Um die Wende zum 20. Jahrhundert entwickelte sich die mechanische Abwasserreinigung, die sich vor allem in Deutschland, aufgrund der großen Wassermengen von Vorflutern wie Elbe und insbesondere Rhein, stark durchsetzte. Hauptziel hierbei war eine ästhetische Reinigung des Abwassers vor dessen Einleitung in ein großes Fließgewässer. Dabei spielten ästhetische Fragen und erste Umweltschutzgedanken eine genauso große Rolle, wie die Belastung der flussab liegenden Abschnitte und Gemeinden die den Fluss auch als Trinkwasserquelle nutzten, aber auch die Bedeutung für die Fischerei. Zu den mechanischen Reinigungsverfahren zählte insbesondere der Einsatz von Rechen, die nach dem Prinzip einer Harke funktionieren und Schmutzstoffe aus dem Wasser entfernen. Es wurde auch mit rotierenden Sieben oder dem Einsatz von Absetzbecken, in denen die Fließgeschwindigkeit so weit reduziert wird, dass sich Schwebstoffe am Boden absetzen können, experimentiert.
Im Krefelder Klärwerk wurde das Abwasser mit einem Siebbandrechen fein gereinigt, die feingliedrigen Rechenzinken hatten hier 6mm Abstand. Die Art des mechanisch angetriebenen Rechens zur Aufnahme des groben Klärgutes sind heute noch in allen Kläranlagen weltweit als erste von mehreren Reinigungsstufe im Einsatz. Kein Exemplar der historischen mechanischen Rechen ist erhalten, aber er ist anhand von Zeichnungen und eingereichten Patenten gut dokumentiert.
Einordnung in regionale Infrastrukturprojekte der Industrialisierung
Das Krefelder Klärwerk zeugt davon, dass die Stadt Krefeld Anfang des 20. Jahrhunderts ihre wirtschaftlich schwierig gewordene Lage in der Seiden- und Tuchindustrie durch die Investition in weitreichende Infrastrukturprojekte und Ansiedlung neuer Gewerbe überwinden wollte. Unter der Leitung von Stadtbaurat Beigeordneter Hubert Hentrich wurde diese Ziele dann auch zielstrebig und mutig in Angriff genommen. Zu den ambitionierten Projekten zählten der Bau eines eigenen neuen Industriehafens samt Drehbrücke, städtischen Lagergebäuden direkt am Rhein, einer stadteigenen Eisenbahn als früher bimodaler Übergabepunkt Schiene / Wasser und dem Anschluß des Hafens an die im Hinterland gelegene Stadt, der Bau des Krefelder Hauptbahnhofs (1907) mit der Hochlegung der Gleiswege zur Entflechtung und Optimierung des Verkehrs aber auch das Klärwerk und ein neuer Auslasskanal zum Rehin.
Im Klärwerk mussten sowohl die Abwässer der gesamten Stadt, als auch des neuen Industriehafens und zukünftiger dortiger neuer Gewerbe aufgenommen werden können. Parallel und hintergründig dazu verfolgte Hubert Hentrich, ausgewiesener Wasserbauingenieur und Experte für Kanalprojekte, im Namen der Stadt ehrgeizige Pläne für den Rhein-Maas-Schelde Kanal von Krefeld bis Antwerpen weiter, der Krefeld zu einem wichtigen Drehkreuz des nationalen und internationalen Güterverkehrs machen sollte. Das moderne und leistungsfähige neue Klärwerk der Stadt wurde daraufhin für bis zu 450.000 Einwohner-Gleichwerte ausgelegt, obwohl Krefeld zu Baubeginn gerade mal 110.000 Einwohner zählte.