Innenhafen | Küppersmühle
Duisburg, Philosophenweg
Anna Bartolaccio | Giulia Berti | Giuseppe Del Greco
Küppersmühle im Innenhafen Duisburg


Obgleich heute die noch bestehen den Getreidespeicher von der einstigen Industrialisierung am Innenhafen Zeugnis ablegen, so gilt dennoch einer älteren, wenn auch nicht baulich erhaltenen, so doch nicht minder bedeutenden, Branche eine ebenso große Würdigung: dem Duisburger Holzhandel. Parallel zu der Anwerbung von Holzunternehmen für den Innenhafen werden, nachdem sich die ursprünglichen Pläne zur Umleitung der Ruhrkohlen nicht realisieren lassen, Überlegungen angestellt, den Verkehr im Innenhafen weiterhin zu steigern. Die Direktion des "Rhein-Ruhr-Canal-Aktien-Vereins" ist sich darüber bewusst, dass nur deutliche Anreize Einfluss auf die Standortwahl von Firmen zugunsten des Innenhafens nehmen können. Vor diesem Hintergrund erlässt sie am 25. April 1884 eine Befugnis, nach der am Hafen gelegene Grundstücke unter bestimmten Bedingungen z.B. der Errichtung einer industriellen oder kommerziellen Anlage verkauft werden dürfen. Diese Verkaufsermächtigung weckt das Interesse zahlreicher Getreideunternehmer und -spediteure, die nur durch die Beleihung von eigenem Grund und Boden die enormen Investitionen aufbringen können, die eine notwendig gewordene Modernisierung der Mühlenbetriebe durch den Einsatz der Dampfmaschine und die Errichtung von Speichergebäuden mit hohen Lagerkapazitäten mit sich bringen. Bereits 1860 erwirbt Wilhelm Vedder eine Liegenschaft zum Betrieb einer Mühle. Sein 1900 errichteter Erweiterungsbau ist heute unter dem Namen Küppersmühle bekannt.

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Die Küppersmühle in einem Foto von 1985
1870 erstehen die Gebrüder Heuser ein Grundstück am Marientor, Carl Lehnkering, seit 1886 am Zollhafen ansässig, errichtet noch im gleichen Jahr ein Getreidelager am Schwanentor, 1885 erwirbt die Märkische Mühlen AG bzw. Rosiny Mühlen AG die Grundstücke, auf denen heute das Stadtarchiv und das Kultur- und Stadthistorische Museum stehen. 1888 kauft M. Flechtheim eine Grundstücksfläche östlich neben dem Schwanentor und gründet dort 1894 die Rheinisch-Westfälische-Speditions-Gesellschaft, die bis heute am Innenhafen tätig ist.

Ein wichtiger Gedanke, der hinter der Konsolidierung der Getreideindustrie am Innenhafen steht, ist die bessere Versorgung der Region mit diesem Grundnahrungsmittel. Schlechte Ernten und Transportschwierigkeiten führen im 19. Jahrhundert immer wieder zu Versorgungsengpässen. Hauptsächlich das industrialisierte Ruhrgebiet mit seiner stetigen Bevölkerungszunahme ist davon betroffen. Als auch die Umstellung im Getreideanbau von kleinkörnigem deutschen Weizen auf den größeren englischen Weizen keine Abhilfe schafft, entschließt sich Josef Rosiny, Gründer der Märkischen Mühlen AG, bereits 1879, seine Getreideeinkäufe im südlichen Rußland zu tätigen. Duisburg, über die Wasserstraße verbunden mit den wichtigsten Getreide-Exportländern, bietet beste Voraussetzungen und Standortvorteile. So floriert um die Jahrhundertwende am Duisburger Innenhafen die größte Mühlenindustrie Westdeutschlands. Zuerst kommt ausländisches Getreide aus Südrussland, den Balkanländern, dann aus den Donauländern, später aus Nordamerika, Argentinien, Indien und Australien. An der Börsenstraße etabliert sich die renommierte Getreidebörse, an der, nach dem Vorbild der in Deutschland einzigartigen Schifferbörse, sowohl Getreidepreise festgelegt, als auch Ladungen und Transporte organisiert und Verkäufe getätigt werden.

