Rheinische AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation
Konrad-Adenauer-Ufer 55-71




Alexander Kierdorf
Rheinische AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation (RAG)

Geschichte

Das heute – mit umfangreichen Ergänzungen - als Altenheim Vincenzhaus betriebene Gebäude in prominenter Lage am linken Kölner Rheinufer nördlich bzw. unterhalb der Hohenzollenbrücke war jahrzehntelang das unternehmerische Zentrum der rheinischen Braunkohleindustrie. Der unter anderem von Paul Silverberg vorangetriebene Ausbau der Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohlebergbau und Brikettfabrikation (RAG) zur dominierenden Gesellschaft des Rheinischen Braunkohlereviers führte um 1900 zur Verlegung des Unternehmenssitzes von Brühl nach Köln. Nach der Jahrhundertwende steigerte sich die Förderung und Verarbeitung von Braunkohle durch den Bau erster Großkraftwerke „auf der Kohle“, durch die Nutzung preiswerten Braunkohlestroms für die Kriegswirtschaft, unter anderem die Sprengstoff- und Aluminiumproduktion sowie die Düngemittelherstellung im Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg erlebte die Braunkohle durch den Ersatz von als Reparation anzuliefernder Steinkohle und der mit ihr erzeugten elektrische Energie einen weiteren Aufschwung. Der schnelle, geradezu schwindelerregende Anstieg der Bedeutung des einheimischen Energierohstoffes und seine massenhafte Förderung mit immer neuen technischen Hilfsmitteln wirkte sich auf den Umfang der Verwaltungen und das Selbstbewusstsein der Unternehmer aus. Neben dem Braunkohlen-Syndikat (Verlinkung Objekt Nr. 07) machte der frühe und schnelle Bau des RAG- bzw. späten Rheinbraun-Hauses in den Jahren 1921/22 diese Entwicklung unübersehbar.

Aus einem bereits 1914 veranstalteten Wettbewerb für die neue Hauptverwaltung der RAG ging Heinrich Müller-Erkelenz als Sieger hervor. Der schon vor dem Ersten Weltkrieg in Köln etablierte Architekt entfaltete mit seinem vielköpfigen Büro eine umfangreiche Tätigkeit weit über die Stadt hinaus. Bauaufgaben der Industrie bis hin zu Werkssiedlungen spielten in dem Büro Müller-Erkelenz eine bedeutende Rolle.

Müller-Erkelenz setzte auf das Eckgrundstück einen zum Rhein hin orientierten Großbau, der Vergleiche mit Vorbildern der Baugeschichte wie dem Augsburger oder dem Amsterdamer Rathaus nahelegt. Damit verbunden waren und sind Assoziationen mit Bauten des Handelsbürgertums sowie mit der Backsteinarchitektur des Niederrheins, denn im Unterschied zum Augsburger Rathaus dominieren den Neubau Backstein und Werksteinelemente. Zudem konzentrierte Müller-Erkelenz sich trotz der Breite des Baus ganz auf den Mittelrisaliten, den er wie ein ins Gigantische vergrößertes, giebelständiges Bürgerhaus behandelte. Die Verwendung von Backstein auch als Fassadenmaterial war im Zuge des von der Reformbewegung angestoßenen Interesses für regionale Bauströmungen und -traditionen am Niederrhein wie im Münsterland schon um 1910 wieder beliebt geworden. Neben Müller-Erkelenz gehörte Hermann Pflaume d.J. zu den Ersten, die wieder mit Sichtbackstein bauten, nun in Kombination mit spätbarocken Formen.

Dem niederrheinischen Barock entlehnte auch Müller-Erkelenz die Motive seiner neuen Fassade: Das zentrale, über zwei Geschosse reichende Portal wird von zwei Doppelsäulen gerahmt, die einen Balkon mit Schmuckgitter tragen. Die (ursprünglich) drei Geschosse des über sieben Achsen reichenden Giebelaufsatzes – von ihm sind weitere Entwurfsvarianten bekannt – werden horizontal durch Gesimse und durch Eckaufsätze mit Voluten auf den stufenweisen Rücksprüngen gerahmt. Den Abschluss bildete auch ursprünglich ein flacher Dreiecksgiebel.

Der Giebel wurde nach Kriegszerstörung in gekürzter und vereinfachter Form mit zwei konkaven Schwüngen und einem flachen Dreiecksabschluss wieder aufgebaut, dabei auch die Dachhöhe verringert.

Rechts und links vom Mittelrisalit dominiert die axialer Folge der großen Fenster. Das vierte Obergeschoss ist bei gleichen Fenstergrößen auf Sohlbankhöhe als Mezzanin abgesetzt und nimmt die oberen Abschlüsse der Vorlagen auf. Dem entsprechen weitgehend die Seitenfassaden, insbesondere auch die weit in den Thürmchenswall hineinreichende östliche Fassade, die mit Hilfe von zwei flachen Werkstein-Erkern der kleinteiligen Wohnbebauung der Straße schrittweise angenähert wird.

