Theodor-Heuss-Brücke
Düsseldorf, Bundesstraße 7
Walter Buschmann
Theodor-Heuss-Brücke


Geschichte

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Düsseldorfer Brückenfamilie. Foto: 1980
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Zeichnungen der Düsseldorfer Brückenfamilie
Der Wiederaufbau vieler Rheinstädte nach dem Zweiten Weltkrieg hing stark mit der Reparatur oder dem Neubau von Brücken über diese mächtigste Wasserstraße Europas zusammen. In Düsseldorf war 1950/51 die Südbrücke für 12 Millionen DM wieder erneuert worden. Im gleichen Jahr legte die Bauverwaltung basierend auf Zählungen, Untersuchungen und Prognosen die Denkschrift „Brücken für Düsseldorf“ dem Rat und der Öffentlichkeit vor. Der Bau einer Nordbrücke, der späteren Theodor-Heuss-Brücke sowie der Rheinknie-Brücke war in dieser Denkschrift klar angesprochen. Beide Brücken sollten die zentralen Stadtbezirke von Düsseldorf „umarmen“ und die Stadt wieder stärker mit dem Fluss verbinden. Die städtische Bauverwaltung bevorzugte als Erstbauwerk die Rheinkniebrücke. Das Land setzte sich jedoch mit der Forderung durch, zuerst mit der Nordbrücke zu beginnen, da diese Brücke auch dem Fernverkehr diene. 1952 erfolgte dann der Grundsatzbeschluß im Rat zum Bau der Nordbrücke. Erst 1958 wurde der Neubau der Oberkassler Rheinbrücke beschlossen (Ausführung 1971-76), nachdem zuvor schon die Rheinkniebrücke entstanden war (1965-69). Damit war ein Brückenbauprogramm vollendet mit Brücken auf Sichtweite nach dem stets gleichartigen Prinzip der Schrägseilkonstruktion aber mit interessanten Abweichungen in Bauweise und Detail. Die Nord- oder Theodor-Heuss-Brücke war das Pionierbauwerk dieser eindrucksvollen Brückenfamilie. Hier wurden die technischen und ästhetischen Grundlagen entwickelt.


Lage

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Lageplan des Brückenkomplexes von 1958
Schon im Jahr vor der Denkschrift von 1951 wurde nach einem geeigneten Standort der Nordbrücke gesucht. Bevorzugt wurde aus städtischer Sicht eigentlich eine Lage in engerer Nachbarschaft zum Zentrum. Zur besseren Anbindung an den rechtsrheinischen Fernverkehr kam es dann aber zur Wahl der dann realisierten nördlicheren Position. Gewählt wurde eine für das rechtsrheinische Stadtbild spektakuläre Position zwischen zwei 10-geschossigen Wohntürmen der 1920er Jahre an der Uerdinger- und Kaiserswerther Straße. Mit ihrer aus den Forderungen des Schiffsverkehrs auf dem Rhein resultierenden Bauhöhe musste die Brücke an beiden Ufern über Anschlussbauwerke mit dem übrigen Straßennetz verbunden werden. Linksrheinisch entstand folgend auf die Flutbrücken und die Deichstraßenbrücke ein Fahrbahndamm, rechtsrheinisch zwischen den beiden Wohntürmen eine Hochstraße mit Rampenbauwerk. Die hochwertige städtebauliche Situation erforderte hier als baulich-technische Antwort eine Anlage, die in Form und Abmessungen eine Beeinträchtigung des Stadtbildes zu vermeiden hatte.


