Weberei Krahnen & Gobbers
Krahnenstraße 8, Krefeld




Stephan Strauß
Weberei Krahnen & Gobbers

Die Krefelder Seidenindustrie war im 18. Jahrhundert wesentlich durch die mennonitische Seidenunternehmerfamilie von der Leyen geprägt, aus deren Umfeld weitere, zumeist ebenfalls mennonitische Unternehmer erwuchsen. Das 19. Jahrhundert erlebte eine große Zahl von Krefelder Unternehmensneugründungen, durch die die alten Seidenunternehmerfamilien bereits Mitte des 19. Jahrhunderts von neuen Unternehmen überholt wurden. Mit der um 1880 beginnenden umfassenderen Umstellung von der Verlagstätigkeit (mit Heimarbeitern) hin zu Fabriken erfuhr die Krefelder Textilindustrie einen neuerlichen, auch baulichen Schub.

Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt auch die Seidenweberei Krahnen & Gobbers. Sie wurde 1854 von Conrad Krahnen gegründet, 1856 trat Wilhelm Gobbers sen. als Teilhaber in das Unternehmen ein. 1866 soll das junge Unternehmen die ersten mechanischen Webstühle in Krefeld aufgestellt haben, 1882 waren 60 davon in Betrieb. Mit der Fabrikation stückgefärbter Halbseidenstoffe vollzogen Krahnen & Gobbers 1883 einen Sprung auf 200 mechanische Webstühle, 1893 waren die Zahl von 500 Webstühlen erreicht.

Für das expandierende Unternehmen entstand 1899 ein großer Fabrikkomplex entlang der Melanchthonstraße, der große Kopfbau orientiert sich zu der zwischen Melanchthon- und Ritterstraße verlaufenden Querstraße. Ursprünglich Annastraße benannt, erfolgte später die Umbenennung in Krahnenstraße. Das Areal liegt südlich des Krefelder Hauptbahnhofs und dessen hochliegendem Bahnkörper; im späten 19. Jahrhundert war eine Bebauung vorrangig entlang der südwärts führenden Kölner Straße entstanden. Hier war 1845 bis 48 – damals vor den sprichwörtlichen Toren der Stadt – das städtische Krankenhaus errichtet worden.

Der von dem Essener Architekten Karl Hagemann entworfene Fabrikkomplex realisierten bereits die seit 1895 verantwortlich tätigen Nachfolger Rudolf Krahne und Dr. jur. Josef Gobbers. Ihr neuer Fabrikbau ist in seiner Gesamtheit einer historischen Vogelschauzeichnung überliefert. Der Kopfbau an der Annastraße ist viergeschossig mit einem hohen Mansarddach, das durch Schrägverglasungen belichtet ist. Die repräsentative Ziegelarchitektur ist durch Wandvorlagen gegliedert, die in den beiden unteren Geschossen zurücktreppen, um in den beiden oberen Geschossen als doppelgeschosshohe Pilaster gestaltet zu sein. Zwischen den Wandvorlagen liegen jeweils zwei Fenster mit Segmentbögen, die Sohlbankgesimse sind vor dem sauberen roten Klinker durch gelbes Klinkerornament und gelbe Terrakottafriese hervorgehoben. Die Traufe tragen kräftige Ziergesimse, an den Pilasterköpfen enger zusammengerückt. Die Gebäudeecken sind durch vorspringende Risalite betont, die von einer Gaube aus rötlichem Sandstein und Dreiecksgiebel (mit je einem Rundbogenfenster) abgeschlossen sind. In diesen Risaliten sind die beiden unteren Geschosse mit je einem Rundbogenfenster versehen, die beiden Fenster der oberen Geschosse sind durch eine gemeinsame Rahmung geschossübergreifend verbunden. Die Eckbetonung durch Risalite (einschließlich entsprechend steilerer Dachlösung) wiederholt sich an der Schmalseite an der Melanchthonstraße. An der Krahnenstraße ist Gliederung des Baukörpers durch ein erhöhtes Mansardmittelteil und zwei breite Werksteingauben vervollständigt; letztere haben einen breiteren Dreiecksgiebel und je zwei Rundbogenfenster.

Die historische Schauzeichnung zeigt entlang der Melanchthonstraße einen langgestreckten, ebenfalls ziegelsichtigen Flügelbau, der in regelmäßigen Abständen durch einen Pavillon überhöht und offenbar ebenfalls in regelmäßige Segmente gegliedert war. Dahinter vervollständigten Shedhallen die Fabrikanlage zu einer flächendeckenden, rechtwinkligen Struktur.

1903 folgte Krahnen & Gobbers einem Trend der Krefelder Textilindustrie und expandierte außerhalb der Stadt, hier durch ein Zweigwerk in Wassenberg. 1900 hatte man die Produktion auf Handwebstühlen aufgegeben, 1906 erfolgte die Gründung eines zweiten Werks in Wassenberg. Zu diesem Zeitpunkt bestanden bei dem Unternehmen 1100 Webstühle, die von 1500 Arbeitern bedient wurden; Krahnen und Gobbers gehörte damit zu den großen Unternehmen ihrer Zunft (zum Vergleich: in Krefeld gab 1902 fast 10.600 mechanische Webstühle und weiterhin ca. 6.000 Handwebstühle).

Das bis heute produzierende Unternehmen galt in den 1950er-Jahren als älteste Kranzbandweberei Deutschlands, die als einzige Firma am Niederrhein noch eine Fertigungstiefe von der Rohware bis zur fertigen Grabschleife besaß (siehe Westdt. Zeitung vom 20.11.1954). 1975 verließ das Unternehmen den Standort an der Krahnenstraße. Im Anschluss wichen die Shedhallen und die Bebauung entlang der Melanchthonstraße einer Wohnbebauung, auch der imposante Kopfbau dient heute dem Wohnen.

Stephan Strauß, Historische Bauwerke GbR / Krefeld + Bremen

Literatur:

Schütz, J. H.: Praktische Sozialpolitiker aus allen Ständen. Köln o.J. [1906], S. 209-215 [Retrodigital verfügbar auf der Netzseite des Heimatvereins Wassenberg].

Feinendegen, Reinhard / Vogt, Hans (Hg): Krefeld. Die Geschichte der Stadt. Band 4 Kirchen., Kultur-, Baugeschichte (1600-1900). Krefeld 2003, S. 596.

Chung, Hae-Bon: Das Krefelder Seidengewerbe im 19. Jahrhundert. Krefeld 1980, S. 176-191.

Stadtarchiv Krefeld, Zeitungsausschnittsammlung, Sign. 46/1609, Artikel Westdeutsche Zeitung 20.11.1954, Nr. 271.