Kraftwerk Frimmersdorf II Energiestraße



Walter Buschmann
Kraftwerk Frimmersdorf II in Grevenbroich





Geschichte

Die Geschichte der Stromerzeugung in Frimmersdorf begann mit dem 1925/26 erbauten AEG-Kraftwerk. Es entstand nordwestlich des Ortes, am linken Ufer der Erft nahe jener Abbaugebiete, die heute unter dem Namen Garzweiler I zusammengefasst sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte die Stromversorgung für den Wiederaufbau Deutschlands und Westeuropas eine zentrale Rolle. Generell lassen sich Wiederaufbau und Modernisierung der Kraftwerke im rheinischen Braunkohlerevier in drei Phasen einteilen:

- Reparatur und Wiederinbetriebnahme der alten Anlagen
- Bau von Vorschaltanlagen
- Bau neuer Hochdruckkraftwerke.

Auch für den Standort Frimmersdorf galt diese Reihenfolge. Nach Beseitigung der Kriegsschäden entstand wie im Goldenberg-Werk, in den Kraftwerken Fortuna und Zukunft (Weisweiler) eine Vorschaltanlage. Diese Vorschaltanlagen sollten generell unter Nutzung der noch gebrauchsfähigen Ressourcen im Altbestand (Turbinen, Kühlwasserumlaufeinrichtungen, Speisewasseraufbereitung, Bekohlungsanlagen etc.) eine Leistungssteigerung durch neue Hochdruckkessel. Hochdruckturbinen wurden den alten, nun als Mitteldruckturbinen bezeichneten Maschinen vorgeschaltet. Vorschaltanlagen entstanden in der Regel in enger Anlehnung an den Altbestand und waren baulich und technisch durch diese determiniert. Eine Ausnahme von dieser Regel zeigte die räumlich separat angelegte Vorschaltanlage des Goldenbergwerks.

Lageplan 1996. 1 Maschinen-, Kessel-, Bunker-Schwerbau/Kesselhäuser, 2 Zentralwarte, 3 Sieb- und Brechergebäude, 4 Grabenbunker 1, 5 Grabenbunker 2, 6 Wasseraufbereitung, 7 Ascheabsetzbecken, 8 Aschehochbunker, 9 Kühltürme, 10 Verwaltungs- und Sozialgebäude, 11 Pförtner, 12 Kraftwerk Frimmersdorf I
Die zweite Modernisierungsphase leitete nach dem Krieg die Hochdruck-Kondensationsanlage des Goldenberg-Werkes ein. Sie war technisch Vorläufer und Vorbild für die Hochdruckkraftwerke in Weisweiler und Frimmersdorf. Während jedoch die neue Anlage des Goldenberg-Werkes direkt an beziehungsweise in das Mitteldruckwerk eingebaut wurde und sich dadurch also dem Bestand anpassen musste, entstanden in Weisweiler und Frimmersdorf zwar an den alten Standorten (Weisweiler ist Nachfolger des Kraftwerkes Zukunft) aber doch in separater Lage neuer Werke, die nicht nur in der Technik, sondern auch in der Architektur dem Wissensstand und dem Zeitgeist der 1950er Jahre entsprachen. Das Kraftwerk Frimmersdorf II wurde - wie das Vorgängerkraftwerk - ebenfalls nördlich des namensgebenden Ortes aber am rechten Ufer der Erft errichtet, lag also nicht mehr unmittelbar am Abbaugebiet und wurde folgerichtig zumindest in den Anfangsjahren nicht über eine Kettenbahn (wie Frimmersdorf I), sondern durch die Werkseisenbahn von Rheinbraun (Nord-Süd-Bahn) mit Kohle versorgt.

BBC-Turbosatz A, Foto 1956
War Frimmersdorf I ein AEG-Kraftwerk und stand also in der Tradition dieses entwicklungsgeschichtlich so bedeutsamen Kraftwerkunternehmens könnte man Frimmersdorf II als BBC- Kraftwerk bezeichnen. Die Planung des Kraftwerkes lag jedoch nicht allein in Händen von Brown, Boverie & Cie/Mannheim, sondern wurde ebenfalls betrieben durch die Technische Abteilung des RWE und Gestaltung und Bauausführung erfolgten durch die RWE-Bauabteilung unter Leitung von Fritz Börnke.

