Fabrikantenvilla Haus Poggfred
Düsseldorf, Heyestr. 92
Peter Henkel
Die Fabrikantenvilla Haus Poggfred in Düsseldorf-Gerresheim


Die Industrialisierung revolutionierte nicht nur die Produktion, sondern veränderte auch die Gesellschaft. Neue gesellschaftliche Gruppen wie z.B. die der Arbeiter entstanden. Die Verlagerung weg vom vormals dominierenden Adel hin zum aufstrebenden Bürgertum wird auch architektonisch erkennbar. Die Villenbebauung entlang der Heyestraße symbolisiert noch heute das offen zur Schau gestellte Selbstbewusstsein des gehobenen Bürgertums, dass sich als die tragende Säule der Gesellschaft verstand.

Inmitten einer kleinen Parkanlage, versteckt hinter einer Gartenmauer und schmiedeeisernem Tor, liegt die 1892 als Fabrikantenwohnsitz erbaute „Villa Poggfred.“ Wegen ihrer ausgezeichnet erhaltenen inneren und äußeren Ausstattung steht sie als eine der letzten freistehenden Villengebäude an der nördlichen Heyestraße unter Denkmalschutz.
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Turm der Villa Poggfred
Dominiert wird das Gebäude durch den zweieinhalb geschossigen Turm auf der linken Hausseite. Im Bogenfeld über dem Turmfenster im ersten Stock wacht ganz im Sinne des patriotischen Duktus des Kaiserreiches die Germania. Auch im Innern setzt sich der Schlosscharakter mit großflächigen Wandfresken, Holzvertäfelungen und einen aufwendigen Treppenhaus fort. Hier bediente sich das Bürgertum auch in der Architektursprache den Elementen traditioneller Herrschaftsarchitektur, wie wir sie von Schlössern her kennen. Mit wachsendem Selbstbewusstsein imitierte man adeligen Lebensstil und erhob sich selbst zum „Adel des Industriezeitalters“.

Den Namen erhielt das Haus nach 1896 durch seine damaligen Besitzer Gustav und Hedwig Kneist. Ihr Haus wurde bald Treffpunkt eines literarischen Zirkels, zu dem die Dichter Detlev von Liliencron oder Wilhelm Schäfer gehörten. In Anlehnung an ein Versepos Liliencrons taufte die Familie Kneist ihr Anwesen auf den Namen „Poggfred“, auf Hochdeutsch „Frieden den Fröschen“. Die Villa wurde unter dem Rektor der nahen Heye-Schule mit Dichterlesungen und Hausmusikabende zum großbürgerlichen kulturellen Mittelpunkt Gerresheims. Der wegen seiner Rolle während des „Dritten Reiches“ umstrittene Schriftsteller Wilhelm Schäfer steht in seiner literarischen Idealisierung eines vorindustriellen Rheinlandes stellvertretend für weite Teile des Bürgertums, die zwar wirtschaftlich von der Industrialisierung profitierten, aber mit ihren Folgen, wie der Verstädterung, haderten und Zuflucht in einem häufig volkstümlich/völkischen Idyll suchten.

Diagonal gegenüber, in der burgähnlich wirkenden Villa Ecke Heyestraße/Dreifaltigkeitsstraße, residierte der erste Werksarzt der Glashütte und Leibarzt de Familie, der Mediziner Karl Strunk.

Die Straßen, an denen diese Häuser entstanden, nahmen später oft für den Ort wichtige Funktionen als Hauptgeschäftsstraße oder ähnliches ein. Mit ihnen sollten für Ärzte, Anwälte, hohe Beamte oder andere Vertreter des gehobenen Mittelstandes Bauplätze entstehen.

So wie die Heyestraße nach einem wichtigen Industriekapitän benannt wurde, der die Entwicklung Gerresheim maßgeblich geprägt hat, so wurde die Luegallee in Oberkassel nach Heinrich Lueg benannt. Zusammen mit Ludwig und Franz Haniel gründete er 1874 die Maschinenfabrik Haniel & Lueg. Er förderte maßgeblich das Düsseldorfer Ausstellungswesen, den Bau der Rheinbrücke und Ausbau Oberkassels – und dieser ging rasant von Statten. 1899 lebten in Oberkassel in 337 Wohnungen ca. 5300 Menschen, sieben Jahre später waren es ca. 2400 Wohnungen mit ca. 11000 Einwohnern. Neben den prächtigen Häusern an der Luegallee fand in den Nebenstraße das gehobene Bürgertum seine Stadthäuser.