Besondere Gestaltqualitäten weist die 1907/08 erbaute, über das Hafenbecken hinweg zur Rheinuferstraße und den Poller Wiesen führende Drehbrücke auf. Es ist eine elektrisch betriebene, ungleicharmige Fachwerkbrücke, deren Bedienung von einem kleinen, über dem Drehpunkt angeordneten Häuschen aus erfolgt. (Rainer Rossmann)
Ähnlich wie in Mülheim durfte auch in Deutz Jahrhunderte lang in Konkurrenz zu Köln kein Handelshafen entstehen. Somit gab es lange Zeit lediglich einen kleinen Hafen als Schutzhafen für die Fährboote und Fähreinrichtungen. Das Fährrecht zwischen Köln nach Deutz hatte Kaiser Otto I. seinem Bruder, dem Kölner Erzbischof Bruno I. als vererbliches Regal verliehen, das in den folgenden Jahrhunderten mehrfach bestätigt wurde.
Dennoch war das Deutz-Poller Ufer von höchster Bedeutung für Köln. Durch Hochwasser und Eisgänge bestand die stete Gefahr, dass sich der Rhein ein anderes Flussbett sucht, wodurch der florierende Kölner Rheinhandel massiv bedroht wäre. Hätte sich der Rhein östlich von Deutz einen neuen Verlauf gesucht, könnte der Hafen der Stadt nicht mehr angefahren werden. Der komplette Zusammenbruch des Kölner Handels wäre die Folge gewesen. Eine Katastrophe für die Kölner Kaufmannschaft und die gesamte Stadt Köln.
Im 19. Jahrhundert verhinderte die Lage des potentiellen Hafengebietes in der preußischen Festung den Hafenbau. Erst mit der 1888 erfolgten Eingemeindung von Deutz und Poll nach Köln sowie der Ausdehnung der Befestigung besserten sich die Voraussetzungen für die Neuanlage. Unter Nutzung einer „Poller Werth“ genannten Landzunge mit natürlichem Hafenbecken, dem „Schnellert“ wurden der Bassinhafen geplant und die dafür notwendigen Grundstücke auf der Grundlage einer Kabinettsordre enteignet. Diese Enteignung von etwa 1100 Parzellen dauerte bis 1898. Erste Baggerarbeiten gab es schon 1895. Der eigentliche Bau des Hafenbeckens begann jedoch erst 1904 und war mit der Eröffnung am 14. Dezember 1907 abgeschlossen.
Der Deutzer Bassinhafen besteht aus zwei Hafenbecken: vor und hinter der Drehbrücke. Die Trennung erfolgte durch die Eröffnung der Drehbrücke im März 1908. Das südliche Becken fungierte als Industrie- und Winterhafen und bedeckte eine Fläche von 6 ha. Das kleinere nördliche Becken maß 3,5 ha und diente als Sicherheitshafen. Die beiden Kaimauern der Hafenbecken sind äußerst solide aus Basaltlagerköpfen errichtet. Aus der Bauzeit sind auch die Sacktreppen und Poller erhalten.
Insgesamt ist die Anlage 1.098 Meter lang; die Breite beträgt 88 Meter am Beckenkopf und 70 Meter an der Hafeneinfahrt. Der Vorhafenbereich in Deutz, der vielen Unternehmen als Umschlagplatz diente, reichte ursprünglich mit einem 700 Meter langen Kai bis an die Deutzer Brücke heran.
Der großvolumige und weithin sichtbare Baukörper der Ellmühle bildete die Maßstabsgrundlage für den städtebaulichen Entwurf und die zukünftige Bebauung. In Zukunft soll die Mühle weitgehend erhalten und umgenutzt werden. Dabei sollen durch Abbruch des „Bunkersilos“ der früheren Auermühle wieder zwei getrennte Baukörper entstehen, die den beiden historischen Mühlenanlagen entsprechen. (s. hierzu gesondert: „Auermühle“ und „Ferd. Leysieffer & Lietzmann“).