Die Blöcke A und B entstanden mit 100 MW-Turbosätzen 1952-54. Hier wurde also für die Leistungskraft der Maschinen die im Goldenberg-Werk bereits erprobte Größenordnung wiederholt. Allerdings ordnete man aus Gründen der Betriebssicherheit jeder Turbine zwei Kessel zu. Frimmersdorf glich in der Gesamtdisposition sehr weitgehend dem etwa gleichzeitig ausgeführten Schwesterkraftwerk Weisweiler. Am 29.7. und 14.9.1955 gingen in Frimmersdorf die ersten beiden Blöcke ans Netz (Weisweiler lieferte seit dem 10.1.55 Strom).

Block C mit der direkten Verbindung zwischen einem Kessel und einem Turbosatz
Die nächste Stufe der technologischen Entwicklung wurde in Weisweiler vorbereitet, wo 1955 der erste 150 MW-Turbosatz in Betrieb genommen wurde. In Frimmersdorf realisierte man diese Technologie der 150 MW-Maschinen 1956/57 im zweiten Bauabschnitt. Im Unterschied zu Weisweiler erfolgte die Erweiterung in Frimmersdorf in reiner Blockbauweise. Der Dampf für jeden Turbosatz wurde also nun in jeweils einem , dem jeweiligen Turbosatz direkt zugeordneten Kessel erzeugt.

1958 wurden die nächsten beiden Bauabschnitte für die fünf Blöcke E bis J beantragt. Mit 1250 MW war Frimmersdorf 1960 das größte Kraftwerk Deutschlands und hatte eine Kapazität, die ausgereicht hätte, um mehr als zwei Großstädte von der (damaligen) Größenordnung Münchens (1 Mio. EW) zu versorgen.

1960 wurde der 6. Abschnitt mit den drei Blöcken K - M und 1962 der 7. Abschnitt mit den Blöcken N und O beantragt. Als der letzte Block O am 1.10.1964 die Stromerzeugung aufnahm gehörte Frimmersdorf zu den größten Kraftwerkskomplexen der Welt.

Blöcke A-O und daran anschließend in freistehender Anordnung der Block P. Foto 1966
Räumlich getrennt und in eigenständiger Formensprache wurden 1965 bis 1970 noch die Blöcke P und Q der Anlage hinzugefügt.

Stärkere Veränderungen in der Substanz und am Erscheinungsbild des Kraftwerkes gab es durch die 1986-88 eingeführte Rauchgasentschwefelung. Für die neu zu errichtenden Wascher- und Schornsteine wurden sechs Ventilatorkühltürme abgebrochen. Die alten Schornsteine wurden gekappt.


Beschreibung

Luftbild 1960 mit der rechts unten am Kraftwerk vorbeiführenden Landstraße und der spitzwinklig am Pförtner vorbei in das Kraftwerksgelände hineinführenden Werksstraße
Zwischen der Erft und der riesigen Abraumhalde "Vollrather Höhe" öffnet sich von der in ganzer Länge am Kraftwerksgrundstück vorbeiführenden Landstraße nach Rommerskirchen ein grandioser Blick auf den Kernbau der Anlage: das Kessel- und Maschinenhaus.

Der Kernbau: das Kessel- und Maschinenhaus.
Schwerbau, Maschinenhaus und Leitstand
Schwerbau mit den von den Schalungsbrettern strukturierten Oberflächen
Trotz der langen, mehr als zehnjährigen Bauzeit (1952-64) ist die Architektursprache der Gründungszeit bis zuletzt eingehalten worden. Als Architekt dieses Kernbaus, wie auch der anderen baulichen Anlagen muss der Leiter der RWE-Bauabteilung Fritz Börnke gelten, auch wenn die Bauanträge von den verschiedenen Mitarbeitern seiner Abteilung unterzeichnet wurden. Die Gleichmäßigkeit des etwa 600 Meter langen Bauwerkes wurde nur dort notgedrungen aufgegeben, wo es zwischen den Blöcken B und C den Technologiewechsel zu den 150 MW Einheiten gab, indem ein Höhensprung in der Dachsilhouette die seitdem realisierten größeren Kessel anzeigt. Wie im Kraftwerksbau seit den 1930er Jahren üblich, ergibt sich eine terrassenartige Abstufung der Gebäudemassen mit den hohen Kesselhäusern im Hintergrund, dem etwa gleichhohen Schwerbau für die Bunker, dann folgt mit kräftigem Versprung das Maschinenhaus und diesem in ganzer Länge vorgelagert der Schaltanlagenvorbau.

