Brückenlandschaft Hauptbahnhof
Krefeld




Christoph Becker
Brückenlandschaft Hauptbahnhof Krefeld

Nachdem die der preußische Staat 1880-1882 die großen beiden Eisenbahnunternehmen „Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn“ und „Rheinische Eisenbahn“ übernommen hatte, waren grundlegende und erforderliche Veränderung der Eisenbahnverhältnisse in Krefeld möglich geworden.

Der Preußische Staat und die Stadt Krefeld arbeiten nun als Partner bei der notwendigen Neugestaltung der Eisenbahnanlagen zusammen. Die bisher in unmittelbarer Nachbarschaft aber getrennten Bahnhöfe, der Südbahnhof der „Crefeld- Kreis-Kempener Industrie-Eisenbahn“ und der Staatsbahnhof lagen, wie auch die Gleise, ebenerdig. Seit 1849 waren damit im Krefelder Süden der Innenstadt eine Vielzahl Gleise, Rangierspuren, Drehscheiben, Reparaturwerkstätten, Güterschuppen entstanden.

Insbesondere zwei Bahnübergänge, der von der Neusser- auf die Fischelner Straße (heute Kölner Straße) führenden Hauptverbindung zwischen den beiden Bahnhöfen hindurch sowie die im Süd-Westen querende Gladbacher Straße, waren derartig durch Verkehr und ständigen Eisenbahn- und auch Rangierfahrten belastet, dass Verkehrsbeeinträchtigungen für den Fuß- und Fuhrwerks- Verkehr ständig anwuchsen. Für Fußgänger entstand zwar ein Tunnel in der Achse des Ostwalls der die Bahn unterquerte, dieser am 4. Juli 1871 in Betrieb genommene Weg reichte aber bei weitem nicht mehr aus.

1880 war seitens der Stadt dokumentiert worden, dass die Straße nach Fischeln, mit einem Aufkommen von rund 2.400 Fuhrwerken, bereits 130 mal an einem Tag gesperrt werden musste. Die Überquerung der Gleise mittels einer am 14 Juli 1884 fertiggestellten Fußgängerüberführung an der Neusser Straße, konnte nur etwas mehr Zeit vor einer vollständigen neuen Regelung der Situation gewinnen. Denn Fußgängerbrücke, Tunnel, das Verlegen einer Waggon-Werkstatt 1892 vom Hauptbahnhof nach Oppum brachte zusammen nicht genug Minderung des Problems.

Im Jahr 1900 wurde nach eingehenden Studien endlich begonnen, die Staatsbahn höher zu legen, um den kreuzenden Verkehr unter den Bahnlinien störungsfrei hindurch zu führen. Bei der Höherlegung standen nun gewaltige Aufschüttungsarbeiten und Befestigungsmaßnahmen durch Mauerwerke an.

Im unmittelbaren Bahnhofsumfeld beginnend, wurde im selben Jahr die Lokomotivwerkstatt in ein neu erbautes Bahnbetriebswerk samt Lokschuppen und Drehscheibe auf ein hoch aufgeschüttetes Gelände verlegt. Zuvor war 1882 bereits die Waggonwerkstatt in das neue „Ausbesserungswerk Oppum“ übertragen worden. Reparaturwerkstätten wurden dadurch insgesamt aus dem engen Bahnhofsumfeld entfernt.

Zwischen dem städtischen Schlachthof und neuem Bahnbetriebswerk mit Lokschuppen errichtete man, bedingt durch die Höherlegung, eine erste und nur temporäre Überquerung der Diessemer Straße. Diese Gleisführung sollte aber in den knapp folgen Jahren nochmals umgebaut werden, um die gesamte Bahnlinie nach Süden zu verschwenken. Dazu entstand dann neben einer versetzten neuen Überführung der Diessemer Straße, eine weitere unmittelbar benachbarte Überführung zur heutigen Straße „zur Feuerwache“, um den dort bereits im Bau befindlichen neuen „Güterbahnhof Krefeld Ost“ auf direktem Wege zu erreichen.

Ganz im Westen wurden dann die Trassen von Kleve, Willich und Gladbach, nahe der Adlerstraße / Alten Gladbacher Straße, zu einem neuen Strang zusammengefasst und auf den Hauptbahnhof zugeführt.