Wettbewerb

Friedrich Tamms, einer der für den Brückenbau verantwortlichen städtischen Beigeordneten, spricht in der 1958 publizierten Dokumentation zur Entstehung der Nordbrücke Düsseldorf von einem dem Brückenbau vorausgegangenen Wettbewerb. Gewählt wurde ein Bieterverfahren mit sehr starken Vorgaben durch den Auslober und einer abschließenden „Jury-Sitzung“ durch den Rat der Stadt Düsseldorf. Als Vorlage war unter Leitung von Friedrich Tamms ein Verwaltungsentwurf für eine Schrägseilbrücke entstanden. Tamms wollte ausdrücklich eine deutlich von den Hängebrücken abweichende Form verwirklichen, also keine Portale für die Pylone, sondern Einzelstützen mit Portalriegeln unter der Fahrbahn. Zudem gab Tamms das Harfensystem mit parallel geführten Seilen statt der am Kopf zusammengeführten Kabelbündel vor. Zusätzlich konnten die Bieter auch Sonderformen vorschlagen, allerdings nur mit einen Entwurf je Angebot. Viel Zeit wurde den Bietern für ihre Vorschläge nicht eingeräumt: am 1. 10. 1952 erfolgte die Ausschreibung, schon am 3. 12. nach nur zweimonatiger Bearbeitungszeit war die Submission. Die Verwaltung prüfte dann die 15 Angebote eingehend und unter Zuziehung von Fachleuten für Sonderfragen. Elf Bieter hatten die Möglichkeit für Sonderentwürfe genutzt, allerdings meist nur als Abwandlung des Verwaltungsentwurfs und unter Beibehaltung des Schrägseilprinzips. Acht Entwürfe wurden dann für die Entscheidung im Rat ausgewählt. Unter diesen Entwürfen waren auch eine Bogenbrücke und eine Mischform aus Hänge- und Schrägseilkonstruktion. In der Ratssitzung am 31. 8. 1953 konnten die Firmenvertreter ihre Vorschläge vorstellen. Aus Rede und Gegenrede zwischen Bietern und Verwaltung wurde den Ratsmitgliedern die Möglichkeit zur Meinungsbildung ermöglicht. Die Entscheidung fiel zugunsten der schon von Tamms und der Verwaltung vorgeschlagenen Brückenform: Schrägseilprinzip – Harfenform – zwei frei stehende Brückenpylone. Die Auftragsvergabe erfolgte an eine Arbeitsgemeinschaft mit den renommiertesten Brückenbaufirmen Deutschlands unter gebührender Berücksichtigung lokaler Unternehmen: Hein, Lehmann & Co./ Düsseldorf; GHH/ Oberhausen, Demag/ Duisburg, MAN/ Mainz-Gustavsburg, Dortmunder-Union/ Dortmund, Eikomag/ Düsseldorf und drei Berliner Stahlbaufirmen unter Federführung von Hein, Lehmann & Co./Düsseldorf.

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Totale des Brückenzuges, Systemskizze.
Auch die linksrheinische Flutbrücke war Gegenstand des Bieterverfahrens. Hier wurde unter 17 Angeboten der Vorschlag einer seilunterspannten Verbundkonstruktion gewählt und der Auftrag an eine Arbeitsgemeinschaft aus Neußer Eisenbau und Demag/ Duisburg vergeben.

Die Brücke entstand in den Jahren 1953 bis 1957. Als Architekt für Planung und Gestaltung, ist Friedrich Tamms zu nennen. Beteiligt waren als externe Gutachter Karl Schaechterle, Fritz Leonhardt und Louis Wintergerst. Ebenso gab es innerhalb der Düsseldorfer Verwaltung Beteiligte: der Beigeordnete Franz Schreier und für die Bauleitung Oberbaurat E. Beyer.

Die Brücke gliedert sich in drei Teile: rechtsrheinische Hochstraße mit Rampenbauwerk, Strombrücke und linksrheinische Flutbrücke mit Deichstraßenbrücke bis zum anschließenden Fahrdamm. Maßgeblich für das Gesamtbild der Brücke und für das Panoramabild der Stadt ist die eigentliche Stromquerung mit der dominanten Schrägseilkonstruktion.


Strombrücke

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Strombrücke. Foto: 2012
Die Brücke überspannt den Rhein und die direkt anschließende rechtsrheinische Partie in drei Öffnungen mit 108, 260 und 108 Metern Spannweiten. Hauptelemente sind die End- und Mittellager, Pylone, Seile und der Brückenbalken als Unterbau für die Fahrbahnen.

Die Pylone sind über den Mittellagern 41 Meter hoch. Die geschweißten und genieteten Kastenprofile verjüngen sich mit zunehmender Höhe. Verbunden sind die Pylone mit einem Riegel unter dem die Fahrbahn tragenden Brückenbalken.

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Übergang zur Strombrücke. Foto: 2012
> Statt der Büschelform sind die Tragseile in Harfenform mit den Pylonen verbunden. Die Tragseile, auch Kabel genannt, bestehen aus Seilbündeln mit sieben für die unteren und mittleren Kabel und zehn Einzelseilen für die oberen Kabel. Es handelt sich um patentverschlossene Seile, deren Zwischenräume mit Zementmörtel gegen Korrosion verpresst wurden. Zusätzlich sind die Kabel mit geschlossenen Blechkästen umhüllt. Die oberen Seile wurden von der Westfälischen Union, Werk Lippstadt geliefert, die unteren Seile von HOAG/ Gelsenkirchen.