Die schon in der Gebäudestaffelung angedeutete funktionale Differenzierung offenbart sich noch stärker in der südlichen Giebelansicht. Hier wird in vollem Umfang der auch für alle anderen Kraftwerke der Nachkriegszeit im rheinischen Braunkohlerevier geltende Kunstgriff deutlich, mit dem die zur Versorgung der Kessel dienenden Bunker als schwere Betonkonstruktion (Schwerbau) zur Gliederung der Baumassen verwendet wurden. Der in Frimmersdorf mit quadratischen Öffnungen in der Giebelansicht reich durchfensterte Schwerbau springt kräftig aus der Fluchtlinie der übrigen Bauteile vor und trennt dadurch die links anschließenden Kesselhäuser von dem rechts liegenden Maschinenhaus. Der Schwerbau wird in der Seitenansicht gegliedert durch die großen quadratischen Fenster unter der Traufe zur Belichtung der Bekohlungsebene und den verglasten, zur Ostansicht hin gerundeten Belichtungs- und Belüftungsaufsätzen über den Wasserbehältern. Der Südflügel des Kernbaus wird verlängert durch einen als eigenständiger Kubus für die Eigenbedarfsschaltanlage und Zentralwarte ausgebildeten Flügel.

Maschinenhaus
So wie der aus schalungsrauhem Beton erstellte Schwerbau sprechen auch die anderen Bauteile des Kernbaus eine aus der Funktion entwickelte eigenständige Sprache, ohne dass die Einheitlichkeit des Gesamtbildes preisgegeben wird. Das Maschinenhaus ist ein Stahlbetonskelettbau mit einem flachen Betondach über schweren Stahlbetonbindern. In der Seitenansicht ist dieses Bauteil von großer Leichtigkeit geprägt, weil die Flächen zwischen den Betonstützen zur Belichtung der Turbinenhalle vollständig verglast sind. Der Backsteingiebel des Maschinenhauses mit einer großen quadratischen Fensteröffnung, die durch Betonrippen und Sprossen in kleine quadratische Scheibenformate unterteilt ist korrespondiert mit den Backsteinfassaden der angrenzenden Bauteile.

Ganz anders sind auf der anderen Seite des Schwerbaus die Kesselhäuser gestaltet. Jeder Kessel bzw. jede Kesselgruppe (Blöcke A und B) hat eine eigene bauliche Umhüllung erhalten. Abweichend von der Tradition des zusammenhängenden Kesselhauses erstreckt sich auf der Westseite des Schwerbaus also eine Kette gleichartiger, hochrechteckiger Baukuben, die nur im Sockelbereich durchgängig zusammengefasst sind. Das von Börnke hier herangezogene Gestaltungsprinzip der Reihung gleicher Elemente wird unterstrichen durch die den Kesselhäusern vorgelagerten Schornsteine (heute noch bis in eine Höhe von 22,4 Metern erhalten) und den Kühltürmen.

Kesselhäuser
Kesselhäuser
Die Kesselhäuser besitzen von allen Bauwerken auf dem Kraftwerksgelände die größte Leichtigkeit im Erscheinungsbild. Die außen unsichtbar bleibende Tragkonstruktion sind die Kesselgerüste, in die im Inneren die Kessel eingebaut sind. Daran lehnt sich eine leichte Stahlkonstruktion für die Außenwände an. Die Gebäudeecken sind mit großzügigen Glasfassaden behängt und unter den Traufen ziehen sich Bänder mit Belüftungslamellen entlang. Derart eingerahmt sind die übrigen Fassadenflächen als Vorhangfassaden mit gewellten Asbestfaserplatten ausgebildet.

