Eisenbahnwagen- und Maschinenfabrik Van der Zypen & Charlier
Köln-Mülheimer Straße 129


Walter Buschmann
Die Eisenbahnwagen- und Maschinenfabrik Van der Zypen & Charlier in Köln


Geschichte

Mit Vertragsschließung am 14. 12. 1845 zwischen Ferdinand van der Zypen aus Lüttich und Albert Charlier aus Köln wurde unter dem Namen Eisenbahnwagen- und Maschinenfabrik van der Zypen & Charlier eine der frühesten deutschen Eisenbahnwaggonfabriken gegründet. Ferdinand van der Zypen besaß in Lüttich eine Karosseriewerkstatt für Postkutschen und der Kaufmann Albert Charlier betrieb einen Eilgutdienst von der belgischen Grenze nach Köln und weiter den Rhein hinauf. Die Gefährdung beider Unternehmen durch die Eisenbahn führte zur Umsiedlung der Karosseriefabrik van der Zypens von Lüttich nach Köln und deren Umwandlung in eine Waggonfabrik. Da Ferdinand van der Zypen keine deutsch sprach kam es zu der geschäftlichen Verbindung mit Albert Charlier, dessen Vater schon zuvor mit der Firma van der Zypen geschäftlich verbunden war.

Schon im Januar 1846 konnte der Betrieb in der links der Deutz-Mülheimer-Straße erbauten Fabrik eröffnet werden. Der Standort wurde in der Hoffnung auf einen direkten Eisenbahnanschluss an die Köln-Mindener Eisenbahn gewählt. Als die Eisenbahn ihre Trasse weiter östlich als geplant realisierte, blieben Van der Zypen & Charlier bei dem gewählten Standort. Die fertig gestellten Waggons mussten umständlich mit Pferdefuhrwerken zum Bahnhof Deutz transportiert werden.

In den Anfangsjahren blieben allerdings die Aufträge der Eisenbahngesellschaften aus. Das Unternehmen verlegte sich auf eine Vielzahl anderer Produkte: Postkutschen, Maschinen, Dampfkessel, Werkzeugmaschinen, Einrichtungen für Zucker- und Papierfabriken, Hebekrane, Drehscheiben, Weichen, kleinere Brücken und Bahnhofshallen.

Gründungsanlage 1846
Die Fabrik sollte nach den ersten Plänen aus zwei lang gestreckten, parallel angeordneten, schmalen Fabrikhallen bestehen mit Kopfbauten zur Deutz-Mülheimer-Straße für zwei Wohnhäuser. Wohl wegen der schlechten Auftragslage entstand zunächst 1845/46 nur eine der beiden Hallen, deren Giebel abweichend von der Planung direkt in die Flucht der Straße gelegt wurde. Der zweite Flügel, mit seinem Giebel ebenfalls bis an die Straße heranreichend wurde erst 1862 errichtet. Zwischen den beiden Halle entstanden symmetrisch zwei den Werkseingang flankierende, vierachsige Häuser, von denen das eine als Wohnhaus, das andere als Bürogebäude diente.

2 Die Gründungsanlage bestand aus Schmiede, Gießerei und Stellmacherei. Etwa 100 Arbeiter waren dort seit 1845 beschäftigt. Zehn Jahre später waren schon 400 Mann auf dem Werksgelände tätig und 1865 hatte das Unternehmen 600 Beschäftigte. Mit sechs Dampfmaschinen und 100 Werkzeugmaschinen wurden Güterwaggons, Drehscheiben, Brücken, Laufkräne, Weichen, Wasserversorgungseinrichtungen und Signalanlagen hergestellt. Die Eisengießerei lieferte Gussteile aller Art, auch die für Industrie- und Zweckbauten so wichtigen Gusseisenstützen. Ferdinand van der Zypen hatte aus Lüttich viele Landsleute mitgebracht. Es entstand eine frühe Arbeitersiedlung an der Julius- und Gaußstraße mit Reihen- und Vierhäusern. Van der Zypen erbaute für sich selbst auf einem großen, bis zum Rhein reichenden Gartengrundstück eine Villa mit markantem Turmbau. Von der leider nicht erhaltenen Villa zeugt noch die repräsentative Grundstückseinfriedung mit Mauerwerkspfeilern aus Naturstein und aufwändig geschmiedeten Zaun- und Toranlagen (neben der Hauptverwaltung der Gasmotoren-Fabrik Deutz, Deutz-Mülheimer-Straße 147-149).