Einen ersten wirtschaftlichen Einschnitt erlebt der Duisburger Getreidemarkt jedoch während und nach dem Ersten Weltkrieg. Der mit der Lebensmittelknappheit verbundene staatlich kontrollierte Mehl- und Getreidehandel steht im Widerspruch zu den Werten der freien Marktwirtschaft. Nunmehr werden Preise festgelegt und der Absatz rationiert. In dieser Zeit können die Mühlenbetriebe nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. Dringende Investitionen können nicht mehr getätigt werden, obgleich die Versorgung der Bevölkerung unter allen Umständen aufrecht erhalten werden muss. Auch reißen Feuersbrünste - hervorgerufen u.a. durch Staubexplosionen – immer wieder große Lücken in die Silo-Skyline des Innenhafens und bedrohen durch ihre unmittelbare Nähe zur City ständig die Innenstadt. So fällt 1913 der alte 6-stöckige Lehnkering Speicher dem Feuer zum Opfer, 1933 geht der Speicher der Rheinisch-Westfälischen Speditionsgesellschaft, vormals Flechtheim, in Flammen auf. Großen Einfluss auf die Stadt hat 1929 der Brand des Mühlengebäudes der Firma Koch & Co am Schwanentor, das unmittelbar an die Altstadt grenzt. Nach dem Großbrand, der bis zum Rathaus vorzudringen droht, verweigert die Stadt aus Sicherheitsgründen den Wiederaufbau und denkt über Pläne nach, hier eine Uferpromenade in Form einer Hafenallee entstehen zu lassen.

Erst in der Mitte der 1930er Jahre, nach der allgemeinen Rezession, wird auch ein Aufschwung der Getreideindustrie deutlich spürbar. Dies schlägt sich in einem regelrechten Bauboom am Innenhafen nieder. 1933 errichtet die Firma Koch & Co einen 7-geschossigen Schüttbodenspeicher, 1938 einen kleineren giebelständigen Silo.

1935 erregen die Werner & Nicola Mühlenwerke mit ihrem röhrenförmigen, aus Stahlblechen zusammengenieteten Silo, einem weltweiten Novum, Aufsehen und 1936 macht der 7-geschossige Stahlbetonspeicher der Rheinisch-Westfälischen-Speditions-Gesellschaft Schlagzeilen. 1937 entsteht der 10-geschossige Silo der Allgemeinen Speditionsgesellschaft und neben der heutigen Küppersmühle errichten die Rheinischen Mühlenwerke Werhahn, 1938 ein 11-geschossiges Silogebäude. 1939 wird ebenfalls die Märkische Mühlen AG um einen Silo erweitert. Der Zweite Weltkrieg überschattet indes diese Entwicklung und setzt hier ein abruptes Ende. Die Verwüstungen am Innenhafen zeugen von einem totalen Zusammenbruch.


Die Nachkriegszeit

Der Duisburg-Ruhrorter Hafen ist Ziel zahlreicher Luftangriffe, infolge derer nicht nur die Speicher- und Mühlengebäude erheblichen Schaden nehmen, sondern auch die aus dem Jahr 1904 stammende Klappbrücke am Schwanentor völlig zerstört wird. Allein das am Holzhafen ansässige Taucher- und Sprengunternehmen Dahmen befördert in den Nachkriegsjahren über 100 Schiffwracks vom Grund des Hafens an die Oberfläche.

Enorme Investitionen werden für den Wiederaufbau benötigt. Die Militärregierung setzt sich nach dem Krieg verstärkt dafür ein, dass die Getreidespeicher und Mühlengebäude unverzüglich wiederaufgebaut und in Betrieb genommen werden. An die Mühlenbesitzer ergeht offiziell die Weisung, für die größtmögliche Lagerung in kürzester Zeit Sorge zu tragen, gilt es doch wiederum, von Duisburg aus, das Hinterland mit den nötigen Grundnahrungsmitteln zu versorgen. lm Zuge dieses Wiederaufbaus errichtet die Allgemeine Speditionsgesellschaft 1950 einen giebelständigen kleinen und 1954 einen viereinhalb-geschossigen Speicher. 1956 errichtet Werner & Nicola den 1994 gesprengten Stahlbetonsilo Mr. Softy und 1959 entsteht ein 5-stöckiger Mühlen- und Speicherkomplex der Duisburger Mühlen AG am Schwanentor (vormals Rosiny Mühlen AG, heute Stadtarchiv und Kultur- und Stadthistorisches Museum).

