Zeche Sophia
Hückelhoven, Sophiastr. 100
Walter Buschmann
Zeche Sophia Jacoba


Kurztext

Die erhaltenswerten Bauten der 1997 stillgelegten Zeche Sophia Jacoba verteilen sich auf zwei Standorte. Das Fördergerüst Schacht 3 von 1929/34 und das Verwaltungs- und Kauengebäude von 1936/37 stehen in Hückelhoven, dort wo die Zeche 1914 in Förderung kam. In Ratheim wurde die Schachtanlage 4/6 1957-64 als eine der leistungsstärksten und modernsten Bergwerke Europas errichtet in den von Fritz Schupp entworfenen Architekturformen. Sophia Jacoba muß als ein Höhepunkt im Lebenswerk von Fritz Schupp verstanden werden, als ein Resultat von Erfahrungen bei der Planung ganzheitlicher Bergwerksanlagen wie Zollverein 12 in Essen oder Rammelsberg in Goslar.


Geschichte der Zeche Sophia Jacoba

Knapp 40 Jahre nachdem Eduard Honigmann durch Bohrversuche bei Hoengen und Alsdorf 1846 den Nachweis erbrachte, daß sich die Steinkohlefelder des Wurm- und Indereviers nach Osten fortsetzten, vollbrachte sein ältester Sohn Friedrich Honigmann eine ähnliche Pioniertat im Norden des Reviers. Ent¬gegen der weitverbreiteten Meinung der maßgeblichen Fachleute, nach der sich zwischen Aachener Revier und Ruhrgebiet auf weite Entfernung ein steinkohlenleeres Gebiet erstrecken sollte, wies Honigmann durch Bohrungen 1885 in der Gegend von Hückelhoven Steinkohle in einer Teufe von 180 bis 220 Metern nach. Das Wurmrevier fand also nach nur kurzer Unterbrechung durch den Rurgraben im Norden seine Fortsetzung. Aufgrund seiner Funde wurden Honigmann zunächst für sechs, später (1899) für 23 weitere Felder die Konzessionen verliehen.

Honigmann verzichtete zunächst auf Erschließung und Abbau der Steinkohle bei Hückelhoven, widmete sich in den Jahrzehnten um 1900 seinen Abbauberechtigungen im holländischen Limburg, entwickelte ein nach ihm benanntes Abteufverfahren, mit dem es gelang, das schwierige Deckgebirge über der Kohle aus wasserführenden, sandigen Schichten zu durchörtern, erwarb sich große Verdienste um den niederländischen Steinkohlebergbau, um nach der Jahrhundertwende, reicher an Erfahrungen und Kapital, den Grundstock zur Entstehung der Zeche Sophia Jacoba zu legen. Nach einigen vergeblichen ersten Schachtbohrungen 1908/09 wurde der Standort der Schachtanlage an der kurz zuvor begonnenen Bahnlinie Baal-Hückelhoven-Dalheim, unweit des 700 Einwohner zählenden Dorfes Hückelhoven festgelegt. Schacht 1 wurde 1909 begonnen, erreichte 1912 das Steinkohlengebirge und kam 1914 in Förderung. Schacht 2 wurde 1911 angesetzt und bis 1918 fertiggestellt.

Friedrich Honigmann starb 1913 und erlebte die Förderaufnahme auf seiner Hückelhovener Grube nicht mehr. Auch sein ihm nachfolgender Sohn starb bereits 1916 im Frankreich-Feldzug. Die Familie Honigmann verkaufte das noch unvollendete Bergwerk 1916 an die größte niederländische Kohlen-importgesellschaft. Die Steenkolen Handelsvereeniging (SHV) machte sich mit Erwerb und Ausbau dieses Bergwerkes unabhängiger vom Bezug der Ruhrkohle. Seit 1917 hieß die Honigmann'sche Gründung Gewerkschaft Sophia Jacoba, benannt nach den Ehefrauen des Direktors der SHV und des Grubenvorstandsvorsitzenden J.P. de Vooys. Erst nach dem Eigentums-wechsel wurden die Übertageanlagen 1917-24 nach dem technischen Konzept des Maschinenbauingenieurs Paul Kesten und der architektonischen Formgebung durch Baudirektor Strasser ausgebildet. Östlich der Zeche vorgelagert entstand parallel zu den Übertageanlagen seit 1919 eine Bergarbeitersiedlung in mehreren Bauabschnitten. Innerhalb von fünf Jahren wuchs die Bevölkerung des Ortes Hückelhoven von 800 auf 5000 Einwohner.