Räderfabrik mit Siemens-Martin-Werk, Hammer- und Walzwerken. Schaubild um 1870
Räderfabrik. Schaubild um 1909
1866 entstand rechts der Deutz-Mülheimer-Straße mit der Räderfabrik Gebr. Van der Zypen ein neuer Werksteil, der 1886 um ein Siemens-Martin Werk mit Hammerwerk, Bandagen-Walzwerk und Stabeisen-Walzwerk erweitert wurde. Das Roheisen kam von der Wissener Hütte im Siegtal. Die beiden 1903 fusionierten Unternehmen gingen 1925 in die Phoenix AG für Bergbau und Hüttenbetrieb auf. Das Deutzer Werk wurde stillgelegt und im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört. Auf dem Werksgelände entstand nach dem Krieg die Stegerwaldsiedlung. Das Werk soll an dieser Stelle keine weitere Rolle spielen.

Waggonfabrik westlich der Deutz-Mülheimer Straße. Schaubild Wilhelm Scheiner, 1888
Eine ausführlichere Beschreibung der Eisenbahnwagen- und Maschinenfabrik ist für 1888 überliefert. Mit inzwischen 1000 Beschäftigten wurden 2-3000 Wagen im Jahr gefertigt. Seit 1872 wurde das Werksgelände durchschnitten von den Gleisen der Bergisch-Märkischen Eisenbahn. Auf dem Hauptgelände befanden sich Gebäude für Montierung, Betriebswerkstätten, Schmiede, Schlosserei und Magazine. Jenseits der Gleise waren wegen der Brandgefahr die Holzschuppen und die mechanische Schreinerei angeordnet. Es gab 17 Dampfmaschinen, 11 Dampfhämmer und in der Gießerei standen zwei Kupolöfen. Die Bauten waren in "einheitlichem Charakter" errichtet, teilweise als Shedhallen mit Ziegelaußenwänden und Innenkonstruktionen aus Eisen. Mit den Kesselwagen seit 1875 und den Seitenselbstentladern seit etwa 1890 gab es zwei spezielle Wagenarten in der Produktpalette. Besondere Beachtung verdient aber die Entwicklung von Wagentypen in vollständiger Eisen-/Stahlkonstruktion. Die Anfänge reichen zurück bis in die frühen 1890er Jahre. Verzögert durch Bedenken bei den Eisenbahnverwaltungen, die hohe Fahrgeräusche und Korrosionsproblem erwarteten, wurden erst 1899/1900 die ersten so genannten reineisernen Wagen gebaut. Van der Zypen & Charlier war mit diesem Produkt vermutlich weltweit das erste Unternehmen.

Schaubild der Waggonfabrik. Wilhelm Scheiner, 1909
Gefördert wurde diese Entwicklung durch die Aufträge für die Wuppertaler Schwebebahn. Eugen Langen hatte als Direktor der benachbarten Gasmotoren-Fabrik Deutz das Prinzip der Schwebebahn erfunden und seit 1893 gab es auf dem Werksgelände der Waggonfabrik eine Teststrecke. 1899 erhielt das Unternehmen den Auftrag zum Bau der Schwebebahnwagen und zwar in reineisener Ausführung. Es waren überhaupt die ersten Waggons in reineisener Ausführung.

Schwebebahn-Teststrecke auf dem Werksgelände von Van der Zypen & Charlier mit der einschienigen Variante
Zweischienigen Variante
Die Folgen des Produktwandels war die nachlassende Bedeutung von Holz und Holzverarbeitungsmaschinen im Produktionsprozess. Stattdessen wurden hydraulische Pressmaschinen angeschafft, um Bleche in verschiedenen Stärken bis zu 20mm in den geeigneten Formen herstellen zu können. Schmiedewerkstätten, Gießerei und Presswerk wurden ein wichtiger Teil der Werksanlagen. Um 1905 entstanden große Montagehallen für die Fertigung eiserner Personenwagen. Die größte, um 1910 errichtete Halle erreichte Abmessungen von 120x44 Meter. 1914 arbeiteten 3700 Beschäftigte im Werk. Die Jahresproduktion lag bei 4500 Waggons und 400 Personen- und Straßenbahnwagen.