Der beeindruckendste Innenraum der Gesamtanlage ist der etwa 550 Meter lange Turbinensaal mit den in Längsrichtung aufgestellten Turbinen. Am südlichen Anfang stehen die beiden 100 MW-Turbosätze, die 1988 außer Betrieb gesetzt wurden. Es folgen die zwölf 150 MW-Turbosätze der bis 1964 ausgeführten fünf weiteren Bauabschnitte. Trotz der verschiedenen Fabrikate (BBC lieferte acht Dampfturbinen) und Bauarten unterscheiden sich die Maschinen nur geringfügig durch Einzelheiten in Konstruktion, Betriebs- und Bedienungsweise. Es sind dreigehäusige Turbinen, in denen also der Dampf dreifach (Hoch-, Mittel- und Niederdruck) verwertet wurde. Die 100 MW-Turbinen sind ohne, die 150 MW-Turbinen mit Zwischenüberhitzung. Die Kondensatoren, teilweise quer, teilweise längs zur Hauptachse errichtet sind ebenfalls alle gleichartig ausgebildet.

Der an das Maschinenhaus angrenzende Bereich des Schwerbaus wird unter den Bunkern genutzt durch die Speisewasserpumpen und die Blockleitstände.

Kessel mit Braunkohle-Staubfeuerung
Zur Feuerung werden in den Kesselhäusern die seit den 1920er Jahren üblichen Braunkohle-Staubfeuerungskessel eingesetzt. Die Dampferzeugung für die 100 MW-Turbosätze der Blöcke A und B erfolgt durch je zwei 200 t/h-Kessel für 110 atü und 525 C (bei Dampfeintritt in die Turbinen). Gegenüber den 400 t/h-Kesseln, die 1952 im Goldenberg-Werk in Betrieb gegangen waren übte man also hinsichtlich der Leistungsfähigkeit zunächst Zurückhaltung, was mit der Sorge um die Betriebssicherheit begründet wurde. Da also zwei Kessel je einen Turbosatz mit Dampf versorgten, war in der Anfangszeit - wie in Weisweiler - auch noch keine reine Blockbauweise realisiert worden, sondern die sogenannte Duobauweise. Erst mit den 150 MW-Turbosätzen wurden 1956/57 480 t/h-Kessel eingebaut und damit die bis heute übliche Mono- oder Blockbauweise verwirklicht. Zu jedem Kessel gehören vier oder sechs Schlagradmühlen zugeordnet, die die Braunkohle zu feinem Staub mahlen und mit vorgewärmter Luft in die Kessel einblasen.

Blick zwischen zwei Kesselhäusern auf die zugehörigen Schornsteine und Kühltürme
Den Kesseln zugeordnet sind die 14 Schornsteine. Sie waren im ersten Bauabschnitt 80 Meter hoch und konnten bis auf 125 Meter erhöht werden. Bis in eine Höhe von 22,4 Meter waren die Schornsteine zylinderförmig aus Beton hergestellt. In diesen "Sockeln" wurden Saugzuggebläse eingebaut. Die darüber sich erstreckenden, konisch sich verengenden, aus Ziegeln gemauerten Teile der Schornsteine wurden um 1988 abgebrochen.

Zwischen Kesseln und Schornsteine sind die Elektrofilter angeordnet, mit denen nahezu vollständig die im Rauch mitgeführte Asche ausgeschieden werden konnte.

Für die Funktionserfüllung eines Kraftwerkes sind drei Hilfsprozesse besonders wichtig: Bekohlung, Wasserversorgung, Ascheentsorgung.