Die Industriebahn war zwischenzeitlich durch die „Crefelder Eisenbahngesellschaft“ übernommen worden. Deren Strecke führte aus dem Nordwesten kommend, ebenerdig entlang des Rings, bis zum Südbahnhof. Vorschläge des Baubeigeordneten Hubert Hentrich, den Verkehr der Industriebahn mit durch den Staatsbahnhof abzuwickeln, wurden diskutiert, aber seitens beider Bahnen abgelehnt. Daher wurde die Strecke der „Crefelder Eisenbahngesellschaft“, unter Zuhilfenahme der Staatsbahn bei der Ausführung der erforderlichen Aufschüttungen, ebenso neu geordnet.

Die Strecke wurde dazu mittels eines neuen weiten Bogens auf die andere Seite des neuen Bahndamms der Staatsbahn geführt und gab im Resultat den Ring für weitere Bauplanungen der Stadt frei.

Die Querung der Bahnlinie im Bereich der Innenstadt erfolgte durch zwei zentrale Überführungen, die erste in Verlängerung der Neusser Straße in Richtung Fischeln (der heutigen Kölner Straße) mit einer prächtigen Ausbildung des Geländers in Formen des Jugendstils. Die zweite Querung, über die Gladbacher Straße, besitzt säulenartige Portal-Verzierungen, sie erinnern durchaus an die in Jugendstilformen gestalteten Stadtbahnstationen von Otto Wagner in Wien. Die Fliesen sind denen in den Pariser Metro-Stationen ähnlich. Die Säulen stehen nun etwas abseits, da ein Teil des Brückenbauwerks nach der Aufgabe des Südbahnhofs 1951 in der Folge abgebaut werden konnte.

Weitere drei Überführungsbauwerke wurden im Zusammenhang mit der Fluchtlinienplanung der Stadt Krefeld neu geplant und neue Verbindungen der Innenstadt in den Süden geführt. Eines wurde ebenso wie die beiden vorgenannten Bauwerke mit einem erhöhten gestalterischen Anspruch ausgeführt und stellt die Verlängerung der Kronprinzenstraße (unter der Bahnlinie hindurch ausgeführt (heutige Voltastraße). Abschließend wurden noch die Tannenstraße und die Ross Straße mit schlichteren Bauwerken überquert.

1907 wurde der neue Krefelder Hauptbahnhof der Staatsbahn fertiggestellt. Das Gebäude wurde vor der hochgelegten Bahnlinie ebenerdig erbaut und stellt den Abschluss der Verlängerung des Ostwalls dar. Die Züge werden aus der Bahnhofshalle, über einen Tunnel, verbunden mit der Bahnsteighalle und den Bahnsteigen erreicht. Das Gebäude des Südbahnhofs der „Crefelder Eisenbahn“ wurde in den Bahndamm, auf der anderen Seite des Bahndamms zur Südstadt zugewandt, gebaut und 1908 eröffnet.

Der Bahnkörper wird nun oftmals als eine störende Trennung zwischen der Innen- und der südlichen Stadt wahrgenommen. Die Höherlegung der Gleise über das Straßenniveau waren aber enorm wichtige Bausteine beim Ausbau Krefelds zur „modernen Stadt“. Sie folgte damit den Vorbildern anderer europäischer Großstädte wie Köln, Berlin, Wien oder Paris.

Christoph Becker, Verein zum Erhalt des historischen Klärwerks in Krefeld Uerdingen

Literatur:

Mayer, A. von: Geschichte und Geografie der deutschen Eisenbahnen, Berlin, 1890

Hegger, Carl: 100 Jahre Krefelder Eisenbahn 1868 – 1968, Krefeld 1968

Fotos 49.1 Brückenbauwerk Gladbacher Straße, Blickrichtung Innenstadt, Foto: Christoph Becker, 2020 49.2 Kölner Straße Ecke Saumstraße, Geländer der Brücke. Foto: 2020, Christoph Becker 49.3 Brückenbauwerk Voltastraße am Voltaplatz. Foto: 2020, Christoph Becker