In den 1920er Jahren konnte Van der Zypen & Charlier an die gute Entwicklung der Vorkriegszeit anknüpfen. Mit dem Aufkommen der Kohlestaubfeuerung in den Kraftwerken wurde als weiteres Spezialprodukt der Kohlestaubwagen entwickelt. Weiterhin wurden Straßenbahnwagen, Omnibusse und Kraftwagenanhänger hergestellt. Seit 1928 verließen das Werk die berühmten Pullmann-Waggons der 1. und 2. Klasse für den Rheingoldzug.

Wegen der in der Waggonindustrie insgesamt schlechten Wirtschaftslage kam es 1927/28 zur Fusion mit den Firmen Düsseldorfer Eisenbahnbedarf, vorm. Carl Weyer & Co. und Waggonfabrik Killing & Sohn in Hagen. Unter dem Namen Westwaggon trat 1928 auch die Gebr. Gastell in Mainz der Fusion bei. Die Hauptverwaltung des Unternehmens war in Deutz.

Nach schweren Kriegsschäden mit einem Zerstörungsgrad von 60-70% und kurzzeitiger Stilllegung im Februar 1945 wurde die Produktion schon im April 1945 wieder aufgenommen. 1949 arbeiteten wieder 1317 Beschäftigte im Werk. Geboren aus einem Mangel an Aufträgen wurde 1953 ein Organvertrag mit Klöckner-Humboldt-Deutz geschlossen, der 1959 zur vollständigen Fusion führte. Ein knappes Jahrzehnt später kam es 1967 zur Einstellung der Waggonproduktion an einem Standort, der mit seinen Produkten mehr als 120 Jahre lang Eisenbahnwesen und öffentlichen Nahverkehr prägte.

Bemerkenswerte Bauten

Blick auf die Montagehallen vom Werkseingang aus
Auf den mehrfach von Wilhelm Scheiner seit 1888 angefertigten Werksansichten beherrschen die großen Montierungshallen das Erscheinungsbild der Waggonfabrik. Noch die Tuschezeichnung von 1909 zeigt einen ausgedehnten Shedhallenkomplex direkt an der Deutz-Mülheimer-Straße. Ein Großteil dieser Shedhallen wurde mit dem Bau einer Großhalle um 1910 abgebrochen. Diese Halle, wie auch das anschließende Verwaltungsgebäude mit einem ungewöhnlichen, leicht geschwungenen Dachgesims gingen leider bei einem Großbrand 1995 verloren.

Zentral im Werksgelände gelegen soll eine vierschiffige Halle und der Magazinbau von 1909/10 den Waggonbau in Deutz dokumentieren.

Schmiede und Preßwerk(Waggonhallen = Schwebebahnhallen), um 1888/ um 1905
Schmiede und Preßwerk = Schwebebahnhallen
Der vierschiffige Hallenbau entstand am westlichen Rand des Werksgeländes in unmittelbarer Nähe der Gleisanlagen der 1872 angelegten und 1910/11 auf einem Betonbogenviadukt hochgelegten Bergisch-Märkischen Eisenbahn. Trotz dieser Randlage nahm die Halle durch die axiale Zuordnung zum Haupteingang eine zentrale Position im Werksgelände ein. Sowohl die Werksansicht Scheiners von 1888, wie auch ein gleichzeitiger Lageplan und ein Foto von 1906 zeigen die markante Anordnung des dritten Hallenschiffes (von Süden gezählt) im Werksgefüge. Diese also mit Sicherheit vor 1888 entstandene Halle gehörte zum Schmiede- und Preßwerk.

Die benachbarten Hallenschiffe sind vermutlich um 1905 in der Zeit, als das Unternehmen mit dem Übergang zum Bau reineiserner Personenwagen eine große Produktions- und Bauphase erlebte entstanden. Die Werksansicht Scheiners von 1909 und ein Lageplan von 1908 zeigt die Halle in voller Ausdehnung. Veränderungen ergaben sich im konstruktiven Gefüge und im äußeren Erscheinungsbild vor allem im hinteren (westliche) Hallenbereich.

