Anna II | Fördergerüst & Schachthalle des Eduardschachtes
Alsdorf
Walter Buschmann
Fördergerüst & Schachthalle des Eduardschachtes, von 1930|31


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Historisches Foto um 1931 nach der Schlagwetterkathastrophe.
Das nach der Schlagwetterkatastrophe vom 21.10.1930 bis zum Mai 1931 durch die EBV-Hüttenabteilung in Eschweiler erneuerte Gerüst ist ein eingeschossiges deutsches Strebengerüst in Fachwerkbauweise für Doppelförderung mit vier nebeneinanderliegenden Seilscheiben. Das Gerüst hat bis zur Seilscheibenbühne eine Höhe von 34,65 m, ist für eine Belastung von 260 t, einen Förderbetrieb mit vieretagigen Förderkörben und für eine Teufe von 1000 m konstruiert. Die vier Seilscheiben haben Durchmesser von 5,0 m. Die kastenförmig ausgebildeten Streben sind abweichend von der üblichen Konstruktionsart untereinander nicht durch K-Fachwerk ausgesteift, sondern nur über horizontale Riegel miteinander verbunden. Die Streben entwickeln sich punktförmig aus den Fundamenten heraus, weiten sich kontinuierlich auf und laufen unterhalb der Seilscheibenträger zusammen. Zwischen Streben und Führungsgerüst vermitteln fachwerkartig ausgeführte Seilscheibenträger, die zugleich eine Bühne tragen, auf denen die vier Seilscheiben lagern. Das Führungsgerüst ist in allen Feldern mit Diagonalstäben ausgesteift, die zu Andreaskreuzen geformt sind. Das Gerüst ruht 2,3 m unter der Rasenhängebank auf Schachtträgern in Vollwandbauweise mit einer Flanschhöhe von 1,5 m.

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Fördergerüst. Foto 1993
Das Fördergerüst des Eduardschachtes steht in der Tradition einer Konstruktionsart, die 1874/75 von dem Ingenieur Promnitz entwickelt wurde und als deutsches Strebengerüst in die Literatur einging. Diese Fördergerüstkonstruktion wurde sehr zahlreich in den deutschen Bergbaurevieren verwirklicht. Zur Jahrhundertwende gab es Bemühungen, die Konstruktionen der Gerüste so zu ändern, daß sie statisch besser und genauer zu berechnen waren. Die 1899 patentierte Bauart Zschetsche zielte darauf ab, die Gerüstkonstruktionen zu statisch bestimmbaren Dreigelenksystemen zu entwickeln (Schönberg, 1971, S. 299 ff.). Wesentlicher Bestandteil des Patents war eine spezifische Ausformung der Streben, wie sie auch für das Gerüst des Eduardschachtes zur Anwendung kam. Da nur wenige Exemplare dieses Fördergerüsttyps erhalten sind, ist das Gerüst des Eduardschachtes ein wichtiges Dokument für die Entwicklung der Stahlbaukonstruktionen im Allgemeinen, für die Geschichte der Seilscheibenstützkonstruktionen im Bergbau und für die Geschichte des Bauingenieurwesens. Historische und aktuelle Fotos verdeutlichen immer wieder den ästhetischen Reiz, die speziell diese Gerüstkonstruktion mit ihren elegant aus dem Boden emporwachsenden Streben auf den Betrachter ausübt.

Die gleichzeitig mit dem Fördergerüst 1930/31 durch die EBV -Hüttenabteilung gebaute Schachthalle ist eine Stahlskelettkonstruktion mit vorgehängten Stahlfachwerkfassaden. Das Stahlfachwerk mit längsrechteckigen Gefachen und ursprünglich horizontalen Fensterbändern orientiert sich an Bauformen, die von den renommierten Industriearchitekten Fritz Schupp und Martin Kremmer besonders im Ruhrgebiet zur hohen Blüte entwickelt wurden. Diese Bauweise galt gerade für den Bergbau als besonders geeignet, weil die Erschütterungen aus dem Förderbetrieb durch die Konstruktion flexibel aufgefangen werden konnten. Innerhalb der Schachthalle wurden auf der Hängebank die vieretagigen Förderkörbe durch den Anschläger beschickt und entleert. Fördergerüst und Schachthalle sind technik-, architektur- und sozialhistorisch von Bedeutung. Sie erinnern zudem an die Schlagwetterexplosion von 1930 - eine der größten Katastrophen im deutschen Bergbau.