Bekohlung
Grabenbunker 1 mit Eisenbahngleis für die Spezial-Selbstentladewaggons und Eimerkettenbaggern
Grabenbunker 2 mit Absetzer und Eimerkettenbagger
Das Kraftwerk Frimmersdorf war ursprünglich für eine Kohleversorgung über die normalspurige Grubenbahn der Rheinbraun AG (Nord-Süd-Bahn) konzipiert. Dazu entstand ein Grabenbunker aus Beton, über den zwei Gleise der Nord-Süd-Bahn hinweg geführt wurden. Die Kohle wurde aus den Spezial-Selbstentladewaggons in den etwa 15 Meter tiefen Bunker entleert. Der Bunker war zunächst 75 Meter lang, hatte um 1970 seine Endlänge von 350 Metern erreicht und fasste 25 - 30.000 t Kohle. Die Kohle wird mit Eimerkettenbaggern (3 x 1.000 t/h und 2 x 2.000 t/h) über Bandanlagen durch einen Tunnel aus dem Bunkerbereich herausgeführt, um dann über schräge Bandbrücken in die Bunker des Schwerbaus gefördert zu werden. Als Zwischenstation steht zwischen Bunker und Schwerbau das Sieb- und Brechergebäude, wo die Braunkohle auf die erforderliche Korngröße gebracht und gesiebt wird. Es ist wie der Schwerbau ein schalungsrauhes Betongebäude, in schlichter, quaderförmiger Gestaltung mit großen durch Betonrippen unterteilten Fensterflächen in den Seitenfassaden.

Da der Grabenbunker nur die für ein Kraftwerk von etwa 1.000 MW Leistungskraft erforderliche Bevorratung bewältigen konnte, wurde um 1958 mit dem Bau eines zweiten Grabenbunkers begonnen, der bis 1970 eine Länge von 400 Metern erreichte und 80.000 t Kohle faßte. Der neue Bunker wurde zunächst über Bandbrücken vom alten Bunker "im Nebenschluß" versorgt. Erst seit etwa 1970 gibt es eine direkt aus dem Tagebau Garzweiler kommende Bandanlage. Die Beschickung des Bunkers erfolgt mit Absetzern, die Kohlenentnahme wie beim Grabenbunker 1 mit Eimerkettenbaggern. Die Kohle wird mit einer schräg zwischen den Kühltürmen hindurchgeführten Bandbrücke in den Schwerbau gefördert.

Wasserversorgung
Der enorm hohe Wasserbedarf für die Kessel und das Kühlwasser in den Kondensatoren konnte - anders als noch für das Werk Frimmersdorf I - die direkt am Gelände vorbeifließende Erft nicht bewältigen. Frimmersdorf II war daher als Kreislaufkühlkraftwerk konzipiert, wobei der stündliche Ergänzungsbedarf von 6.000 m3 Wasser pro Stunde (1970) aus der Grubenentwässerung gedeckt wurde.

Wasseraufbereitung
Ventilatorkühler
Das im Kraftwerk ankommende Wasser wurde zunächst in der Wasseraufbereitung für den Kraftwerksbetrieb präpariert. Die Wasseraufbereitung von 1954 ist ein Gebäudetrakt auf U- förmigem Grundriss in Stahlbetonskelettbauweise mit Decken und Dächern ebenfalls in Stahlbeton. Die Außenwände sind mit Klinkermauerwerk verblendet. Im größeren der drei Flügel erfolgt die Entkarbonatisierung in kiesgefüllten Schnellreaktoren, der kleinere Flügelbau enthält die Anlagen zur Entsalzung für das Kesselwasser und in dem schmalen Verbindungstrakt ist das Labor untergebracht.

Die ursprünglich 31 Ventilatorkühltürme zur Rückkühlung des Brauchwassers von 32 auf 21 C bestimmen auch nach Abbruch von sechs Kühltürmen (um 1988 für die Rauchgasentschwefelung) noch immer wesentlich das Erscheinungsbild des Kraftwerks. Jeder Kühlturm ist etwa 33 Meter hoch. Die markante äußere Form mit den paarweise gegeneinander geneigten Schrägstützen und der Einschnürung des Zylinders im oberen Bereich erklärt sich aus dem Betriebsvorgang. Die unten zwischen den Stützen eintretende Luft wird durch einen in der Mitte der Einengung sitzenden Ventilator angesaugt. Das von oben auf Höhe des Ventilators eingegebene Wasser tropft über ein Rieselwerk (anfangs aus Asbestzementplatten, seit 1958 mit Holzlatten) dem kühlenden Luftstrom entgegen. Der Diffuser, über den die aufgewärmte und mit Wasser angereicherte Luft entweicht weitet sich nach oben auf.