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Tragkonstruktion. Foto: 2012
Der über vier Stützen laufende Brückenbalken besteht aus zwei schlanken Kastenprofilen, die untereinander durch Querscheiben verbunden sind und mit der Fahrbahnplatte zu einer drillsteifen „orthotropen“ Gebilde vereint ist. Der Brückenbalken ist am rechtsrheinischen Pfeiler eingespannt und ruht bei den anderen drei Pfeilern auf Linienkipplagern. An die Kastenprofile sind beidseitig als Kragkonstruktion die Geh- und Radwege als Betonrippenplatten angefügt. Diese Kragkonstruktionen werden in der Ansicht mit schlanken Randblechen verblendet. Darüber sind einfache Stabgeländer zur Sicherung des Fuß- und Radfahrerverkehrs montiert. Zwischen den Kastenträgern ermöglicht ein Besichtigungswagen Kontrollfahrten.

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Strombrücke. Foto: 2012
Die gesamte Stahlkonstruktion wurde nach intensiven Überlegungen in einem dunklen Anthrazit gestrichen. Der rote Farbton des Mennigeanstrichs konnte nicht bleiben. Rot hätte die Brücke auch zu schwer gemacht. Ein grüner Anstrich schied aus, weil dieser Farbton für die Kölner Brücken seit den 1920er Jahren gewählt wurde und grün zudem dem angrenzenden Wiesen- und Baumlandschaft vorbehalten bleiben sollte. Gelb und Blau erschien zu eigenwillig. Anthrazit sollte die Leichtigkeit der Brückenkonstruktion unterstreichen. Farblich abgesetzt wurde dagegen in weiß der rund 1000m lange Rand- und Begrenzungsstreifen unter dem Brückengeländer. Damit sollte die Eleganz und „Rassigkeit“ der Brücke und der „schwerelose Sprung von Ufer zu Ufer“ verdeutlicht werden.


Linksrheinische Flutbrücke

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Linksrheinische Flutbrücke. Foto: 2012
Die Flutbrücke überspannt als durchlaufender Balken die linksrheinischen Wiesen mit sechs Öffnungen von je 72 Meter Spannweite und einer Gesamtlänge von 432 Meter. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde ein Verbundquerschnitt gewählt, bei der die Fahrbahnplatte aus vorgespanntem Beton zugleich der Obergurt für die darunter liegenden vier Hauptträger ist. Die in Längsrichtung gespannten Hauptträger sind untereinander mit Querverbänden in Fachwerkkonstruktion verbunden. Der Pfeiler an der Deichstraße ist als Endwiderlager ausgebildet. Die Deichstraße wird mit einer schlanken Stahlbetonbalkenbrücke überspannt.


Pfeiler

Alle Brückenpfeiler für Strom- und Flutbrücke sind im Querschnitt leicht oval ausgebildet und mit Granit verkleidet. Um ein möglichst belebtes Bild zu erreichen, wurden rote Granitsteine in mehreren nach blau und gelb changierenden Farbschattierungen gewählt.


Rechtsrheinische Zubringer und Rampenbauwerk

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Rechtsrheinische Hochbrücke. Foto: 2012
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historisches Foto der Rechtsrheinischen Hochbrücke von 1958
Für den rechtsrheinischen Zubringer mit Überbrückung der Cecilien Allee und der Kaiserwerter Straße entstand eine rund 333 Meter lange Hochstraße am Ostufer. Die Hochstraße ist ein Betonbauwerk aus zwei symmetrisch zur Mittelachse angeordneten Hohlkästen (br = 4,7m) und schmalen Querträgern aus Beton im Abstand von 2 Metern. Hohlkästen als Längs- und die schmalen Querträger bilden einen Trägerrost von großer Steifigkeit. Dieser als Durchlaufbalken konstruierte Trägerrost ruht auf zwei Pfeilerreihen mit schlanken Betonstützen von leicht elliptischem Querschnitt. Die Hochbrücke wurde wegen der Vielzahl stützender Pfeiler schon in der Dokumentation zur Fertigstellung der Brücke 1958 als Tausenfüßler bezeichnet.

An dieser Hochstraße schließt sich mit rund 251 Meter Länge, beginnend etwa an der Kreuzung Uerdinger Str./ Kaiserwerterstraße ein in Richtung Nordfriedhof mit trompeterartiger Verbreiterung auslaufendes Rampenbauwerk an.