Bis in die 50er Jahre expandiert die Mühlen- und Getreideindustrie am Innenhafen. Jedoch im Zuge fortschrittlicher Fertigungstechniken und besserer Transportmöglichkeiten über die Straße verliert der Wasserstandort Innenhafen zunehmend an Bedeutung. Die hier vorhandenen Lagerkapazitäten in den Speichergebäuden und Silos sind nicht mehr notwendig und können nicht mehr ausgenutzt werden. Die Mühlenbranche sieht sich gezwungen entsprechend gegen zu wirken. Die Lagerung von Stückgütern nimmt zu. Rationalisierungen im Fertigungsprozess und Modernisierungen der Anlagen führen darüber hinaus zu Firmenfusionen, um so überhaupt noch auf dem Markt bestehen zu können. Auch die seit 1885 bestehende Märkische Mühlen AG, die später in Rosiny Mühlen AG umfirmiert, ist 1943 gezwungen sich mit den ihr eng verbundenen Wittener Walzen und Mühlen AG im Außenhafen und den Krefelder Mühlenwerken zur Duisburger Mühlen AG zusammenzuschließen, um im harten Existenzkampf zu überleben.

Die Allgemeine Speditionsgesellschaft fusioniert 1951 mit der Rhenania GmbH und 1972 mit der Rheinunion, 1969 schließen sich die Werner & Nicola Germania Mühlenwerke mit den Küppers Mühlenwerken, Homberg zusammen. Die geringe Nachfrage auf dem Getreidemarkt erfordert jedoch einen weiteren Kapazitätenabbau. Zahlungen diverser Prämien durch die Bundesregierung, die sogenannten Stilllegungsprogramme, tragen darüber hinaus zu Firmenschließungen bei. So stellt die traditionelle Firma Koch & Co 1967 ihren Betrieb endgültig ein, die Rheinischen Mühlenwerke legen ihren Mühlenbetrieb 1969 still, wodurch jedoch die Lagerung von Getreide nicht berührt wird. Anfang der 70er Jahre schließen die Küppers & Werner Mühlenwerke. Dank einer Bürgerinitiative, die 1972 aufgrund damals bestehender Abrisspläne aktiv wird, kann eines der ältesten Speichergebäude, die Küppersmühle, erhalten werden. Heute ist es unumstritten, dass die Duisburger Speicherlandschaft einzigartig für das Rheinland ist, lässt sich doch anhand der bestehenden Speichertypen die historische Entwicklung der Getreidebranche ablesen. Gründerinitiative, wirtschaftlicher Aufschwung aber auch tragische Schicksale spielen eine Rolle in der Firmenchronologie des Innenhafens. Wenn uns heute auch der Name Küppersmühle geläufig ist, so sollte nicht vergessen werden, dass die Küppers Mühlenwerke erst durch die Fusion mit den Werner & Nicola Mühlenwerke im Jahr 1969 am Innenhafen ansässig werden und nur ganze drei Jahre dort tätig sind. Werner & Nicola verdanken es wiederum dem tragischen Konkurs Wilhelm Vedders, der ihnen die Ersteigerung der damals modernsten mit Dampfmaschinen betriebenen Mühle in Westdeutschland ermöglicht. Wilhelm Vedder gehört neben Josef Rosiny, Franz Koch, den Gebrüdern Cohen und Carl Lehnkering zu jenen Gründerpersönlichkeiten, die durch ihre Initiative den Innenhafen zum "Brotkorb des Ruhrgebietes" haben werden lassen. Als Wilhelm Vedder im Jahr 1900 die bestehenden - heute unter Denkmalschutz gestellten - Gebäude errichten lässt, spricht man von einem Maschinenpark, der Zeichen in der Mühlenbranche setzt.

