Hauptbahnhof Oberhausen
Oberhausen, Willy-Brandt-Platz 1
Sebastian Martin
Der Hauptbahnhof Oberhausen


Geschichte

Die Geschichte der Eisenbahn in der Region Oberhausen begann 1846 mit Bau der Hauptstrecke der Köln-Mindener-Eisenbahn. Am 15. Mai 1847 wurde das Bahnhofsgebäude Oberhausen eröffnet, benannt nach dem in der Nähe liegenden Schloss Oberhausen. Die Stadt Oberhausen wuchs um den Bahnhof durch die Expansion der Schwerindustrie. Weitere Eisenbahngesellschaften, wie die Bergisch-Märkischen Eisenbahn im Jahre 1866, bauten ihre Empfangsgebäude. 1880 war Oberhausen zum wichtigsten Bahnknotenpunkt im Ruhrgebiet geworden. Mit der Verstaatlichung und der Zusammenlegung von Strecken wurden auch die Bahnhofsgebäude zusammengelegt und 1888 ein zentrales und repräsentatives Empfangsgebäude eröffnet. Durch nötige Umbauarbeiten gab es bereits 1913 einen Entwurf zum Neubau des Bahnhofs. Erster Weltkrieg, Inflation und Besatzung verzögerten die Planungen, so dass erst 1929 die Planungen wieder aufgenommen wurden. Von 1930-1934 entstand das heutige Bahnhofsgebäude nach Entwurf der Architekten Schwingel und Hermann in den kubischen Bauformen der Klassischen Moderne.


Das Empfangsgebäudes von 1934

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Lageplan von 1934
Das Empfangsgebäude entstand parallel zu den Gleisen. Vorgelagert war ein langgestreckter Bahnhofsvorplatz auf den strahlenförmig die Zufahrtsstraßen hinführten. Gegliedert wurde der Platz durch die der Stadt sich entgegenstreckenden Empfangshalle von der die Fußgänger ungehindert zur Straßenbahnhaltestelle gelangen konnten. Die Fahrstraßen kreuzten diesen Bereich nicht. Die Anfahrt zum Bahnhofsgebäude lag rechts neben die Eingangshalle, die Abfahrt links davon, wo sich auch die Ausgangshalle befand.

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Grundriss von 1934
Als Konzept für die Baukörper des Empfangsgebäudes diente der Grundsatz „von innen nach außen“, also die Funktion gab die äußere Gestalt vor. Der Bahnhofsvorplatz verlangte nach einer Gliederung in drei größere Baugruppen.
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Entwurfsskizze von 1934
Zunächst ragt auf der rechten Seite weithin sichtbar ein Wasserturm hervor, der so in die Achsen der Zufahrtsstraßen gestellt wurde, das er von überall als monumentale Landmarke wahrgenommen werden konnte.
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Panoramaaufnahme. Foto von 1934
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Empfangshalle mit Eingang vom Bahnhofsvorplatz. Foto: 1999
Neben dem Wasserturm tritt die Einganghalle hervor, die auf den Bahnhofsvorplatz vorgezogen wurde, um den Reisenden direkt den Eingang aufzuzeigen. Beide Baukörper betonten somit die Vertikale, dagegen wurde dann als dritter Gebäudeteil ein langgestreckter Gebäudeteil gesetzt, der auch deutlich niedriger in der Höhe ausgebildet wurde. Die Wände waren aus rotem Klinker.

Wichtig war beim Konzept eine einfache Orientierung für die Reisenden und schnelle Wege. So legte man die Eingangs- und Schalterhalle in die Mitte des Gebäudes, dahinter befanden sich die Gepäckabfertigung und diverse Diensträume. Links von der Eingangshalle lagen die Wartesäle mit den dazugehörigen Diensträumen. Dazwischen wurde eine niedrigere Ausgangshalle geschaltet, von der man zum einen durch einen Tunnel zu den Gleisen und zum anderen direkt auf den Vorplatz gelangte.