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Auffahrtsspirale. Foto: 2012
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Treppenaufgang. Foto: 2012
Mehrfach wird der Zubringer durch Fußgänger-/ Radfahrerrampen und –treppen mit dem tiefer liegenden Straßenniveau verbunden. Wie großformatige Raumplastiken verbinden an der Cecilien Allee im Grundriß ovalförmig gestaltete Auffahrtsspiralen Straßen- und Brückenniveau. Aufwändig sind die Aufgänge östlich der kreuzenden Kaiserswerther Straße gestaltet mit freitragenen Zugangstreppen zu den hier an beiden Rampenseiten angeordneten Bushaltestellen. Die Haltestellen sind über Reihen schlanker Stützen wie Emporen an den Zubringer angefügt. Auf Straßenniveau sind im Kleinbasaltpflaster bauzeitliche Sternformen aus weißen Steinen eingestreut.

An den vertikalen Oberflächen wird das gesamte Zubringer- und Rampenbauwerk geprägt durch eine Verblendung mit grob gefrästen Basaltlavaplatten (5cm stark) und den Ortbetonansichten für Untersichten sowie Treppen und Fußgänger-/ Radfahrerrampen. Die im Bild der Ortbetonteile deutlich auszumachende Schalung bestand aus gleich breiten, gehobelten und mit Spezialfalzen versehenen Brettern. Die Bretter wurden generell in Querrichtung angeordnet. Die Kanten des Betons wurden gebrochen, Kehlen ausgerundet.

Zubringer und Rampenbauwerke sind wie die Strom- und Flutbrücken mit einfachen Metall-Stabgeländern versehen.

Die ganze Brücke wurde mit überwiegend noch vorhandenen 9m hohen Peitschenleuchten bestückt.


Bedeutung

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historisches Foto von ca 1960
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historisches Foto der Rechtsrheinischen Hochbrücke von 1958
theodor-heuss-bruecke
historisches Foto der Rechtsrheinischen Hochbrücke von 1958
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historisches Foto der Kastenträger vor dem Aufsetzen des Deckblechs von 1958
Die Theodor-Heuss-Brücke ist bedeutend für die Geschichte des Menschen. Schon immer waren Brücken und insbesondere Großbrücken über die breiten Ströme in aller Welt Ausgangspunkt für Innovationen in der Bautechnik, Innovationen, die generell in der Architektur und im Bauingenieurwesen grundlegende Bedeutung hatten. Bei der Theodor-Heuss-Brücke sind besonders zwei Aspekte der Konstruktion hervorzuheben: das Schrägseilsystem und die Ausbildung des Brückenbalkens als orthotrope Platte.

Das Prinzip der Schrägseilkostruktionen hat eine lange Tradition und geht zurück auf damals noch mit Ketten abgespannte Holzbalkenbrücken, die im 17. Jahrhundert zumindest auf dem Papier schon existierten. Der venezianische, aus Dalmatien stammende Ingenieur Faustus Verantius hatte 1617 eine solche Brücke publiziert und auch in den Skizzenbüchern Leonardo da Vincis tauchen solche Konstruktionen auf. Wie in so vielen Fällen musste das Wissen der Renaissance im Zeitalter der Industrialisierung neu gedacht werden. Immanuel Löscher aus Fribourg skizzierte 1784 ein Stabhängewerk mit von Seilen abgespannten Balken. Die über eine Spannweite von 32 Metern reichende Brücke war einschließlich der Schrägabspannungen ganz aus Holz. Beispiele aus England und Schottland waren die Kings-Meadow-Brücke bei Peebles von Redpath und Brown mit aus Draht gefertigten Ketten und eine Fußgängerbrücke über den Tweed bei Dryburgh-Abbey. Die erste Schrägkettenbrücke in Deutschland entstand über die Saale bei Nienburg mit einer Weite von 78 Metern. Dieses Bauwerk endet tragisch, stürzte ein, als 246 Menschen mit einem Fackelzug die Rückkehr ihres Landesherrn aus Paris festlich begehen wollten. 50 Menschen starben.

Zu den erfolgreichen Brücken dieser Art zählte die 1873 entstandene Albert Bridge über die Themse in London. Grundlagen für die Verwendung der Schrägseilkonstruktionen für Großbrücken legte Franz Dischinger 1936 mit seinen Studien für eine Hängebrücke über die Elbe. Darauf aufbauend entstand die erste derartige Großbrücke 1953-55 im schwedischen Jämtland mit einer Hauptspannweite von 182 Meter.

