Zeche Sterkrade
Oberhausen

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Industriedenkmal Stiftung


Kurztext

Wie die Zechen Oberhausen und Osterfeld gehörte auch die Zeche Sterkrade zur Gutehoffnungshütte. Nach Abbruch der Kokerei-Relikte blieb nur das Fördergerüst von 1903 als denkmalwerter Restbestand. Es ist eines der weinigen erhaltenen Dreistrebengerüste, wie sie besonders vom Thyssen- Bergbau in Duisburg bevorzugt wurden. Im Zeitalter der Stahlfachwerkbauweise ist die massiv gemauerte Schachthalle in Sterkrade eine Besonderheit. Bemerkenswert ist die nahegelegene, große und weitgehend unverfälscht überlieferte Bergarbeitersiedlung Dunkelschlag.


Walter Buschmann
Zeche und Kokerei Sterkrade


Nachdem die Gutehoffnungshütte (GHH) in den 1870er Jahren mit Anlage der Zeche Osterfeld (1873 Teufbeginn, seit 1879 Förderung über Schacht 1) bereits eine leistungsstarke Zeche begründet hatte, entwickelte das Unternehmen in den 1890er Jahren eine geradezu fieberhafte Tätigkeit zur Verbreiterung der Kohlebasis durch Erschließung neuer Kohlefelder nördlich der Emscher. Mit Beginn der Aufschlußarbeiten für die Zechen Hugo 1895, Sterkrade 1897 und Vondern 1898 wurde die Grundlage für die Entstehung von drei neuen GHH-Bergwerken gelegt.

Die Zeche Sterkrade sollte zunächst als Wetterschacht für Zeche Osterfeld und zweiter fahrbarer Ausgang für Zeche Hugo nur die untergeordneten Aufgaben einer Außenschachtanlage übernehmen. Da der nicht weit entfernt angesetzte erste Schacht der Zeche Hugo das Steinkohlengebirge nicht erreichte, bei 175 m Teufe 1898 zu Bruch ging und aufgegeben wurde, wird sich für Zeche Sterkrade schon kurz nach Teufbeginn eine veränderte Zielbestimmung ergeben haben. Der im Senkschachtverfahren niedergebrachte und mit gusseisernen Tübbings ausgekleidete Schacht 1 hatte mit einem Durchmesser von 6,72 m die Ausmaße eines ausgewachsenen Förderschachtes. 1901 wurde das Karbon bei 278 m erreicht, bei 300 m die 1. Sohle, bei 364 m die 2. Sohle und bei 463 m die 3. Sohle angesetzt und 1903 konnte die erste Kohle gefördert werden.
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Lageplan von 1913
Das Fördergerüst mit Schachthalle, Verwaltungs- und Kauengebäude und das Kesselhaus waren bis zu diesem Zeitpunkt fertig gestellt. Es folgten in den nächsten zwei Jahren Separation, Wäsche und eine Elektrische Zentrale zur Stromerzeugung.

Die Bewetterung der Grube übernahm Schacht 1 mit einem direkt neben dem Schacht aufgestellten Lüfter. 1902 wurde Schacht 2 als separater Wetterschacht angesetzt, erreichte bis 1908 die dritte Sohle (= 463 m) und diente mit einem Kley-Ventilator auch zur Wetterführung der Zeche Hugo.

1907/08 wurde die Zeche um eine Kokerei mit 120 Öfen und Nebenproduktenanlage ergänzt worden. Damit war die Gründungsanlage in allen Funktionsbereichen im übertägigen Bereich in den Jahren 1903 bis 1908 fertig gestellt worden. Mit Erweiterung der Kokerei um 45 Öfen entstand 1913 eine neue Kondensation System Feld und der Schacht 2 wurde mit Fördergerüst und Schachthalle ausgestattet. Bis 1918 wurde die elektrische Zentrale (Kraftwerk) ausgebaut.

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Totale, historisches Foto. Quelle: Haniel Archiv
Zeche Sterkrade war ein mittelgroßes Bergwerk, in Belegschaftszahl und Förderziffer etwa halb so groß wie Osterfeld. 1913 wurde mit 1837 Bergleuten die vorläufige Spitzenförderung von knapp 600.000 t Kohle pro Jahr erzielt, ein Wert, der nur noch Ende der 1920er Jahre mit etwa 660.000 t Kohle übertroffen wurde. Die Zahl der Bergleute wuchs vor dem 1. Weltkrieg nicht über 2000, um nach 1920 auf bis zu 2414 anzusteigen.

Zur Unterbringung der Bergleute war schon unmittelbar nach Aufnahme der Förderung 1904 mit dem Bau der Dunkelschlagsiedlung begonnen worden. Die Siedlung wurde 1914-16 noch einmal erweitert und umfasst (heute) 242 Wohneinheiten. Eine kleinere Siedlung entstand 1911 an der Erlenstraße.