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Empfangshalle. Foto: 1934
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Empfangshalle. Foto: 1999
Nach dem Durchschreiten der Eingangstüren gelangte der Reisende in eine hohe Eingangshalle, wo sich auf der rechten Seite neun Fahrkartenschalter – jeweils zu drei Gruppen zusammengezogen – befanden. Die Pfeiler und Stirnwände der Halle, sowie die angrenzenden Gepäckhalle und Ausgangshalle mit den Bahnsteigsperren waren aus rotem Klinker. Die Sockel allerdings aus braunschwarzem Klinker, um einen Kontrast zu erzeugen. Die Schalter waren zur Halle vollständig verglast um die Kommunikation zwischen Publikum und Beamten zu erleichtern. Dahinter befanden sich ein verglaster Raum für den Dienstvorsteher und ein Tresorraum. Die Schalterbereiche waren von alle Einrichtungsgegenständen weitgehend freigehalten. Sämtliche Schränke unter den Verkaufspulten bzw. in den Wänden als Einbauschränke eingebaut waren.

Gegenüber dem Fahrkartenschalter und in der Hallenmitte befanden sich Tafeln für Fahrpläne und andere Bekanntmachungen. Am Ende der Eingangshalle lag eine Auskunftsstelle die gleichzeitig Telegrammannahme war. Daneben schloss sich die Gepäck- und Expressabfertigung mit einer eigenen kleinen Gepäckhalle an. Von außen gab es zur Expressgutanlage eine Vorfahrt mit Laderampe für schweres Gepäck, um dieses aus der Schalterhalle fern zu halten. Auf dieser Seite hinter den Fahrkartenschalter lagen noch die Bahnhofskasse mit zugehörigen Räumen für den Vorsteher, Räume für die Polizei mit drei Zellen und Räume für einen Arzt zur Behandlung kleiner Unfälle.

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Wartesaal der 1. & 2. Klasse. Foto: 1934
Von der Schalterhalle aus gesehen im linken Gebäudeteil befanden sich die Warteräume mit ihren Nebenräumen. Man durchschritt zunächst die Ausgangshalle, wo sich in den Ecken kleine Läden bzw. ein Imbiss befanden. Außerdem gab es hier den Zugang zu den Toilettenanlagen und einen Aufgang ins Obergeschoss, wo sich ein Frisörsalon befand. Dort gab es auch für die Reisenden Waschräume.

Die Warteräume hatten einen gemeinsamen Vorraum, waren sonst aber nach I./II. Klasse und III. Klasse getrennt. Der Wartesaal der I. und II. Klasse lag – in mehrere Teilbereich unterteilt - nach vorne zum Bahnhofsvorplatz. Daran grenzten ein Speise- und ein Konferenzzimmer an. Im Obergeschoss gab es ein separates Kaffeezimmer im Obergeschoss. Die Wände des Wartesaals waren halbhoch mit einer Holzvertäfelung aus Spessarteiche verkleidet. Darüber waren die Wände und die Decke glatt verputzt. Im dazugehörigen Speisezimmer wurde poliertes Birnbaumholz verwendet. Um den Aufenthalt für die Reisenden möglichst angenehm zu gestalten, gab es in jedem Geschoss gesonderte, separate Toiletten und Garderoben.

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Wartesaal der 3. Klasse. Foto: 1934
Auf der rückwärtigen Seite lag der Wartesaal III. Klasse, der ebenfalls unterteilt war und zusätzlich über einen kleinen Wirtschaftsgarten verfügte. Zwischen den Wartesälen lag die Anrichte der Küche. Die übrigen Räume der Küche, Personalräume und Kühllager befanden sich im Kellergeschoss. An den Wartesaal III. Klasse schloss sich auf der einen Seite ein Nichtraucherzimmer an, dass auch Nachts als Warteraum genutzt werden konnte. Auf der anderen Seite lag ein weiterer Gastraum, der als Stadtschenke von außen einen gesonderten Zugang hatte. Der Wartesaal III. Klasse war mit deutschem Nußbaumholz verkleidet und Pfeiler-, Tür- und Fensterumrahmungen mit poliertem Muschelkalk versehen. Einen herausgehobenen Platz hatte erhielt ein eisernes Relief mit dem Thema „Die Familie“ an einer Wand des Wartesaals. Diese Plastik aus Eisenguß sollte eine Verbindung zur heimischen Eisenindustrie symbolisieren. Heute befindet sich das Kunstwerk an einer Wand am Anfang des Personentunnels.