Einen Entwicklungsschub brachten die späten 1920er und 1930er Jahre. Schacht 3 wurde 1917-30 zur Erschließung der 600 m-Sohle niedergebracht, 1934 mit einem funktionsfähigen Fördergerüst versehen, und trotz Weltwirtschaftskrise 1932 der Schacht 4 bei Ratheim als Außenschachtanlage abgeteuft. Der Ausbau des Verwaltungs- und Kauengebäudes für die Schachtanlage 1/2/3 1935 fällt in diese Konsolidierungsphase des Bergwerks. Mit der um 1930 auf über 3300 Mann angewachsenen Belegschaft erreichte das Bergwerk nun eine mehrere Jahre nahezu konstant bleibende Jahresförderung von 1,2 bis 1,6 Mio t. Zur Unterbringung der aus dem Ruhrgebiet abgeworbenen Bergleute entstand auf der Kuppe des Wadenberges 1926-29 eine Siedlung nach Plänen der renommierten Kölner Architekten Riphahn und Grod.

Nach dem Krieg sollte der Ende 1954 in Angriff genommene Schacht 5, der weit vorgeschoben im nördlichen Feldesteil entstand, eine deutliche Steigerung der Förderkapazität von 3500 t/Tag auf 5000 t/Tag bringen. Mit Übernahme der Bergwerksleitung durch den aus dem Ruhrbergbau kommenden Helmut Kranefuss wurde jedoch eine geradezu dramatische Wende der Ausbauplanung vollzogen. Kranefuss hatte 1953-56 den mustergültigen Ausbau der Schachtanlage Germania in Dortmund begleitet - eine der großen Schöpfungen der Industriearchitekten Fritz Schupp und Martin Kremmer, ausgeführt nach einer Gesamtplanung von 1944. Das aus dieser Zeit stammende Fördergerüst ist nach weitgehendem Abbruch der Übertagebauten über dem Deutschen Bergbau- Museum in Bochum wiedererrichtet worden. Kranefuss setzte für Sophia Jacoba ein Konzept durch, das den Ausbau des Schachtes 4 zum Förderschacht vorsah, dessen Ergänzung durch eine Aufbereitung und im letzten Schritt Anlage des Schachtes 6, der als Zentralförderschacht mit einer Leistung von 10.000 t/Tag die gesamte Förderung der Grube übernehmen sollte. Kranefuss, in der Großzügigkeit und Weitsicht von seinen Erfahrungen im Ruhrbergbau geprägt, brachte mit Fritz Schupp aus Essen auch gleich den Architekten mit, der dieses bergbauliche Konzept architektonisch durch Planung der Übertageanlagen umsetzte. 1956-58 wurde Schacht 4 umgebaut, 1960-64 der Schacht 6 hinzugefügt und 1966-67 das Verwaltungs- und Kauengebäude erweitert. Noch bis 1983 erfolgte die Aufbereitung der vorsortierten Kohle auf der Schachtanlage 1/2/3. Durch Angliederung der Kohlevergleichmäßigungsläger 1979/80 und der Mitte 1983 fertiggestellten Wäsche wurde die Schachtanlage 4/6 im Sinne des von Kranefuss entwickelten Konzeptes komplettiert, war nun dazu in der Lage, täglich 20.000 t Kohle zu fördern und zu verarbeiten. Es war eine moderne Großzeche entstanden, die einen Vergleich mit den Anlagen des Ruhrbergbaus nicht zu scheuen brauchte, dennoch aber wegen der hohen untertägigen Gewinnungskosten (geringe Flözhöhen) zum 31.12.1997 stillgelegt wird.


Bedeutung

Das Bergwerk Sophia Jacoba markiert den unter schwierigen Bedingungen (Deckgebirge aus Schwimmsand) entstandenen nördlichen Ausläufer des Aachener Reviers. Das Fördergerüst von Schacht 3 ist in Standort und konstruktiver Ausbildung ein aussagekräftiges Zeugnis der Gründungsanlage. Über die regionale Bergbaugeschichte hinaus repräsentiert es zugleich einen wichtigen und selten gewordenen Fördergerüsttyp. Es ist für Landschaft und Ortsbild eine Landmarke. Das Kauen- und Verwaltungsgebäude ist von erheblicher städtebaulicher und stadtbaugeschichtlicher Bedeutung und zeigt zudem - zeitgleich mit dem Fördergerüst - die Konsolidierungsphase des Bergwerkes in den 1930er Jahren. Beide Objekte zusammen vergegenwärtigen die für Hückelhoven entstehungsgeschichtlich dominierende Funktion des Bergbaus.