Zum Wasserkreislauf gehören die 27 Kühlwasserpumpen, die auf drei in einer Linie aufgereihten Pumpenhäusern zwischen der Batterie der Schornsteine und den Kühltürmen verteilt sind. Auch diese Gebäude sind Stahlbetonskelettbauten mit Backsteinfassaden.

Ascheentsorgung
Ascheabsetzbecken (im Bau) und Aschehochbunker
Die Asche fällt unter dem Feuerraum aus den Kesseln heraus, wird im Wasserbad abgekühlt und mit Pumpen in die Ascheabsatzbecken gefördert. Die Entleerung der Becken erfolgt mit Eimerkettenbaggern. Die Asche wurde in Waggons verladen und in den Tagebau gefahren. Der weitaus größte Teil der Asche, der in den Rauchgasen enthalten ist, wird in den Elektrofiltern (zwischen Kessel und Schornstein) aus dem Rauch herausgelöst und mit Druckluft in den Aschehochbunker geblasen.

Der Aschehochbunker ist ein schmaler, langgestreckter und hochaufragender Baukörper aus schalungsrauhem Stahlbeton und korrespondiert in seiner wuchtigen Erscheinung mit dem Schwerbau. Die einzelnen Bunkertaschen dienten für eine fünfzigstündige Bevorratung von Feuerraum - und Filterasche. Die Asche gelangt von der Bandanlage im Kesselraumkeller mit einem Senkrechtförderer auf die Verteilungsebene über den Bunkern. Der Abtransport der Asche erfolgt über Bandanlagen.

Verwaltungs- und Sozialgebäude
Sozial- und Verwaltungsgebäude
Treppe im Sozial- und Verwaltungsgebäude
Die Dreiflügelanlage entstand 1956/57 als Stahlbetonskelettbau mit Backsteinfassaden und Flachdächern. Der viergeschossige Verwaltungstrakt für den kaufmännischen Teil der Betriebsverwaltung und die Direktion wird gegliedert durch das turmartig ausgebildete Treppenhaus. In der nur durch den verglasten Haupteingang geöffneten Vorderfassade dieses vorspringenden Turmbaus wird die sonst völlig geschlossene große Ziegelwand durch eine große, an den Ecken gerundete Metallplatte (Kupfer ) mit drei vergoldeten Zick-Zack-Blitzen geschmückt. Hinter einem großen vertikalen Fensterband in der Seitenfassade dieses Treppenturmes befindet sich eine frei zwischen die Stockwerke gespannte Wendeltreppe mit großzügigem Treppenauge. Die Stufen sind mit schwarzem Marmor und Solnhofener Platten belegt; das Stabgeländer aus Metall ist in den für die 1950er Jahre charakteristischen Formen ausgebildet.

Der an den Turm anschließende Flügelbau hat Fensteröffnungen mit annähernd quadratischen Fenstern. Das zweite Stockwerk ist als Staffelgeschoß ausgebildet mit einem von dünnen Stützen getragenen Kragdach über der in ganzer Gebäudelänge durchlaufenden Loggia.

Der an den Verwaltungstrakt anschließende niedrigere Baukörper enthält Werksküche und Kantine. Die Kantine ist in einem beeindruckenden Saalbau untergebracht.

Pförtnerhaus mit Fahrrad- und Motorradhalle
Der Backsteinbau mit Flachdach von 1955 ist der vorbeiführenden Landstraße zugeordnet und definiert die Nahtstelle zwischen Werksgelände und öffentlichen Raum.