Wie in der Werksansicht von Scheiner bietet auch heute noch im äußeren Erscheinungsbild die Ostansicht mit der Reihung von vier großen Backsteingiebeln die Hauptansicht. Das bereits erwähnte älteste Hallenschiff aus der Zeit um 1888 ist mit seinen rundbogigen Öffnungen, den beiden Rundfenstern im Giebeldreieck und den Wandvorlagen und Ortganggesims besonders eindrucksvoll. Die begleitenden Hallengiebel sind verändert, weisen aber im Prinzip noch die Merkmale der Ursprungsarchitektur auf.

Schwebebahnhalle von 1888. Rechts die Einfahrt der Schwebahn-Testwagen in die Halle
Detail der Einfahrtsöffnung der Schwebahn-Testwagen
Innenkonstruktion der älteren Schwebebahnhallen mit außergewöhnlich hohen Gusseisensäulen und darüber hölzernem Dachtragwerk. Foto: Christoph Kraneburg / Köln
In der Halle von 1888 sind Reste der 1893 nach Angaben von Eugen Langen angelegten Probestrecke der von ihm erfundenen Schwebebahn erhalten. Es handelt sich um zwei dicht nebeneinander liegende genietete Vollwandträger in Kastenbauweise. Die Schienen führten aus der Halle heraus durch eine heute weitgehend zugemauerte Rechtecköffnung in der äußersten rechten Achse des Hallengiebels. Die Schienen sind in der Öffnung durch eine Rahmenkonstruktion mit Konsolträger in genieteter Stahlkonstruktion aufgelegt. Die Schienen führen in die Halle hinein und lagern dort auf Stützen auf.

Neben ihrer historischen und städtebaulichen Bedeutung ist besonders die Innenkonstruktion der Hallen 229 und 230 bedeutend. In beiden Hallenschiffen stehen mittig eine Reihe hoher Gusseisenstützen. Die unter der Firstlinie angeordneten Gussstützen tragen über einem kurzen, an den Kopfenden profilierten Konsolbalken die hölzernen Dachstühle. Für jede Hallenhälfte gibt es eine Art liegenden Dachstuhl, der die Pfetten für die Dachdeckung trägt. In gerader Linie über den Gusseisensäulen erheben sich hölzerne Ständer, die sich im Firstbereich mit Kopfbändern geradezu baumartig verzweigen und eine hohe Belichtungsraupe tragen.

Die Hallenschiffe sind überwiegend durch Seitenwände nicht untereinander getrennt. Kräftig dimensionierte Ständer und Unterzüge dienen als Auflager für die Dachbinder im Traufbereich. Die Dächer der seitlichen Hallen sind als genietete und geschraubte Stahlkonstruktionen entstanden. Die Westgiebel in Stahlfachwerkkonstruktion stammen vermutlich aus der Nachkriegszeit.

Magazin, 1909/1910
Magazin von 1910. Foto: Jürgen Gregori / Euskirchen
Innenkonstruktion des Magazinbaus. Foto: Achim Bednorz / Köln
Stahlbetonkonstruktion nach Francoise Hennebique
Schon auf Scheiners Werksansicht von 1909 zu sehen, ist der Magazinbau ausweislich erhaltener Pläne 1910 errichtet worden. Der viergeschossige Stahlbetonskelettbau mit Backsteinaußenwänden wurde auf einem annähernd dreieckigem Grundriss mit abgeschrägten Ecken errichtet. Das flachgeneigte Dach ist im äußeren Erscheinungsbild nur durch den knappen Dachüberstand wirksam. Wandvorlagen und große Rechteckfenster mit Sohlbänken und Sturzbalken in Kunststein prägen die Außenarchitektur.

Im Inneren wird das Magazingebäude geprägt durch die Stahlbetonskelettkonstruktion, besonders aber durch einen die Dreiecksform des Gebäudes nachzeichnenden großen Lichthof. Die Geschosse öffnen sich zu diesem Lichthof mit den erhaltenen originalen Brüstungsgittern wie Galerien, wobei die Geschoßdecken in den spitzwinkligen Eckbereichen gerundet sind. Über dem Lichthof werden die Dachbinder im Mittelpunkt des Gebäudes sternförmig zusammengeführt. Das dreieckige Mittelfeld ist verglast. Die übrige Dachdeckung besteht aus Holzschalung mit Teerpappe.

Die Stahlbetonkonstruktion gleicht dem um 1890 entwickelten System Hennebique. Entsprechend der statischen Belastung sind die Stützen im Erdgeschoß kräftiger ausgebildet auf Achteckgrundriss, während die Stützen in den Obergeschossen quadratische Querschnitte haben. An die Stützen sind die Unterzüge mit kopfbandartigen Verstärkungen im Stützenbereich ausgebildet. Es gibt stärkere Haupt- und schwächere Nebenunterzüge.

