1843 am Eigelstein in Köln gegründet, wechselte das Unternehmen zuerst nach Niehl und 1864 an die Deutz-Mülheimer Straße in Deutz. Mit der Umgründung in eine Aktiengesellschaft erfolgte der Schritt zum Großbetrieb. Die heutigen Gebäude entstanden 1908 als mehrgeschossige Randbebauung nach Entwurf von Otto Grah. Ein Flügel der Anlage steht unter Denkmalschutz und wird für Künstlerateliers durch den Verein Kunstwerk e.V. genutzt. (Alexander Kierdorf)
Das Unternehmen Ferd. Kohlstadt & Comp. wurde 1843 am Eigelstein 37 in Köln durch Ferdinand Kohlstadt und Marcus Breuer als Gummiwarenfabrik gegründet. In einer frühen gewerblichen Verwertung des Kautschuks wurde das Material in Fäden geschnitten und zu gewebten Gummibändern und Hosenträger verarbeitet. Seit 1848 wurden vulkanisierte Gummifäden aus England verwendet. In der berühmten Londoner Weltausstellung von 1851 wurden im Kristallpalast auch Hosenträger aus Köln präsentiert.
Mit der Eigenproduktion vulkanisierter Gummifäden entstand 1857 in der Niehler Straße in Nippes eine neue Fabrikanlage. Hier wurden Gummiplatten in Vierkantfäden zerschnitten. Nach einem Bericht der Handelskammer von 1858 wurden 300 arme Frauen und Mädchen beschäftigt.
Die Grundlage zu einer Entwicklung zum Großbetrieb wurde 1872 durch Umgründung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft gelegt. Als Gründer traten die bisherigen Gesellschafter Ferdinand Kohlstadt und Marcus Breuer sowie die damalige Bank für Rheinland und Westfalen auf. Nach Überwindung der auf die Gründerzeit folgende Krise, erlebte die Firma nun unter dem Namen Kölnische Gummiwarenfabrik vorm. Kohlstadt & Comp. in den 1880er Jahren einen deutlichen Aufschwung. 1905 stellte Wilhelm Scheiner die Werksanlage als Bleistiftzeichnung und Aquarell dar.
Nach Beseitigung der Kriegsschäden wurde die Produktion im Mai 1947 wieder aufgenommen. Die Wiederaufbauzeit dauerte bis 1956. An den von Otto Grah errichteten Backsteinflügel von 1908 wurde ein bis zur Deutz-Mülheimer-Straße reichender Stahlbetonbau angefügt.
In den 1950er Jahren erfolgte die vollständige Umstellung der Produktion auf das Verfahren Draemann. Die Prosperität der Wirtschaftswunderzeit spiegelte sich in der Übernahme der „Standart Gummiwerke Baumgarten & Co.“ in Köln-Ossendorf. 1962 waren in dem Unternehmen 1300 Beschäftigte tätig. Doch schon 1972 musste die Produktion nach Konkurs eingestellt werden. Auf dem Gelände wurde das Berufsbildungszentrum der Stadt Köln mit durchschnittlich 600 Jugendlichen und 80 Ausbildern eingerichtet.
1984 übernahm die Klöckner-Humboldt-Deutz AG die Anlage und nach Umsiedlung des Berufsbildungszentrums etablierte sich 1995 in den Gebäuden ein Kunst- und Gewerbehof mit zeitweise 200 Künstlern und 12 Kleinunternehmen. Die Künstler organisierten sich in dem Verein Kunstwerk e.V. (2020: 150 Künstler) und erhielten für den von ihnen genutzten Fabrikflügeln einen bis 2033 befristeten Pachtvertrag.
2015 erwarb die CG Gruppe das insgesamt 4,3 ha große Gelände zwischen Zoobrücke, der ICE-Trasse im Westen und der Deutz-Mülheimer Straße im Osten. Nach einem Architektenwettbewerb entstand ein Entwurf für ein Projekt mit einer Mischnutzung aus Wohnen, Arbeiten, Gastronomie und Kultur unter dem Namen 'Cologneo I'.
Es handelt sich um einen dreigeschossigen Backsteinbau mit Kellergeschoß und flachgeneigtem Pultdach. Dominant wirken in der Fassadengliederung die gebäudehohen, mehrfach gestuften Wandvorlagen zwischen den Fensterachsen. Die großen rechteckigen Fensteröffnungen mit weitgehend erhaltenen kleinteiligen Metallsprossenfenstern werden mittig durch einen in Ziegeln gemauerten Fensterstock unterteilt. Das Kellergeschoß wird über einen schmalen Graben belichtet.