Im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen und dem damit verbundenen Ausbau der GHH-Zechen Osterfeld und Jacobi zu Großschachtanlagen wurde Zeche Sterkrade 1932 zu einem Außenschacht der Zeche Osterfeld und diente fortan nur noch zur Bewetterung, Seilfahrt, Materialförderung und Energieerzeugung. Die Aufbereitungsanlagen und weitgehend auch die Kokerei wurden abgebrochen. Einige Bauten der Kokerei wurden als Ausbildungsstätten verwendet. Schon 1931 war das Grubenfeld der stillgelegten Zeche Hugo von Sterkrade übernommen worden. Schacht Hugo wurde seither als Wetterschacht genutzt. Die weiterhin wichtige Funktion der Zeche für die Energieerzeugung zeigt das 1937 errichtete Schalthaus. Nach Kriegsschäden wurde u. a. das Fördermaschinenhaus von Schacht 1 erneuert. Die Fassaden des Historismus wurden im Stil der 1950er Jahre vereinfacht. Das bei Roland Günter beschriebene Kraftwerk wurde in den 1980er Jahren abgebrochen. Das Fördergerüst über Schacht 2 wurde 1984 erneuert. Zusammen mit Osterfeld wurde Sterkrade 1991 stillgelegt.




Die Gesamtanlage

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Lageplan
Die 1903-08 entstandenen Bauten der Gründungsanlage waren in zwei parallel ausgerichteten Reihen entlang der Bahnlinie Oberhausen-Wesel angeordnet und bildeten eine Zechenstraße. Zur Gleisseite wurden Schächte, Aufbereitung und nördlich in gleicher Linie die Koksofenbatterien angelegt. Auf der anderen Seite der Zechenstraße entstanden entlang einer geraden Fluchtlinie gegenüber den beiden Schächten Verwaltungs- und Kauengebäude, Fördermaschinenhäuser, Kesselhaus und Elektrische Zentrale. Diese Reihe wurde im Bereich der Koksofenbatterien fortgesetzt durch die Bauten der Nebenproduktenanlage. Besonders aufwendig gestaltet in massiver und voluminöser Backsteinarchitektur mit Rundbogenfenstern und Treppengiebeln war das Verwaltungs- und Kauengebäude. Es fand auf der anderen Seite der Zechenstraße seine entsprechende Ergänzung in der Schachthalle von Schacht 1.

Nach erheblichen Veränderungen der aufstehenden Tagesanlagen mit Abbruch des Kraftwerks und Umbau der südlichen Zeile der Zechenstraße (Kaue, Fördermaschinenhaus 1, Werkstätten) im Schlichtstil der 1950er Jahre waren nur noch wenige Objekte auf dem Zechengelände denkmalwert.


Fördergerüst Schacht 1, 1903

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Fördergerüst Schacht 1. Foto: 1981
Eingeschossiges Deutsches Strebengerüst der Bauart Promnitz 3 (= Dreistrebengerüst) zur Aufnahme von vier nebeneinander liegenden Seilscheiben. Die beiden Seilscheiben der nördlichen Förderung sind erhalten, wäh­rend die Seilscheiben für die 1909 in Betrieb genommene Nebenförderung wie auch die Kranbahn demontiert sind. Die drei Strebenbeine sind fischbauchförmig ausgebildet und untereinander so verbunden, dass sich ein an drei Punkten aufgelagertes flächiges Tragwerk ergibt. Der Gerüstkopf ist unter der Seilscheibenbühne durch engmaschige Kreuzstreben verstärkt. Er reicht seitlich deutlich über das Führungsgerüst hinweg, so dass schräggestellte Stäbe an den Seiten zwischen der Breite des Gerüstkopfes und der geringeren Breite des Führungsgerüstes vermitteln müssen. Das Führungsgerüst ist mit K-Fachwerk ausgesteift.


Schachthalle Schacht 1, 1913

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Schachthalle Schacht 1. Foto: 1990
Das Gerüst des Schachtes Sterkrade 1 ist kombiniert mit einer Schachthalle, die als dreigeschossiger Backsteinmassivbau ausgebildet ist. Auf Rasenhängebankebene sind die Fassaden mit rundbogigen Blendnischen versehen und mit Kämpfern und Schlusssteinen gegliedert. In den beiden Obergeschossen befinden sich hochrechteckige Zwillingsfenster mit Metallsprossen.

Diese Fenster waren ursprünglich rundbogig ausgebildet, überfangen von halbsteinstarken Ziegelbändern. Zwischen den Geschossen befinden sich kräftig profilierte Gesimse und unter den Traufen ein aufwendig geformter Rundbogenfries. Die Ecklisenen waren über dem Dach durch Fialen bekrönt. Das tonnenförmige Dach ruht auf genieteten Bindern. Im Inneren wird die Hängebank über eine zweiläufige Stahltreppe aus der Entstehungszeit erschlossen.


Dampfhämmer, um 1910 | um 1930

Hammer der Fa. J. Banning AG, Hamm, aus der Zeit um 1910 (heute im Außenbereich aufgestellt). Hammer der Fa. Beché & Groß, Hückeswagen, von etwa 1930, in der Schmiede.