Im Grundriss stellt sich das RAG-Haus nach dem Wiederaufbau als winkelförmiger Bau dar (ursprünglich gab es wohl vier Flügel um einen Innenhof), dessen Seitenflügel entlang dem Thürmchenswall jedoch in Breite und Höhe dem Frontbau untergeordnet ist. Im Foyer liegt auf der Südseite die Haupttreppe, die ähnlich wie bei Rathäusern zur „Beletage“ mit den Empfangs- und Sitzungsräumen führt.

Die Haupttreppe aus dunkler, barock gestalteter Holzschnitzarbeit erinnert aber auch an die Hauptstücke der nordeuropäischen Kaufmannsdielen, von denen bis zum Zweiten Weltkrieg auch in Köln mehrere Beispiele erhalten waren. Im gesamten Sockelbereich, der außen deutlich abgesetzt und mit Rundbogennischen und eingestellten Fenstern versehen ist, waren neben einem Speisesaal die Dienstwohnungen für Hausmeister, Maschinist und Fahrer und zeitweise auch die Büroräume der Clarenbach-Aktiengesellschaft untergebracht.

Die Foyerausstattung sowie zahlreiche Details der aufwendigen Innenausstattung überlebten glücklicherweise den Krieg sowie nachfolgende Purifizierungswellen und sind bis heute im Vincenzhaus erhalten.



Literatur

• 100 Jahre Klöckner-Humboldt-Deutz AG-Köln 1864-1964 (Broschüre) rwwa 515.3

• Franz, W.: Fabrikbauten = Handbuch der Architektur T. 4, H.5, Leipzig 1923(mit Bauten von Humboldt)

• Goldbeck, Gustav: Kraft für die Welt. 1864-1964 Klöckner-Humbold-Deutz AG, Düsseldorf/Wien 1964

• Scherz, F.: Gebäude für gewerbliche Zwecke, in: Köln und seine Bauten. Festschrift zur VIII. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine, Köln 1888 S. 754-806

• Köln. Seine Bauten 1928-1988, hg. Vom Architekten- und Ingenieurverein Köln e. V. in Zusammenarbeit mit FH Köln, Köln 1991

• KHD Humboldt Wedag GmbH(Hg.): 150 Jahre KHD Humboldt Wedag 1856-2006, Köln 2006(Eigenverlag)
• Krüger, Falk: Halle Kalk. Schauspiel Köln, RWTH Aachen, Seminararbeit SS 2003

• Kuske, B.: Eugen Langen, in: Rh.-Westf. Wirtschaftsbiographien, Bd. 1, Münster 1932, S. 264-297

• Landeskonservator Rheinland (Hg.): Denkmalverzeichnis 12.6 Köln. Stadtbezirke 7 und 8 (Porz und Kalk), Köln 1980

• Maschinenbauanstalt Humboldt in Kalk bei Cöln, in: Schütz, J. H.: Praktische Sozialpolitiker aus allen Ständen vom Throne bis zur Werkstätte, vom Palast bis zur Hütte, Köln 1906 (1. Auflage), S. 164-169 (Staa Kö Dd 672,1)

• Meynen, Henriette: Entwicklung der Industriearchitektur in Kalk, Köln 1991 (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln Hg. Stadtkonservator Köln, Bd. 7)

• Muthesius, Volkmar: Peter Klöckner und sein Werk, Essen 1959

• Oepen-Domschky, Gabriele: Kölner Wirtschaftsbürger im Deutschen Kaiserreich. Eugen Langen, Ludwig Stollwerck, Arnold von Guilleaume und Simon Alfred von Oppenheim, Köln 2003 (Schriften zur Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsgeschichte Bd. 43, zugl. Diss. Duisburg 2000)

• Pohl, Stefan/ Mölich, Georg: Das rechtsrheinische Köln. Seine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, Köln 1994

• Reuß, Hans-Jürgen: Die Entwicklung der Klöckner-Humboldt-Deutz AG von 1930 bis 1964, Köln 1977, in Rechtsrheinisches Köln, Bd. 3, S. 173-178

• Reuß, Hans-Jürgen: Die Vorläuferfirmen der Klöckner-Humboldt-Deutz AG von 1864-1930, Rechtsrheinisches Köln, Bd. 2, Köln-Porz 1976

• RWWA(Hg.): Kölner Unternehmer und die Frühindustrialisierung im Rheinland und Westfalen(1835-1871), Köln 1984

• Wieger, Hermann: Handbuch von Köln, Köln 1925, S. 539