Die Schachtanlage Sophia Jacoba 4/6 ist von überragender architekturhistorischer Bedeutung. Sie ist Teil des Lebenswerkes eines der überragenden deutschen Industriearchitekten und bietet Innovationen (Prinzip Reihung, Stahlbetonfördertürme) im Oeuvre von Fritz Schupp, die zu dessen Verständnis unverzichtbar sind.

Bemerkenswert ist die immer wieder gerühmte land¬schaftliche Einbindung. Sie wird nicht durch unterordnende Anpassungsarchitektur erzielt, sondern mit den hochaufragenden Betontürmen durch Setzung kräftiger Akzente im Landschaftsbild.

Bergbaugeschichtlich ist Sophia Jacoba 4/6 ein Beispiel für eine Periode im deutschen Bergbau, in der sich die Fördertürme gegenüber den Fördergerüsten durchsetzten. Unter den erhaltenen Stahlbetontürmen gehören die beiden Türme von Sophia Jacoba 4/6 zu den wenigen Beispielen mit Denkmalrang. Ebenfalls von bergbaugeschichtlicher Bedeutung ist der Wagenumlauf in technisch lei-stungsstarker, aber kompakter Bauweise (Spitzkehren/Drehscheiben) und die Bergevorabscheidung, mit der das traditionelle händische Ausklauben der Berge durch Einsatz von Maschinen ersetzt wurde. Beachtenswert ist auch die riesenhafte Elektrofördermaschine von Schacht 6.


Literatur

• Kranefuss, Annelen: Aus der Geschichte der Gewerkschaft Sophia Jacoba, Werkszeitung Sophia Jacoba 1, 1976
• Kranefuss, Helmut: Acht Jahre Aufbau bei Sophia Jacoba. Zum 18. Juni 1964, o.O. 1964
Kranefuss, Helmut: Die zweite Ausbaustufe der Schachtanlage Sophia Jacoba 4/6, in: Glückauf 101, 1965, S. 12-23
• Kranefuss, Helmut: Rationalisierung in einem flözarmen Grubenfeld mit sehr dünnen Flözen, ihre Kosten und Ergebnisse, in: Glückauf 96, 1960, S. 1325/39
• Offermanns, Erich: Aus der Geschichte der Gewerkschaft Sophia Jacoba, in: Werkszeitung Sophia Jacoba. 2.1.53
• Offermanns, Erich: Chronik der Gewerkschaft Sophia-Jacoba. Manuskript um 1965
• Offermanns, Erich: Die technische Entwicklung der Gewerkschaft Sophia Jacoba. Werkszeitung Sophia Jacoba. 1.3.63
• Salber, Daniel: Das Aachener Revier, Aachen 1987
• Schaetzke, Hans Jakob: Vor Ort, Herzogenrath 1992
• Schönberg, Heinrich: Die technische Entwicklung der Fördergerüste und -türme des Bergbaus, in: Bernhard und Hilla Becher, Die Architektur der Förder- und Wassertürme, München 1971
• Schunder, Friedrich: Geschichte des Aachener Steinkohlebergbaus, Essen 1968
• Schupp, Fritz: Gestaltungsfragen beim Bau von Turmförderungen, in: Zentralblatt für Industriebau 5, 1959, S. 341-348
• Schupp, Fritz: Übertagebauten der Schachtanlage 4 in Ratheim der Gewerkschaft Sophia Jacoba, in: Zentralblatt für Industriebau 7, 1961, S. 10-17
• Sophia Jacoba Handelsges. mbH, Sophia Jacoba, Hückelhoven 1975
• Sophia Jacoba (Werkszeitung) ab Jg. 1 1952
• Strasser, E. E.: Die Siedlungsbauten der Gewerkschaft Sophia Jacoba zu Hückelhoven Kreis Erkelenz, Reg. Bez. Aachen. Düsseldorf o.J. (um 1925).