Obenrüdener Kotten
Solingen, Obenrüdener Kotten 7

Jochem Putsch
Der Obenrüdener Kotten in Solingen


Der in der Mitte des 18. Jahrhunderts bei Rüden an der Wupper errichtete Obenrüdener Kotten bestand ursprünglich aus zwei Innen- und einem Außenkotten. Alle Gebäudeteile waren in Fachwerkbauweise ausgeführt. Der frühere Name „Blaumühle&ldquo ; deutet darauf hin, dass der Obenrüdener Kotten zunächst nicht als Schleifstätte diente. Vermutlich wurde dort der für den Schleifprozess nötige Schmirgel oder aus Waidpflanzen „Bläue&ldquo ; zum Färben hergestellt. Mitte des 18. Jahrhunderts weisen Steuerakten den Kotten als Schleifstätte aus. 1906 brannte der Außenkotten nieder und wurde durch den heute erhaltenen Backsteinbau ersetzt. Im Vergleich zu anderen Wasserkotten hatte der neue Kotten somit einen guten Standard. Dies mag die Solinger Gewerkschaftsführer im April 1908 bewogen haben, ihren englischen Gast, Prof. Lloyd, der zu einer Studienreise nach Solingen gekommen war, in den Obenrüdener Kotten zu führen. Prof. Lloyd verglich in seinem Tagebuch den alten und den neuen Kottenteil.

„Der ursprüngliche Kotten könnte eine Kornmühle gewesen sein, ist jedoch auf jeden Fall sehr alt, ein Stein im Fundament datiert aus dem Jahr 1739. Es ist ein Fachwerkhaus über einem Fundament aus Stein und stellt die schlechtesten Zustände dar, die wir gesehen haben. Der neu erbaute Teil hingegen zeichnet sich durch Verhältnisse aus, die kaum zu verbessern sind. Alle möglichen Arten von Schleifarbeit werden an Messern, Scheren und Schwertklingen ausgeführt. (…) Im neuen Kottenteil waren in allen Räumen ausgezeichnete Licht- und Luftverhältnisse zu beobachten. Im älteren Kottenteil war der Fußboden in schlechtem Zustand, obwohl überall ein extra hergerichteter Fußboden vorhanden war, und die Maschinerie war weniger gut gesichert; die Feuchtigkeit war hier, wie in einem Sheffielder Schleifkotten (im Rivelin-Tal), besonders spürbar, und die Lichtverhältnisse in den oberen bzw. Pliesträumen waren nicht so gut, es handelte sich überhaupt um einen armseligen Bau, der die alten schlechten Verhältnisse repräsentierte. In diesen heruntergekommenen Werkstätten waren alle dort arbeitenden Männer und Jungen weniger sauber und ordentlich als in all den anderen besichtigten Schleifkotten, und in diesem Fall und nur hier arbeitenden zwei Jungen und ein Mann in ihrer gewöhnlichen Kleidung, ohne Arbeitsanzüge zu tragen. Die Arbeiter im älteren Kottenteil klagten ganz ordentlich über die schlechten Bedingungen, mit denen sie sich abfinden mussten und darüber, daß sie nicht die Gelegenheit hatten, unter besseren Bedingungen, wenn auch zu einer höheren Miete, zu arbeiten. Die Männer im älteren Kottenteil zahlen eine Mark wöchentlich unabhängig davon, welche Arbeit sie verrichten: Im neuen Kottenteil beträgt die Miete 2,50 Mark für die Herstellung von Tafelmessern und 1,80 Mark für alle anderen Arbeiten. (…) Auch in den ältesten Werkstätten waren die Absaugvorrichtungen in einem guten Zustand.“

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Obenrüdener Kotten. Foto: Gregori, 2015
Während die Räume des Innenkottens nach einem erneuten Brand im Jahre 1966 zu Wohnungen umgenutzt wurden, befand sich im backsteinernden Außenkotten noch bis 1979 eine Messerfabrik. Das denkmalgeschützte Gebäude war stark mit schwermetallhaltigem Schleifdreck kontaminiert und hat jahrelang leer gestanden, bis sich in den 1990er Jahren ein Liebhaber fand, der es als Werkstatt und Wohngebäude umnutzte.