In den 1920er Jahren standen im Hafen 4 elektrische und 3 dampfbetriebene Kräne. Die Chemische Fabrik Kalk schlug, bis zu ihrer Schließung im Dezember 1993, hier Massengüter um, insbesondere Salz und Phosphate. Heute wird das Hafenbild durch folgende Krane und Verladebrücken geprägt:
Kran Nr. 1
Vollportal-Doppellenker, Deutz Becken Ost, Hersteller: J. Pohlig, seit 1963 in Betrieb Vollportaldrehkran mit Wippausleger 432 m Kranbahn 9,3 m Kranspur 25 m Ausladung Tragfähigkeit 8 t Elektrischer Antrieb Güter: Haken und Greifer
Kran Nr. 2
Vollportal-Doppellenker Deutz Becken West, Hersteller: PWH seit 1981 in Betrieb Vollportaldrehkran mit Wippausleger und gelber vorkragender Führerkabine, Baujahr 1980 15 t x 25,5/8,5 m 12,5 t x 25,5/8,5m 20 t x 20/8,5 m Kranbahn 570 m Kranspur 9,3 m Ausladung 25,5 m Tragfähigkeit 20 t Elektrischer Antrieb Güter: Haken und Greifer
Kran Nr. 4
Portal-Drehkran Deutz, Becken West, Hersteller: TAKRAF seit 1990 in Betrieb, 16 t x 30…11,5 m 50 t x 18…11,5 m Kranbahn 207 m Kranspur 9,3 m Ausladung 30 m Tragfähigkeit 50 t Elektrischer Antrieb Güterarten: Haken und Greifer
Verladebrücke
südwestlich Am Schnellert: Fa. Aumund Traglast 12 x 16 t 1985
Verladebrücke
nordwestlich Fa. Aumund GmbH, Rheinberg Traglast 12 x 16 t 1983
Heute werden im Hafen Getreide vor allem von der zu den Kampffmeyer Mühlen (heute Unternehmensgruppe GoodMills Deutschland) gehörenden Ellmühle sowie Futtermittel, flüssige Kreide und Schrott umgeschlagen.
Seit 1994 sind an der Drehbrücke die Löschboote der Kölner Berufsfeuerwehr stationiert. Die Wache lag vorher im Bereich des heutigen Schokoladenmuseums am Rheinauhafen.
Mit der Eventhalle „Essigfabrik“ und der „Elektroküche“ sowie dem „Frauenautohaus“ haben sich inzwischen auch hafenfremde Unternehmen angesiedelt.
Der schleichende Bedeutungsverlust als Industriehafen seit Beginn des 21. Jahrhunderts führte 2007 und 2008 im Rat der Stadt Köln zu einer Diskussion, wie der Deutzer Hafen zukünftig entwickelt werden soll. Mit einer Standortuntersuchung wurde Alternativen zu seiner Ertüchtigung als Industriehafen erarbeitet. Am 26. März 2009 beauftragte der Rat die Verwaltung der Stadt Köln mit der Durchführung einer Planungswerkstatt auf Basis der "Standortuntersuchung Deutzer Hafen“. Die Planungswerkstatt fand am 27. und 28. April 2009 als zweitägiges Symposium mit 16 Fachreferentinnen und Fachreferenten sowie rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Dazu gehörten Experten aus den Bereichen Bürostandortentwicklung, Wohnungswirtschaft, Kreativwirtschaft, Stadtentwicklung/Städtebau, Logistik, Binnenschifffahrt/Hafenwirtschaft und Wasserwirtschaft. Wesentliches Ergebnis des Symposiums war die Empfehlung zur Erarbeitung eines verbindlichen Entwicklungskonzeptes zur zukünftigen Nutzung des Hafens.
Im Juni 2015 hat sich der Rat der Stadt Köln mit einer Grundsatzentscheidung dafür ausgesprochen, den Hafen zu einem Büro- und Wohnquartier umzugestalten. Wohnraum für bis zu 6.900 Einwohner und 7.000 Arbeitsplätze können hier entstehen. Mit der Durchführung eines städtebaulichen Gutachterverfahrens unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Köln wurden die Weichen zur Umwandlung des Deutzer Hafens gestellt. Seit Februar 2016 hatten sich fünf interdisziplinäre Teams aus international renommierten Planungsbüros und unter Mitwirkung der Stadtgesellschaft mit der Frage beschäftigt, wie der Deutzer Hafen von morgen aussehen könnte. Die überzeugendste Antwort hat das Kopenhagener Büro COBE Architects geliefert. Der Entwurf punktete unter anderem mit der gelungenen Integration des industriellen Hafenerbes. Nicht nur der Erhalt der Kranbahnen und des ehemaligen Löschkrans tragen dazu bei. Wesentlich für den Entwurf ist der Rückgriff auf die verschiedenen Typologien von Baukörpern im Hafen, wodurch – anders als im gegenüber liegenden Rheinauhafen – eine vielfältige Gebäudelandschaft entsteht. Die unterschiedlichen Baukörper stellen nicht nur die architektonische Vielfalt sicher, sondern stehen auch für eine lebendige soziale Mischung. Mindestens ein Drittel der Wohnungen soll im geförderten Wohnungsbau errichtet werden.
