeschoß mit schmalen, zwillingsweise zusammengefassten Rechteckfenstern im Obergeschoß. Unter den Obergeschoßfenstern verleiht das Sohlbankgesims, ebenso wie das Kastengesims unter dem vorkragenden Dach, die in Putz ausgeführten Sohlbänke der Erdgeschoßfenster und der in Putz abgesetzte Sockel dem Gebäude eine ruhige Horizontalstruktur. Das Walmdach wird unterbrochen durch breite Gauben mit Flachdächern und Wandausbildungen im übrigen Duktus der Fassadengestaltung. Die Fenster in den Öffnungen sind am ganzen Gebäude weitgehend erneuert.


Bedeutung

Der Krefelder Hafen war in seiner Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte deutlich geprägt von dem Motiv zur Industrieförderung und das Hafenbecken des Osthafens war in Erscheinungsbild und Nutzung durch die sich hier ansiedelnden Industriebetriebe geprägt. Die Mühlenwerke signalisierten den Erfolg einer auf Branchenvielfalt angelegten Industriepolitik der Stadt Krefeld in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.

Überall in den Rheinhäfen gehörten die Großmühlen zu den wichtigen und prägenden Industriebranchen. Besonders der Duisburger Innenhafen war von diesen Großmühlen geprägt mit den noch heute erhaltenen und in die Konversion des Hafens erfolgreich einbezogenen Bauten der Küppersmühle, der Rheinischen Mühlenwerke(Werhahn) und der Märkischen Mühlen AG(Rosigny). Auch der Neußer Hafen mit der Hansa-Mühle, der Köln-Deutzer Hafen mit der früheren Auer-/ Ellmühle(heute Aurora) und der Bonner Hafen mit der Weizenmühle Carl Auer sind durch Mühlenbauten geprägt. Erscheinungsbild und Nutzung der Rheinhäfen war wesentlich bestimmt von diesen Bauten der Großmühlenindustrie. Das Krefelder Beispiel rundet die Geschichte des rheinischen Großmühlenbaus ab, mit einer Anlage, die in der architektonischen Ausbildung des Gründungsbaus noch fest verankert ist in der Formensprache des 19. Jahrhunderts, zugleich aber mit den Erweiterungsbauten in die Moderne des 20. Jahrhunderts weist.

Vermutlich gefördert durch die prägnante städtebauliche Situation mit Anordnung der Werksanlage an der Zufahrt zur Drehbrücke und zum Hafengebiet, zugleich auch unweit der gern auf Ansichtskarten gezeigten Hafenspitze mit dem anspruchsvoll gestalteten städtischen Lagerhaus wurde für diese Großmühle des Krefelder Hafens eine repräsentative Architektur verwirklicht. Dies gilt schon für die Roggen- und Gerstenmühle Reinhold Becker mit einer zinnenbekrönten Architektur im Sinne des im 19. Jahrhunderts so weit verbreiteten Burgenstils. Diese Architektur ist zwar durch spätere An- und Aufbauten überformt, dennoch aber gut noch im Bestand ablesbar. Den Charakter einer städtebaulichen Landmarke übernimmt das Silogebäude von 1916 mit dem turmartigen Dachreiter und dem massig wirkenden, zugleich aber gekonnt gegliederten und durch Walmdach und Dachreiter bekrönten Gebäudekörper.

Wichtige Teilbauten im Werkskomplex sind das Wohn- und Bürohaus und die Werksmauer an der Hafenstraße. Das Wohn- und Bürohaus verweist auf den in fast allen Phasen der Industriealisierung vorhandenen Wunsch, im Falle von Betriebsstörungen stets den für Entscheidungen zuständigen Teil des Personals oder den Eigentümer bzw. Betriebsleiter in unmittelbarer Betriebsnähe verfügbar zu haben. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg veränderten sich diese Zusammenhänge, so dass die enge Nachbarschaft von Unternehmer- und Direktorenvillen und Werksanlagen aufgegeben wurden. Werksmauern sind immer ein wichtiges architektonisches und städtebauliches Mittel zur Trennung von Werksgelände und öffentlichem Raum gewesen und sind mit ihrer historischen Ausbildung zur Hafenstraße Teil des Denkmals.


Literatur

• Der Rheinhafen Crefeld. Festschrift zur Feier der Hafeneinweihung, Crefeld 1906
• Fünfzig Jahre Krefelder Rheinhafen (1905-1955). Festschrift zur Jubiläumsfeier, Krefeld 1956
• Föhl, Walter: Der Rhein-Maas-Schelde-Kanal, in: Aufsätze aus zwei Jahrzehnten(Schriftenreihe des Kreises Viersen, Nr. 28), Kempen 1976, S. 364-392
• Hentrich, Hubert: Der Rheinhafen Crefeld – Ein neuer Industrie- und Handelshafen am linken Niederrhein, Krefeld 1902
• Nellessen, Dieter: Geschichte der niederrheinischen Kanäle und Kanalbauprojekte bis zum Bau des Krefelder Rheinhafens, in: Stadt Krefeld(Hg): 100 Jahre Rheinhafen Krefeld 1906-2006, Krefeld 2006, S. 183-206
• Pohl, M. R.: Der städtische Rheinhafen Crefeld. Industrie- und Handelshafen im niederrheinischen Industriegebiet, Krefeld 1911
• Schmid, Manfred: Der Krefelder Rheinhafen in historischen Ansichten, in: Stadt Krefeld(Hg): 100 Jahre Rheinhafen Krefeld 1906-2006, Krefeld 2006
• Stadt Krefeld(Hg): 100 Jahre Rheinhafen Krefeld 1906-2006, Krefeld 2006
• Rüttershoff, Lorenz: Der Hafen Krefeld. Geschichte, Struktur und Bedeutung, Krefeld 1973
• Vogt, Hans: Die Geschichte des Krefelder Rheinhafens, in: Stadt Krefeld(Hg): 100 Jahre Rheinhafen Krefeld 1906-2006, Krefeld 2006, S. 11-93
• Vogt, Hans: 75 Jahre Rheinhafen in Krefeld, in: Die Heimat 52, 1981, S. 87-97
• Vogt, Hans: Kleine Wirtschaftsgeschichte der Rheinstadt Uerdingen, in: Die Heimat 53, 1982, S. 137-146 • Wüst, A.: Entwicklung und Verwirklichung des Krefelder Hafengedankens, in: Heimat 5, S. 136-138