Für den Großbrückenbau nach dem Zweiten Weltkrieg erwies sich die Schrägseilkonstruktion als wirtschaftliche Alternative besonders zur Hängebrücke. Als Vorteile galten:

• die Möglichkeit zum Freivorbau
• große Gestaltungsmöglichkeiten – keine Brücke glich der anderen
• die Entwicklung der orthotropen Platte ermöglichte große Wirtschaftlichkeit mit Gewichtseinsparungen bis zu 40%
• die statischen Probleme waren mit Hilfe von EDV-Programmen nun lösbar – Schrägseilbrücken sind der Brückentyp des anbrechenden Computerzeitalters Innerhalb von nur 25 Jahren entstanden über 100 Großbrücken nach dem wieder neuentdeckten und nun neuinterpretierten Konstruktionsprinzip.


Schon für die Erneuerung der Köln-Mülheimer Brücke wurde 1948 der Vorschlag des Schrägseilprinzips gemacht. Die Strömsund-Brücke entstand dann gleichzeitig mit der Theodor-Heuss-Brücke, wurde aber zwei Jahre früher fertig gestellt. Die Düsseldorfer Brücke ist für Deutschland als das Pionierbauwerk der dann so erfolgreichen Schrägseilbrücken zu verstehen. Es ist insofern ein Denkmal für die Konstruktionsgeschichte des Brückenbaus und bedeutend für die Geschichte des Menschen.

Anteil am Siegeszug der Schrägseilbrücken hatte die Entwicklung der Brückenbalken unter Verwendung orthotroper Platten. Die Fahrbahnplatte ist bei solchen Bauwerken Teil der Tragkonstruktion, bildet zusammen mit den Kasten- und Querträgern eine Einheit. Diese Konstruktionsweise ermöglichte ein geringeres Gewicht und einen reduzierten Materialverbrauch. Die konstruktiv-homogene Einheit von Versteifungsträgern, Leichtfahrbahn und Trägerrost unter der Fahrbahn kennzeichnet den Übergang von den einzeln berechneten Trägerelementen zu komplex betrachteten und berechneten Flächentragwerken. Die Verwendung solcher Bauteile im Großbrückenbau wurde erst durch die Berechnungen von Dr.-Ing. Cornelius von der Mannheim-Nürnberger Maschinenfabrik möglich. Verdienste erwarb sich ebenfalls der Kölner Baudirektor K. Schüßler. Zuvor waren solche orthotrope Platten nur für kleinere Brücken eingesetzt worden. Die Verwendung dieses Konstruktionsprinzips für eine Großbrücke gelang erstmals in Köln 1948 bei der Deutzer Brücke und fand ebenfalls Anwendung bei der 1951 eröffneten Mülheimer Brücke. Die Theodor-Heuss-Brücke ist ein unmittelbar auf diese innovativen Brückenbauwerke folgendes Beispiel für diese Bautechnik und muss auch in dieser Hinsicht als Markstein in der technischen Entwicklung des Brückenbaus gewertet werden.

Weiter ist die Theodor-Heuss-Brücke bedeutend für die Geschichte der Städte und Siedlungen. Schon im 19. Jahrhundert gab es bei der Gestaltung der Brücken und Großbrücken in gestalterischer Hinsicht Bemühungen zur Ein- und Anpassung dieser Bauwerke an das Stadt- und Landschaftsbild. Besonders die in den europäischen Tourismus einbezogenen Orte und Städte am Rhein waren an ästhetisch befriedigenden Brückenbildern interessiert. Im Vordergrund stand häufig das Bemühen, die Stahlkonstruktion so leicht und transparent wie möglich auszubilden. Die Entwicklung der als „Deutscher Bogen“ weltweit bekannt gewordenen Bogenbrücken (z. B. Hohenzollernbrücke in Köln) zielten auf dieses Gestaltungsthema. Friedrich Tamms wollte eine Brückenform für Düsseldorf verwirklichen, mit der die Rheinlandschaft so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Fachwerk- und Bogenkonstruktionen hätten nach seiner Auffassung eine viel zu starke Blickunterbrechung ergeben. Dagegen biete die Schrägseilkonstruktion – so seine Argumentation – auf „Nervendicke“ zusammengeschrumpfte Tragelemente und ergäben damit ein geradezu entmaterialisiertes Bauwerk. Auch die Farbgebung steht ganz unter diesem Gestaltungsziel mit der Intention die Konstruktion zart, leicht, dünn und ätherisch auszubilden. Die Theodor-Heuss-Brücke steht damit in der Tradition der mit hohen gestalterischen Ansprüchen verwirklichten Großbrücken am Rhein und ist auch in dieser Hinsicht bedeutend.