Bedeutung

Gesamtanlage mit den Blöcken A bis M. Foto 1963
Der Eintritt in das Stromzeitalter gilt mehrfach in der Literatur als so wichtig, das von einer Zweiten industriellen Revolution die Rede ist. Diese Revolution verlief in mehreren Phasen. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war gekennzeichnet durch den infolge des Wiederaufbaus in Westeuropa, der sich Amerika zum Vorbild nahm enorm steigenden Strombedarf, der Kraftwerke einer ganz neuen Größenordnung notwendig machte. Auch in dieser Phase des Stromzeitalters unterschätzte man zunächst mit einer Zielplanung von 1.000 MW den Bedarf. Das deutsche Wirtschaftswunder erforderte mehr Strom, was in der gegenüber der ursprünglichen Planung für Frimmersdorf mehr als verdoppelten Kapazität zum Ausdruck kommt. Die Blöcke A bis O in Frimmersdorf sind ein "in sich abgerundetes Werk", das als Dokument für den Wiederaufbau in Westeuropa und für die Rolle der Stromerzeugung bei diesem Wiederaufbau verstanden werden muss.

Die Planer jener Zeit waren sich über die Bedeutung ihrer Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft sehr deutlich im Klaren. In jeder Phase der Menschheitsentwicklung hatten bestimmte Bauwerke so etwas wie eine Leitfunktion für alle anderen Bereiche des menschlichen Lebens. Ob man dies objektiv für die Kraftwerke der 1950er Jahre behaupten kann, sei dahingestellt; zumindest subjektiv hatten die beteiligten Planer das Bewusstsein einer industriell-/gesellschaftlichen Avantgarde. Dieses Selbstbewusstsein wird in einem Aufsatz von Karl Kraemer aus dem Jahr 1958 deutlich. Angesichts der damals von BBC gelieferten sechs Turbosätze nach Frimmersdorf schrieb Kraemer:

"Kraftwerke gehören als Bauwerke zu den bemerkenswerten und charakteristischen Ausdrucksformen unseres Zeitalters. Bauliche Leistungen des Mittelalters offenbaren sich am stärksten in seinen die Jahrhunderte überdauernden Domen und Kathedralen; die architektonischen Schöpfungen aus dem Zeitalter des Barock manifestieren sich augenfällig in großen Schloß- und Klosterbauten. Für unser Zeitalter typisch sind Kohlekraftwerke."

Die Umsetzung dieses hochfliegenden Anspruchs in gebaute Architektur war dem Leiter der RWE-Bauabteilung Fritz Börnke übertragen. Börnke betont in seinem rückblickenden Aufsatz von 1965 die gute Zusammenarbeit von Ingenieuren und Architekten. Diese Zusammenarbeit war spätestens seit den 1920er Jahren ein großes Thema für die zeitgenössische Architektur. Der Industriebau galt als der maßgebliche Bereich innerhalb der Architektur, aus dem heraus ein neues Formverständis entwickelt werden sollte. Insofern ging es den Architekten nicht um eine nachträgliche Verschönerung technischer Vorgaben, sondern um eine Mitwirkung beim Gestaltungsprozess bereits in einem sehr frühen Stadium der Projektierung. Folgen wir den Ausführungen Börnkes, so ist dies bei dem Kraftwerk Frimmersdorf II gelungen.

Einordnung in die Landschaft. Im Vordergrund die Abraum-Halde Vollrather Höhe und die Blöcke P und Q mit dem nur für den Block Q errichteten Naturzugkühlturm. Foto 1965
Börnke betont weiterhin die gestaltete "städtebauliche" Gesamtordnung der Anlage mit dem Verhältnis des dominanten Großbaus (Maschinen- und Kesselhaus) zu den Nebengebäuden, er verweist auf die harmonische Einbindung der Anlage in das Stadt- und Landschaftsbild und auf das in Frimmersdorf realisierte Gestaltungsprinzip "Reihung". Auch andere charakteristische Merkmale der Architektur in den 1950er Jahren finden sich in der Gestalt des Kraftwerks wieder: die Vorliebe für den Werk- und Baustoff Beton, die Zuwendung zu asymmetrischen Formen, die Benutzung der Treppen als bevorzugter Gegenstand baukünstlerischer Auseinandersetzung.

