Zeche Flor & Flörchen
Essen, Stauseebogen 40


Walter Buschmann
Zeche Flor & Flörchen


Kurztext

Von den in vorindustrieller Zeit dominierenden Stollenzechen sind im Rheinland kaum Relikte erhalten. Die Zeche Flor und Flörchen bietet mit Zechenhaus und Stollenmundloch das relativ komplette Bild einer Stollenzeche, auch wenn beides ursprünglich zu einem größeren Komplex mit Schachthaus gehörte.

Geschichte der Zeche Flor & Flörchen

Die Zeche Flor und Flörchen lässt sich zurückführen auf eine Konzession durch die Abtei Werden von 1793 an Ludger Sträter und Genossen. Verliehen wurden die Abbaurechte am "Alten Kohlberg" und seiner Nebenbank, den Flözen Flor mit 60 Zoll (=1,57 m) und Flörchen mit 36 Zoll (= 0,94 m) Mächtigkeit. Die Stollenzeche endete mit ihrem Stollen etwa 220 m von der Ruhr entfernt, unmittelbar an einer Straße, die den von einer Ruhrschleife geformten Bergsporn begleitete und von Schellenberg nach Baldeney führte (heute Stauseebogen). Ähnlich wie auf der Westseite des Bergsporns in enger Nachbarschaft sich mehrere Zechen mit ihren Stollenmundlöchern zur Ruhr hin öffneten, gab es ebenfalls an der Ostseite diese rasche Folge kleiner Stollenzechen, die sich später vereinigten: Nottekampsbank, Wasserschneppe, die Eisensteinzeche Maeseyk, Vosshege, Mühlmannsbank I, Mühlmanns Dickebank und ganz im Süden dieser Reihe Flor und Flörchen.

Nach Abbau der Kohlenvorräte über der Stollensohle gingen Wasserschneppe (1814-18), Mühlmannsbank Nr. 1 (1850), Flor und Flörchen (1855/56) sowie Nottebankskamp (1858) zum Tiefbau über. Wasserschneppe war in diesem Bereich die technologisch führende Zeche mit der von Franz Dinnendahl 1816-1818 erbauten Dampfmaschine. Schacht Franz lag mit seinem Schachthaus neben Haus Heisingen, dem Sommersitz der Werdener Fürstäbte. Der Schacht war verbunden mit einem zur Ruhr orientierten Förderstollen. Vom Stollen führte eine Eisenbahn zur Niederlage der Zeche an der Ruhr.

Flor und Flörchen war vor dem Übergang zum Tiefbau außer Betrieb und 1855 begann man zunächst den alten Stollen auf Flöz Flor mit 5,0 x 4,0 Fuß (= 1,24 x 1,55 m) aufzuräumen bzw. neu aufzufahren. Der Stollen erhielt Türstockzimmerung und das erhaltene, in Ruhrsandstein gemauerte Stollenmundloch.


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Das Stollenmundloch in einem Foto von 1980
Direkt neben dem Stollenmundloch wurde ein tonnlägiger Schacht mit rechteckigem Querschnitt und Holzausbau angesetzt, über dem Schacht ein Maschinenhaus errichtet und 1856 eine 40 PS Fördermaschine und eine 53 PS Wasserhaltungsmaschine aufgestellt. Die Fördermaschine hatte einen liegenden Zylinder und förderte im tonnlägigen Schacht auf einer Förderbühne je zwei nebeneinander stehende englische 8-Scheffel Wagen (vgl. Carl Funke). Die Förderbühne bewegte sich auf eisernen Flügelschienen. Die Wasserhaltungsmaschine war eine einfache, direkt wirkende Dampfmaschine, dessen 44 Zoll (= 1,15 m) Zylinder im Fallwinkel des Flözes (= 60°) aufgestellt wurde. Die Maschine betätigte zwei Druckpumpensätze und sollte pro Minute aus 60 Lachter (= 125,4 m) 25 Kubikfuß Wasser und aus 100 Lachter (= 209 m) 15 Kubikfuß Wasser zu Tage pumpen. Vier Kessel lieferten den Dampf für beide Maschinen.