moderne Stadt, die Stadtentwicklungsgesellschaft der Stadtwerke Köln GmbH und der Stadt Köln kaufte 2016 das Gelände mit allen Anlagen und Hochbauten. In enger Abstimmung mit der Stadt Köln soll der Hafen ab 2021 auf der Grundlage des Entwurfs von COBE Architects entwickelt werden.
25 Jahre Leysieffer & Lietzmann. 1885-1910, Köln-Deutz 1910
Baugewerks-Zeitung. Zeitschrift für praktisches Bauwesen, 42. Jg., Nr. 90, Berlin 9.11.1910, S. 923-925 mit Abb.
Bernd Streitberger/Anne-Luise Müller (Hg.): Architekturführer Rechtsrheinisches Köln, Berlin 2011, S. 150/151 zum Deutzer Hafen
Buschmann, Walter (Hg.): Zwischen Rhein-Ruhr und Maas, Essen 2013, insb. das Kapitel “Rheinhäfen”, S. 305-360
Die Stadt Cöln im ersten Jahrhundert unter Preußischer Herrschaft. 1815 bis 1915. Herausgegeben von der Stadt Cöln. Zweiter Band, Köln 1915, insb. S. 474 ff. zu den links- und rechtsrheinischen Werft und Hafenanlagen der Stadt Der Cölner Rhein- und Seehafen.
Führer durch die links- und rechtsrheinischen Hafen- und Werftanlagen der Stadt Cöln mit einem amtlichen Plane und Bildern nach photographischen Aufnahmen. Im Auftrage der Stadt Cöln herausgegeben und bearbeitet vom Hafendirektor G. Christophe. Kölner Verlagsanstalt und Druckerei A.-G., [Köln] 1911
Der Industriebau, Jg. 1, 1910, S. 151-164 Deutschlands Städtebau Köln, Berlin 1926 (Dari), darin u.a. eine Werbeanzeige der “Gebr. Marx, Köln a. Rhein bewährt in Industrieanlagen und Kesseleinmauerungen aller Systeme” mit einem Foto der Heinr. Auer Mühlenwerke im Deutzer Hafen Hafenstadt Köln, Köln 2012, insb. S. 134-137 zum Deutzer Hafen
J. Pohlig A.-G. Köln-Zollstock. Drahtseilbahnen und Verlade-Vorrichtungen, S. 154-161
Karl Hugo Schmölz Köln, Architekturfotografie der Fünfziger Jahre, München 2012, Tafel 37 Auer-Mühle, Köln-Deutz Aufnahme 1952
Köln und seine Bauten, Köln 1888, insb. S. 365 ff.
Kölner Wirtschafts-Architektur, Köln 1996, S. 46 f.
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, 2. Auflage, Stuttgart/Leipzig, 1904-1920, insb. Bd. VIII, S. 122
Meyer, Wolfgang: Schiffsverkehr und Häfen. In: Köln. Seine Bauten 1928-1988, Köln 1991, S. 451-457
Moderne Bauformen, Jahrgang XIII, Heft 6, 1914, S. 261 Ansicht Mühlenwerke Deutz
Simons, Peter: Illustrierte Geschichte von Deutz, Kalk, Vingst und Poll ein Beitrag zur Geschichte des kurkölnischen Amtes Deutz, Cöln-Deutz 1913, zum Deutzer Hafen insb. S. 230-232
Stadt Köln. Denkschrift zur Eröffnung der neuen Werft- und Hafenanlagen. Neue Werft- und Hafen-Anlagen zu Köln. Festschrift zum 14. Mai 1898, Köln 1898
Wieger, Hermann (Hg.): Handbuch von Köln, Köln 1925, 1979 als unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1925 in Frankfurt a. M. erschienen, insb. S. 606: Das Kapitel “Die Mühlenindustrie in Köln” wird mit einer Vorstellung in Text und Bild der “Heinr. Auer Mühlenwerke G.M.B.H. Köln-Deutz” eingeleitet.