Im Obergeschoss befanden sich die Unterkünfte und Aufenthaltsräume für das Personal aus der Gastronomie, sowie Unterkünfte, Büro- und Konferenzräume für das Bahnpersonal. In weiteren Geschossen im Wasserturm unter dem Wasserbehälter gab es Waschräume nach Geschlechtern getrennt für die Eisenbahnbeschäftigten und ihre Angehörigen. Im Kellergeschoss waren unter dem Wasserturm die Zentrale Heizungsanlage sowie weitere Versorgungsräume angeordnet.


Kriegszerstörungen | Wiederaufbau | IBA Emscherpark

Nachdem das Empfangsgebäude im Zweiten Weltkrieg durch mehrere Bomben und Luftminen schwer beschädigt worden war, dauerte es einige Jahre bis zum Wiederaufbau und zur Eröffnung im Jahr 1954. Dabei veränderte man die Eingangshalle baulich stark. Man zog eine Zwischendecke ein, so dass unten eine Ladenpassage entstehen konnte und darüber Raum für ein Kino entstand. Leider wurde dadurch der Raumcharakter völlig zerstört.

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Fußgängertunnel. Foto: 1999
Dieser Zustand blieb bis in die 1990er Jahre bestehen. Erst mit der Internationalen Bauausstellung Emscherpark wurde seit 1993 eine komplette Grundsanierung des Empfangsgebäudes vorgenommen. Man stellte den ursprünglichen Zustand der Eingangshalle wieder her, indem man das Kino und die Ladenpassage wieder ausbaute. So bekam die Halle ihren großen, hellen Raumeindruck wieder. Auch die innere Raumaufteilung wurde weitgehend wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Allerdings änderte man die Nutzungen, in die Ausgangshalle zog ein Schnellrestaurant ein und die Warteräume wurden zu Ladenlokalen umgebaut. Im Bereich der Gepäckabfertigung wurde Platz für ein Geschäft gemacht und die Bahnpolizei bekam dort auch neue Räume. Mit den Wiederherstellungs- und Umbauarbeiten der Eingangshalle konnte der ursprüngliche Charakter weitgehend wieder erlebbar gemacht werden.
Die Sanierung der Backsteinfassade erfolgte so, dass man Ausbesserungen an einer farblichen Abstufung des Klinkers erkennt.
Weiterhin wurde der Personentunnel wurde durch Einbau weniger störende Ladeneinbauten verbessert.


Auszug aus einer großen Studienarbeit an der RWTH Aachen, Lehrgebiet Denkmalpflege im SS 2010 - Sebastian Martin: Großstadtbahnhöfe des 19. und 20. Jahrhunderts in NRW und die Anpassung ihrer Empfangsgebäude.


Literatur

• Herrmann, Reichsbahnoberrat (1934): Das Neue Bahnhof-Empfangsgebäude in Oberhausen (Rheinl.). Essen. In: Zentralblatt der Bauverwaltung vereinigt mit Zeitschrift für Bauwesen. (Hg.): Preußisches Finanzministerium. 54. Jahrgang, Heft 52. Berlin. S. 811-817
• Röttcher, Hugo: Hochbauten der Deutschen Reichsbahn. Empfangsgebäude der Personenbahnhöfe, Berlin 1933
• Schmidt-Waldbauer, Klaus Martin (2001): Hauptbahnhof Oberhausen. Von „köstlichen“ Bahnhof zum „schönsten Bahnhof der Region“ oder der unendlich lange und langsame Wandel am Hauptbahnhof Oberhausen. In: Abenteuer Industriestadt Oberhausen (2001)