Bedeutung

Die Waggonindustrie war eine der vom Eisenbahnwesen direkt hervorgerufenen neuen Branchen der weiterverarbeitenden Industrie. Anders als bei dem indirekten Einfluß der Eisenbahn auf die Entwicklung von Steinkohlenbergbau, Kokserzeugung und die Eisen- und Stahlindustrie zeigt sich hier die enorme entwicklungsgeschichtliche Bedeutung dieses Transportmittels für die Industrie.

Schaubild der 1838 in Aachen gegründete Waggonfabrik Pauwels & Talbot in Aachen
Wohl überall waren die ersten Waggonbauer zuerst Postkutschenbauer. Die Anfänge der Waggonproduktion in Deutschland lagen in Nürnberg, wo kurz nach Aufnahme des Eisenbahnverkehrs zwischen Nürnberg und Fürth 1835 bei der Firma Klett&Co (später MAN) Eisenbahnwaggons gebaut wurden. Die erste eigenständige Waggonfabrik entstand 1838 mit der Firma Pauwels&Talbot in Aachen. Pierre Pauwels war ein belgischer Stellmacher und Kutschenbauer. Die 1838 vor dem Aachener Adalbertstor entstandene Fabrikanlage bestand aus zwei lang gestreckten, parallel angeordneten Fabrikhallen. Die Aachener Gründung beeinflusste in ihrer Art und Architektur möglicherweise die sieben Jahre spätere Anlage von Van der Zypen&Charlier in Köln-Deutz.

Innenkonstruktion der Schwebebahnhallen. Foto: Christoph Kraneburg / Köln
Halle 230. Foto: Christoph Kraneburg / Köln
Die industriehistorische Bedeutung der Deutzer Waggonfabrik ist mittels erhaltener Bauten der Gründungsanlage leider nicht nachvollziehbar. Die überlieferten Hallen vermitteln noch einen Eindruck vom Charakter der Waggonproduktion. Darüber hinaus hatte der Giebel der Halle 230 als Endpunkt der Haupteingangssituation in das Werksgelände eine dominante Orientierungsfunktion im Werksgefüge und ist daher von städtebaulicher Bedeutung. Hervorzuheben ist die Innenkonstruktion der beiden Mittelschiffe in dem insgesamt vierschiffigen Hallengefüge. Die Mischkonstruktion aus Holz und Eisen zeigt die im Industriebau lang anhaltende Tradition von Holzbauwerken und zwar auch innerhalb der eisen- und stahlverarbeitenden Industrie. Hier zeigt sich die gerade in der Waggonproduktion noch lange wirksame hohe Bedeutung des Werkstoffes Holz. Bemerkenswert ist die Länge der hohen Gusseisenstützen, die vermutlich in der eigenen Gießerei hergestellt wurden. Die Anordnung der Stützen unter der Firstlinie ist nur erklärbar mit der darüber sich aufbauenden Stützkonstruktion für die Belichtungsraupe, die vermutlich mit jalousieartigen Lamellen in den Seitenwänden auch eine Belüftungsfunktion hatte.

Von herausragender verkehrs- und industriegeschichtlicher Bedeutung sind die Reste der Schwebebahn-Probestrecke von 1893. Eugen Langen hatte als Direktor der benachbarten Gasmotorenfabrik Deutz seit 1892 an einer Hängehochbahn für Personenbeförderung gearbeitet. Im Januar 1893 wurde die Bahn beim kaiserlichen Patentamt in Berlin zum Patent angemeldet und zugleich auf dem Gelände der Waggonfabrik van der Zypen & Charlier eine Probebahn angelegt. Die Patente für ein- und zweischienige Ausführungen der Hängebahn wurden 1893 und 1895 erteilt. Nach Besichtigung der Versuchsstrecke in Deutz entschieden sich die Städte Barmen und Elberfeld im Dezember 1894 für den Bau einer 13,3km langen Strecke durch das Wuppertal bis nach Vohwinkel. Trotz intensiver Bemühungen die Hängebahn auch in anderen Städten (Hamburg, Berlin, Köln) zu realisieren blieben die 1898 bis 1903 ausgeführte Wuppertaler Schwebebahn neben einer kurzen Bergbahn in Dresden-Loschwitz (1898-1901 – ebenfalls nach Besichtigung der Probestrecke in Deutz) die einzigen ausgeführten Projekte. Die Hängebahn von Eugen Langen und damit auch die Probestrecke in Deutz gehören in Entwicklungsgeschichte der innerstädtischen Nahverkehrssysteme. Die Fragmente der Probestrecke sind von wissenschaftlicher, insbesondere technikhistorischer Bedeutung. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden die Schwebebahnwagen in der Hallengruppe, durch die die Probestrecke führte auch produziert. Da es die ersten reineisernen Waggons überhaupt waren, ist die Hallengruppe auch jener historische Ort, an dem der industriehistorisch bedeutende Wechsel vom Holz zum Eisen im Waggonbau stattfand.