Meistergang der Koksofenbatterie 2, 1907|08 und Kokskohlenturm, um 1920; Abbruch 1994

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Koksseite, historisches Foto. Quelle: Haniel Archiv
Die Kokerei der Entstehungszeit bestand aus zwei Batterien mit je 60 Unterbrenneröfen der Fa. Dr. C. Otto & Comp./­Bochum. Nach Abbruch der Batterien 1932, war der Meistergang und die horizontale Koksrampe der Batterie 2 erhalten geblieben. Aus den Koksöfen wurde der glühende Kokskuchen auf diese Rampe gedrückt, dort mit Handschläuchen gelöscht und in Eisenbahnwaggons verladen. Unter diesen Koksrampen waren in der Regel auch benutzbare Räume u. a. für Büros untergebracht.

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Meistergang. Foto: 1991
Der Meistergang in Sterkrade war eine eingeschossige Mauerwerkskonstruktion. Sie bestand aus einer Aneinanderreihung von Gewölbetonnen, die in der Ostansicht als gemauerte Bögen sichtbar waren. Die Gewölbetonnen waren im Inneren von Gusseisenstützen getragen, so dass größere, saalartige Räume gebildet wurden.

Am nördlichen Kopfende der Batterie 2 stand ein Kokskohlenturm in Betonkonstruktion.







Kondensation, 1913; Abbruch 1994

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Kondensation. Foto: 1991
Backsteinmassivbau mit Satteldach. Über dem Sockelgeschoß erhob sich eine monumentale Architekturordnung mit Pilastern und segmentbogigen Fensternischen. In den Nischen befanden sich im unteren Bereich kleinere Rechteckfenster und darüber große Fenster in schlank-hochrechteckigen Form­ten mit Segmentbögen, so dass sich mit den quadratischen Fenstern im Sockelgeschoß ein dreigeschossiger Fassadenaufbau ergab. Im südlichen Teil des Gebäudes gab es diese von den Fassaden angezeigte Dreigeschossigkeit auch im Inneren des Gebäudes, während sich in der anderen Gebäudehälfte über dem Sockelgeschoß eine Halle erhob (h = 12,5 m), deren Mächtigkeit außen von den Pilastern angegeben wurde. Beide Gebäudeteile wurden von Stahlfachwerkbindern (Ständerfachwerk) überspannt.

In dieser Halle standen acht Kühler und Gaswascher, hohe aufrecht stehende Stahlblechzylinder, in denen das Koksofengas von unten nach oben strömte und durch von oben eingesprühtes Wasser, Ammoniumpolylionatlösung und Teeröl seine Nebenbestandteile absonderte. In der anderen Gebäudehälfte waren über einer Zwischendecke Filterkästen, Mischer, Kocher und Verdampfer aufgestellt, um Ammoniumsulfat und Schwefelwasserstoff zu gewinnen.

Die Kondensation der Kokerei Sterkrade zeigte eine baulich-technische Konzeption aus der Frühzeit der Nebenproduktenanlagen auf den Kokereien, als man versuchte, alle technischen Aggregate unter einem Dach zu ver­einen. Ein vergleichbares Bauwerk war an keinem anderen Ort in Deutschland erhalten. Obwohl die technischen Anlagen bei Stilllegung der Kokerei Sterkrade 1932 ausgebaut wurden und die große Halle durch eine Zwischendecke unterteilt wurde, war das verbliebene Gebäude dennoch ein wichtiges Zeugnis der Kokereitechnik, das durch Dimensionen und architektonische Ausprägung auf einen technologischen Stand vor dem Siegeszug der Freiluft-Installationen verwies.


Gekürzter und für das Internet bearbeiteter Text: Gedruckt mit allen Anmerkungen und Quellenangaben in: Walter Buschmann: Zechen und Kokereien im rheinischen Steinkohlenrevier. Aachener Revier und westliches Ruhrgebiet. Gebr. Mann Verlag Berlin 1998


Literatur

• Bollerey, Franziska/Hartmann, Kristina: Siedlungen aus dem Reg.-Bez. Düsseldorf, o.O., o.J. (Essen 1985)
• Bücher, Fritz: 125 Jahre Geschichte der Gutehoffnungshütte 1810-1935, Oberhausen 1935
• Der Bergbau der Hüttenwerke Oberhausen AG (HOAG), Essen 1961
• Gebhardt, Gerhard: Ruhrbergbau. Geschichte, Aufbau und Verflechtung seiner Gesellschaften und Organisationen, Essen 1957
• Gutehoffnungshütte. Aktienverein für Bergbau- und Hüttenbetrieb Oberhausen. Bericht aus Anlaß ihres 25jährigen Bestehens 1873-1898, Düsseldorf o.J. (1898)
• Günter, Roland: Oberhausen (= Die Kunstdenkmäler des Rheinlandes, Bd. 22), Düsseldorf 1975
• Huske, Joachim: Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier, Bochum 1987
• Woltmann, Arnold/Frölich, Friedrich: Die Gutehoffnungshütte. Oberhausen, Rheinland. Zur Erinnerung an das 100jährige Bestehen, 1810-1910, Oberhausen 1910
• Woltmann, Arnold/Frölich, Friedrich: Denkschrift zur Erinnerung an das 100jährige Bestehen der Gutehoffnungshütte, Düsseldorf 1910