Die Erhaltung der Theodor-Heuss-Brücke liegt aus künstlerischen, städtebaulichen und wissenschaftlichen, besonders architektur- und konstruktionsgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse. Die städtebaulichen und architektur-/konstruktionsgeschichtlichen Gründe hängen eng mit den bereits dargestellten Bedeutungsaspekten zusammen und sollen hier nicht noch einmal ausgeführt werden. Künstlerische und architektonische Gründe sind auch eng verbunden mit der Person des Entwurfsverfassers der Brücke: Friedrich Tamms. Tamms war nach dem Studium in München und Berlin Mitarbeiter beim Brückenbauamt Berlin(1929-34) und wurde mit seiner Tätigkeit im Stab von Albert Speer und für die Organisation Todt einer der wichtigen Architekten der NS-Zeit. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang seine beratende Tätigkeit für den Autobahnbau und seine Brückenentwürfe: die Autobahnbrücke Saaletal bei Jena(1935-37), Autobahnbrücken Berliner Ring (1937) und die Nibelungenbrücke Linz (1938-41). Nach seiner Berufung als Stadtbaurat in Düsseldorf 1948 setzte er sich für die autogerechte Stadt ein, leitete den Wiederaufbau der Stadt und machte sich besonders mit den drei Rheinbrücken – der Düsseldorfer Brückenfamilie – einen Namen. Tamms blieb bis 1969 im Amt und war dann als freier Architekt tätig. Die Theodor-Heuss-Brücke ist wesentlicher Bestandteil im Lebenswerk von Friedrich Tamms und daher auch in künstlerischer Hinsicht, als ein Beispiel für die Auto- und Technikbegeisterung der 1930er Jahre zu verstehen.


Literatur

• Auberlen, Richard: Die Verkehrsaufgabe der Nordbrücke und der Zuwegungen, in: Stadt Düsseldorf(Hg.): Nordbrücke Düsseldorf, Berlin/Göt./Heid. 1958, S. 11-21
• Dittmann, G.: Die Flutbrücke, in: Stadt Düsseldorf(Hg.): Nordbrücke Düsseldorf, Berlin/Göt./Heid. 1958, S. 76-94
• Lange, K.: Die Strombrücke, in: Stadt Düsseldorf(Hg.): Nordbrücke Düsseldorf, Berlin/Göt./Heid. 1958, S. 39-75
• Mehrtens, Georg Christoph: Eisenbrücken. (=Vorlesungen über Ingenieurwissenschaften. II. Teil, Erster Band, Leipzig 1908
• Mehrtens, Georg: Der deutsche Brückenbau im XIX. Jahrhundert, Düsseldorf 1984
• Neue Rheinbrücke Köln-Mülheim. Festschrift zur Eröffnung am 13. 10. 1929 (Hg. Stadt Köln)
• Roik, Karlheinz/ Albrecht, Gert/ Weyer, Ulrich: Schrägseilbrücken, Berlin 1986
• Schaechterle, Karl / Leonhardt, Fritz / Wintergerst, Louis: Allgemeine Betrachtungen zum System der Schrägseilbrücke, in: Stadt Düsseldorf(Hg.): Nordbrücke Düsseldorf, Berlin/Göt./Heid. 1958, S. 22-27
• Schaechterle, Karl / Leonhardt, Fritz / Wintergerst, Louis: Entwurfsbearbeitung und Modellversuche, in: Stadt Düsseldorf(Hg.): Nordbrücke Düsseldorf, Berlin/Göt./Heid. 1958, S. 28-36
• Schmitz, H.: Die Betonhochstraße der „Tausendfüßler“, in: Stadt Düsseldorf(Hg.): Nordbrücke Düsseldorf, Berlin/Göt./Heid. 1958, S. 105-114
• Schreier, Franz: Das Werden der Nordbrücke, in: Stadt Düsseldorf(Hg.): Nordbrücke Düsseldorf, Berlin/Göt./Heid. 1958, S. 7- 9
• Stadt Düsseldorf(Hg.): Nordbrücke Düsseldorf, Berlin/Göt./Heid. 1958
• Tamms, Friedrich: Nordbrücke und Brückenpläne in Düsseldorf, in: Stadt Düsseldorf(Hg.): Nordbrücke Düsseldorf, Berlin/Göt./Heid. 1958, S. 3-6