Von hoher industriehistorischer Bedeutung ist auch das Magazingebäude von 1909/1910. Das Motiv zur zentralen Lagerung aller eingehenden Produkte war eine verbreitete Maßnahme zur Rationalisierung der Produktion und Minimierung von Kosten. Verbunden waren mit diesen Magazinbauten der Großeinkauf in Niedrigpreiszeiten, eine exakte Qualitätsprüfung der Eingänge und eine sparsame Vorratshaltung. Die Entstehungsgeschichte des Zentrallagers der Gutehoffnungshütte in Oberhausen nach Entwurf von Peter Behrens zeigen die hohen Erwartungen der Industrie an diesen Funktions- und Bautyp.

Die archtitekturhistorische Bedeutung des Magazins der Fa. Van der Zypen & Charlier besteht in der Verknüpfung einer sachlich gehaltenen Fassadenarchitektur mit einer geradezu spektakulären Innenkonstruktion. Als Betonskelettbau gehört das Bauwerk zu den frühen Betonbauten. Zwar reichen die Anfänge des Betonbaus bis ins 19. Jahrhundert zurück, doch konnten sich diese Konstruktionen erst Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Entwicklung neuer Berechnungsmethoden und der Herausgabe von Bemessungstabellen durchsetzen. Ähnlich wie bei den frühen Eisen- und Stahlkonstruktionen, waren bei den frühen Stahlbetonbauten die Bauteile aus Beton noch lange auf die Innenkonstruktionen beschränkt. Der Magazinbau der Fa. Van der Zypen & Charlier ist wegen der eigentlich anderen Bauaufgaben vorbehaltenen Lichthofsituation (z. B. Kaufhäuser) besonders hervorzuheben. An dieser Stelle ist die von vielen Vertretern der Klassischen Moderne in den 1920er Jahren als vorbildhaft und stilbildend bezeichnete Ästhetik des sachlichen Industriebaus nachvollziehbar.


Literatur

100 Jahre Van der Zypen & Charlier 1845-1945, Mainz o.J. Goldbeck, Gustav: Kraft für die Welt. 1864-1964 Klöckner-Humboldt-Deutz AG, Düsseldorf/Wien, 1964

Architekten- und Ingenieur-Verein für den Niederrhein und Westfalen (Hg.): Köln und seine Bauten. Festschrift zur 8. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Verein in Köln 12.-16.8.1988, Köln 1888

Störiko, Adolf: Geschichte der Vereinigten Westdeutschen Waggonfabriken AG Köln-Deutz Vereinigte Westdeutsche Waggonfabriken AG Köln. Sonderdruck aus "Deutsches Wirtschafts-Archiv", o.O. o. J., Historische Museen der Stadt Köln. Kölnisches Stadtmuseum (Hg.): Jacob und Wilhelm Scheiner. Bilder zur Kölner Stadtentwicklung zwischen 1872 und 1922, Köln 1978

Klein-Meynen, Dieter/ Meynen, Henriette/ Kierdorf, Alexander: Kölner Wirtschafts-Architektur. Von der Gründerzeit bis zum Wiederaufbau, Köln 1996

Engelhardt, Viktor: Waggonfabrik Talbot Aachen. Eine Festschrift zur Hundertjahrfeier 1938, Berlin 1938

Buschmann, Walter: Die Wuppertaler Schwebebahn. Geschichte und Bedeutung, in: Denkmalpflege im Rheinland 15, 1998, Heft 1, S. 20-32
Unbenanntes Dokument