Im Inneren wird das Gebäude durch zwei großzügige Treppenhäuser erschlossen. Durch die Treppenaugen konnten Maschinenteile und Material in die Stockwerke gelangen. Treppen und Decken sind aus Beton. Die Decken lagern auf einer Mittelreihe Stahlstützen und in Gebäudelängsrichtung darüber verlaufenden Hauptunterzügen. Darauf liegen in enger Reihung Doppel-T-Träger mit dazwischen gespannten Betonplatten. Die Betonplatten sind an den Längsseiten gekehlt und erinnern im Erscheinungsbild entfernt noch an gemauerte Kappendecken des 19. Jahrhunderts.
Als Ferdinand Kohlstadt und Marcel Breuer 1843 die Gummifädenproduktion aufnahmen, hatte diese Branche noch keine lange Vergangenheit. 1803 hatte es eine erste Fabrik zur Herstellung elastischer Bänder für Hosenträger, Strumpfbänder und dergleichen in Paris gegeben und in England ist seit etwa 1820 die Herstellung von Gummifäden durch Nadler überliefert. Die erste deutsche Gummiwarenfabrik entstand 1829 in Finsterwalde bei Berlin durch Francois Fonrobert. Zentren der neuen Industriebranche waren Hamburg, Hannover, Thüringen und das Rheinland. In Köln dominierte die 1862 gegründete Rheinische Gummiwarenfabrik von Franz Clouth in Nippes. Insgesamt gab es damals in Deutschland nur 36 Gummifabriken mit 1788 Beschäftigten. Die Fa. Ferd. Kohlstadt & Comp. kann als eine der frühen Gummifabriken in Deutschland eingestuft werden. Auch wenn aus der Frühzeit des Unternehmens keine bemerkenswerten baulichen Zeugnisse überliefert sind, dokumentiert der Standort Geschichte und Entwicklungsprozeß in der Gummiindustrie. Typisch an diesem Prozess und für die Stadtgeschichte Kölns ist die Entstehung des Unternehmens in kleinen, innerstädtischen Dimensionen, die Randwanderung in die Vororte und dort nach Umgründung in eine Aktiengesellschaft die Entwicklung zum Großbetrieb.
Von außerordentlicher Prägnanz im rechtrheinischen Stadtbild sind die nach 1908 errichteten Großbauten der Werksanlage. Sie stehen heute am südlichen Rand des Industriegebiets zwischen Deutz und Mülheim, markieren damit dessen Anfang und Ende und sind daher auch von städtebaulicher Bedeutung.
Besonders die Berliner Industriebauten dieser Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg waren durch eine prägnante Pfeilerarchitektur geprägt, die anfangs noch historistisch orientiert war und stark an die Stützpfeiler mittelalterlicher Bauten erinnerte, doch dann unter dem Einfluss von Peter Behrens mit seinen epochalen AEG-Bauten sich von den historischen Vorbildern löste. Hans Hertlein machte die Pfeilerarchitektur zu einem Markenzeichen des von ihm in den 1920er Jahren entwickelten Siemensstils. Im Rheinland sind Bauten und Entwürfe von Wilhelm Kreis, Paul Bonatz, Peter Behrens und Emil Fahrenkamp von dieser Formensprache beeinflusst. In diesen Zusammenhang lassen sich die von Hans Groh geschaffenen Bauten für die Kölnische Gummifädenfabrik einordnen.
Kunstwerk e. V.
CG Gruppe Kölner Projekte
Dari Deutschlands Städtebau, Berlin 1922, S. 176
Ortstein, Katrin: Hansi, Frau Reckenthäler und das Kunstwerk – oder was ist der Kunst- und Gewerbehof Deutz?, Aachen o. J.
Rompf, Reinhold: 1857-1957. Kölnische Gummifäden. Festschrift zur 100. Wiederkehr des 1. Juni 1857, Köln 1957
Wieger, Handbuch von Köln, Köln 1925 S. 554f
Historische Museen der Stadt Köln. Kölnisches Stadtmuseum (Hg.): Jacob und Wilhelm Scheiner. Bilder zur Kölner Stadtentwicklung zwischen 1872 und 1922, Köln 1978 , S. 134
Klein-Meynen, Dieter/ Meynen, Henriette/ Kierdorf, Alexander: Kölner Wirtschafts-Architektur. Von der Gründerzeit bis zum Wiederaufbau, Köln 1996, S. 42
Erker, Paul: Vom lokalen Gummiwarenproduzenten zur globalen Zulieferbranche, in: Giersch, Ulrich/ Kubisch, Ulrich: Gummi. Die elastische Faszination, Berlin 1995, S. 371