Eines der gelungenen Architekturbilder im Kraftwerk: die Kombination von Schwerbau, Maschinenhaus und Schaltanlagenvorbau hier mit Lieferung eines Maschinenteils für die Blöcke C und D. Foto 1957
Bemerkenswert sowohl in technischer, wie auch architektonischer Hinsicht ist die Verwendung der Bunker für die Kesselkohle zur Entwicklung eines eigenständigen Architekturelements: den Schwerbau. Dieser Schwerbau wird zwischen Kessel- und Maschinenhaus angeordnet. Karl Schröder, einer der wichtigen Kenner und Könner des Kraftwerksbaus in Deutschland verweist in seinem lehrbuchartigen Werk von 1962 auf die Problematik dieser Anordnung: die Entfernung zwischen Kesseln und Turbinen sollte so gering wie möglich sein, um die im Hochdruckbetrieb hochwertigen Dampfleitungen kurz zu halten. Schröder bevorzugte die beim Goldenberg-Werk für die Hochdruckanlage realisierte Variante, wo die Bunker zwischen den Kesselhäusern liegen und somit die direkte Nachbarschaft von Kesseln und Turbosätzen kurze Dampfleitungen ermöglichen. Eindeutige Vorteile hatte die in Frimmersdorf gewählte Anordnung aber in gestalterisch-architektonischer Hinsicht. Es entsteht dadurch ein außerordentlich reizvolles Spiel unterschiedlich proportionierter Kuben, das in seiner Qualität an die besten Beispiele kubistischer Architektur der 1920er Jahre erinnert.

In ähnlicher Weise sind die hier für Frimmersdorf II genannten Bedeutungsmerkmale auch für die anderen zeitgleichen oder doch in enger zeitlicher Bindung entstandenen RWE- Kraftwerke im rheinischen Braunkohlerevier gültig. Bei den Kraftwerken in Niederaußem 1961-74 besonders aber Neurath 1969-73 schwindet aber bereits deutlich der Gestaltungswille, wird eine Tendenz zur Simplifizierung der Formen und Details deutlich, die die Architektur der klassischen Moderne in Verruf brachte und schließlich die Postmoderne als Gegenreaktion hervorrief. Frimmersdorf II ist daher in Westdeutschland am besten geeignet die zweite Modernisierungsphase im deutschen Kraftwerksbau nach dem Zweiten Weltkrieg zu dokumentieren.

In dieser Anlage verbinden sich die benannten Elemente der allgemeinen geschichtlichen Entwicklung, der Kraftwerksgeschichte, der Architektur- und Regionalgeschichte zu einer anschaulichen Einheit.

Literatur

AEG (Hg), Kraftwerk Frimmersdorf der Niederrheinische Licht- und Kraftwerke A.-G.. Rheydt, Berlin Dez. 1926

Börnke, Fritz: Braunkohlenkraftwerk des RWE, in: Zentralblatt für Industriebau, Nr. 6 Juni 1965, S. 278 – 289

Buschmann, Walter / Gilson, Norbert / Rinn, Barbara: Braunkohlenbergbau in Rheinland, Worms 2008

Butenschön, Heinrich-Timm: Einblicke. 75 Jahre regionale Energieversorgung am Niederrhein 1912 - 1987. Mönchen-Gladbach o. J. (1987)

Kleinebeckel, Arno: Unternehmen Braunkohle. Geschichte eines Rohstoffes, eines Reviers. einer Industrie im Rheinland. Köln 1986

Klingenberg, Georg: Bau großer Elektrizitätswerke, Berlin 1913

Kretschmann, Willy Neuzeitliche Braunkohle Großkraftwerke, in: Braunkohle, Wärme und Energie, 1953, S. 395 – 418

Krost, Helmut: Braunkohlenkraftwerk Frimmersdorf des RWE (= Musteranlagen der Energiewirtschaft hg. von Edmund Gräfen) o. J. o..O. (um 1970)

RWE (Hg.), Kraftwerk Frimmersdorf, o. J. o. O. (um 1984)

Kraemer, Karl: Sechs große BBC-Dampfturbinen für das Kraftwerk Frimmersdorf, in: BBC-Nachrichten 40, 1958, S. 430 - 437

Witt, Detlef: Die Kraftwerke Fortuna. RWE BV Fortuna, Köln o. J. (1989)