Neben dem Maschinenhaus entstand 1861/62 das erhaltene Zechenhaus mit Schmiede und Schreinerei. Zur Schachtanlage gehörte eine doppelspurige Pferde-Eisenbahn, die zur Niederlage an der Ruhr führte, sich am gegenüberliegenden Ufer fortsetzte und dort bis zu einer Ladebühne an der Prinz-Wilhelm-Bahn reichte. 1861 förderte die Zeche mit 97 Mann und 6 Beamten 7085 t Kohle. 1872 kam es zur ersten Konsolidation mit den benachbarten Stollenzechen. Nach Tieferteufen des Förderschachtes wurde nun mit 113 Beschäftigten die höchste Förderung von 17.395 t erreicht. Doch schon 1877 zwangen sehr starke Wasserzuflüsse von 32 Kubikfuß pro Minute zur Stilllegung. Die Schächte wurden verfüllt, die Maschinen verkauft und bis zur Jahrhundertwende war auch das Maschinenhaus abgebrochen.

1880 erfolgte die große Konsolidation der Heisinger Ostzechen. Ver. Wasserschneppe, Ver. Flor und Flörchen und Ver. Nottekampsbank verbanden sich unter dem Namen Heisinger Mulde, seit 1893 Heisinger Vereinigung. Man versuchte durch einen Querschlag von Wasserschneppe aus die Grubenbaue von Flor und Flörchen zu entwässern, blieb in diesen Bemühungen jedoch erfolglos. 1885 musste auch Heisinger Vereinigung wegen der starken Wasserzuflüsse den Betrieb einstellen und Konkurs anmelden. 1889 erwarben die Rheinischen Anthrazit-Kohlenwerke die Konzession, so dass der weitere Abbau in den Feldern der Heisinger Ostzechen von der Schachtanlage Carl Funke aus erfolgte. Die Kohlenfelder der Zeche Heisinger Vereinigung wurde seit 1906 von den Essener Steinkohlen-Bergwerke AG ausgebeutet, die seit 1955 zum Mannesmann-Konzern gehörte.

Stollenmundloch und Zechenhaus

Entsprechend seiner Hilfsfunktion zur Vorbereitung des Übergangs vom Altbau über der Stollensohle zum Tiefbau ist der Stollen mit Stollenmundloch der Zeche Flor und Flörchen für eine Anlage aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (um 1860) relativ bescheiden und deutet noch auf die Anfänge der Zeche im 18. Jahrhundert hin. Das Mundloch misst heute etwa 1,2 x 1,8 m. Es sitzt in einer Stützmauer aus Ruhrsandsteinmauerwerk und ist segmentbogig gemauert. Der große Schlußstein trägt keine Inschrift. Das Mundloch wird beidseitig von Flankenmauerwerk, ebenfalls in Ruhrsandstein, begleitet.

Vor dem Stollenmundloch erstreckt sich das eingeschossige Zechenhaus mit steilem Satteldach. Das heute mit Kunstschieferplatten verkleidete Gebäude ist ein Massivbau aus Ruhrsandsteinmauerwerk.


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Das Zechenhaus in einem historischen Foto
In dem Gebäude befanden sich Schmiede, Schreinerei und wohl auch Büroräume der Zeche. Unmittelbar vor der Hauptfassade verliefen die Gleise der Zechenbahn. Die leichte Abwinklung in der Fassade hatte wohl den Zweck, die Gleise direkt auf den Schacht zuführen zu können.

Die noch heute erfahrbare Beengtheit des Grundstückes zwischen Straße und Hang macht es erklärlich, dass zur Anlage von Schacht und Maschinenhaus der notwendige Raum erst aus dem Hang herausgebrochen werden musste.

Literatur

• L. Achepohl, Das niederrheinisch-westfälische Bergwerks-Industrie-Gebiet. 1. Aufl. 1888, 2. Aufl. Berlin 1894
• Behrens, Hedwig: Franz Dinnendahl 1775-1826, Köln 1970
• Buschmann, Walter: Zechen und Kokereien im rheinischen Steinkohlenbergbau, Berlin 1998
• Friedrich Carl Devens, Statistik des Kreises Essen für die Jahre 1859-1861, Essen 1863
• Führer durch die rheinisch-westfälische Bergwerks-Industrie. Mit zahlreichen Situationsplänen, Profilen, graphischen Darstellungen und einer Übersichtskarte. W. Forschpieper (Hg.), Oberhausen 1880
• Gerhard Gebhardt, Ruhrbergbau. Geschichte, Aufbau und Verflechtung seiner Gesellschaften und Organisationen, Essen 1957
• Wüstenfeld, Gustav Adolf: Frühe Stätten des Ruhrbergbaus, Witten 1975.
• Wilhelm und Gertrude Hermann, Die alten Zechen an lagen und zum Verweilen im Biergarten im denkmalwürdigen Innder Ruhr, Königstein/Taunus 3. Aufl. 1981
• Joachim Huske, Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier, Bochum 1987