Vedder ist zudem eine lebensfrohe Natur, der auch auf sportlichem Gebiet Rekorde aufstellt. Auf einem Hochrad radelt er ebenfalls im Jahr 1900 bis nach Wien. Dass es trotz florierendem Geschäft zur Zwangsversteigerung der Mühle kommt, ist Folge einer leichtsinnigerweise für einen Freund übernommenen Bürgschaft über 200.000 Reichsmark, wodurch der Mühlenbesitzer wider Erwarten 1912 seine Liquidität verliert. Ein geschichtlich bedingtes Ereignis spielt sich dagegen in aller Stille auf dem Nachbargrundstück in der Speicherzeile ab. 1896 erwirbt Jacob Cohen das Gelände und gründet hier die Rheinischen Mühlenwerke. Seine Söhne, Wilhelm Cohen, damaliger Repräsentant der Industrie und Handelskammer Duisburg-Wesel, und Hugo Cohen, Assessor beim Landgericht Duisburg übernehmen 1919 nach seinem Tod die Mühlenwerke. 1935 wird das Unternehmen in eine offene Beteiligungsgesellschaft umgewandelt, das dazu führt, dass die Gebrüder Cohen zum 3. Januar 1936 ausscheiden und Hermann und Wilhelm Werhahn persönlich haftende Gesellschafter werden. Der Familie gelingt es, wenige Monate nach dem Ausscheiden aus den Mühlenwerken, nach Brasilien zu emigrieren und sie entgeht so einer Deportation, welche andere Duisburger Familien gleichen Namens in den Konzentrationslagern Buchenwald und Auschwitz nicht überleben.

Im Jahr 1955 wird am anstelle des Vorgängerbaus der alten Rheinspedition, im Anschluss an den Stahlsilo, ein Betonsilo errichtet. Für die Unterbringung der zu erweiternden Maschineneinrichtung im neuen Betonsilo ist es notwendig, den Turmaufbau zu vergrößern. Das Silo wird als geschlossener Stahlbetonsilo mit 26 Zellen errichtet. Über den Zellen befindet sich ein 30,10 m höherer Verteilerraum, dessen Umfassungswände aus Ziegelmauerwerk hergestellt sind. Die Lasten der Silozellen werden außen auf die 30 cm starken Kellerwände und innen auf 2 Stützenreihen übertragen. Der Keller ist 3 m hoch und nimmt die Abfüllvorrichtungen und 3 Trogkettenförderer auf.

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Die Küppersmühle nach ihrer Umwidmung
Herzog & De Meuron haben die Küppersmühle bei weitgehender Erhaltung der Tragstruktur so weit entkernt, dass jede zweite Geschossdecke herausgenommen und aus sechs Stockwerken drei wurden. So entstand eine Ausstellungsfläche von knapp 5.000 Quadratmeter, klar gegliedert in 22 hohe Räume, die sie ganz in der Dienst der Kunst stellen. Weiss die Wände, dunkelgrau der Fußboden aus türkischem Basalt, an der Decke zwei schmale Neonröhren, zwischen denen die Belüftung versteckt ist, erhalten sie etwas von dem Charakter einer ehemaligen Fabrik. Wie raffiniert diese Einfachheit ist, erschließt sich erst beim genaueren Hinsehen: Keine Sockel schieben sich zwischen Wand und Boden. Keine Profile stören, keine komplizierten Lichtleitungen finden Platz. Überhaupt wird Technik kaum sichtbar, sondern verschwindet in den Wandkonstruktionen.

Einige der noch erhaltenen Fenster wurden zugemauert, sind aber dennoch präsent. Dann fallen die langen neuen Fensterschlitze auf, die sich unbekümmert über alle Stockwerke ziehen. Das deutet den neuen Inhalt an.


(Auszug aus der Studienarbeit im Lehrgebiet Denkmalpflege RWTH Aachen vom SS 2004.)