Deutsche Edelstahlwerke
Gladbacher Str. 578
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Christoph Becker
Deutsche Edelstahlwerke

Vorgeschichte

Im Januar 1892 bildete sich, von Gladbach ausgehend, ein Komitee für den Ausbau eines Rhein - „Niers“- Kanals, dem alle benachbarten Städte und Landgemeinden beitraten. Am 27. Juli 1892 trat die Stadt Krefeld und die Handelskammer Krefelds als eigenes Komitee dem Mönchengladbacher Komitee bei. Beauftragt wurde nun ein Entwurf eines bei Uerdingen vom Rhein abzweigenden Kanals, der südlich Krefelds nach Neersen, von Neersen aus ein Stichkanal nach Viersen, von Neersen nach Gladbach, weiter Rheydt, Wickrath, Heinsberg, Sittard, über die Maas hinweg bis Lanklaer zum dort bereits bestehenden Maas Seitenkanal. Von dort könnte dann über den ebenso bereits bestehenden Campine Kanal Antwerpen erreicht werden.

Im Frühjahr 1898 war Peter Bitter, der Besitzer einer Ringofenziegelei in Fischeln auf diese Kanalpläne aufmerksam geworden und hatte in einer Zeitung gelesen, dass im Ruhrrevier ein Fabrikbesitzer Land für Industrieanlagen aufkaufen würde. Er wandte sich an August Thyssen und bekam rasch Antwort. Man sei interessiert und bat darum, die Besitzer der angrenzenden Ländereien ebenfalls zum Verkauft zu stimmen. Die Größe des Areals solle 250ha betragen.

Währenddessen wurde in Krefeld an den Kanalplänen weiter gearbeitet. Beauftragt wurde die mit Infrastrukturplanungen erfahrene Firma „Havestadt & Contag“ aus Berlin. Diese lieferte am 1.3.1893 einen Entwurf ab, der dann 1894 der Regierung in Düsseldorf unterbreitet wurde. Diese Variante ergab aber in der Berechnung hohe Bau-, Unterhaltungs- und Betriebskosten und wurde verworfen.

Dennoch wurden die Pläne, das Land für Industrieanlagen umzunutzen weiter verfolgt. Man entschied sich aber nun für ein Stahlwerk, speziell zur Herstellung erstklassiger Werkzeugstähle. Am 27. Dezember 1899 wurde das Land dazu die „Actiengeseltschaft Vulcan in Fischeln“ eingebracht, deren Aktionäre unter anderen Peter Bitter (bisheriger Besitzer der Ringofenziegelei in Fischeln) und August Thyssen waren. Diese Gesellschaft übertrug einen Teil des Grundbesitzes am 29. Mai 1900 an die „Stahlwerk Actien-Gesellschaft in Crefeld“. Das Gelände erstreckte sich von der Gladbacher Straße aus bis zur preußischen Staatsbahnlinie von Krefeld nach Willich und war für damalige Verhältnisse auch für ein Stahlwerk sehr groß.

Das errichtete Werk umfasste dann einen Siemens-Martin-Werk mit einem Ofen von 3t Fassungsvermögen, ein Hammerwerk mit zehn Dampfhämmer und zudem Tiegelschmelzöfen, Koksgaserzeugung, Kesselhaus zur Dampferzeugung, Dreherei, Putzerei, Schleiferei, mechanische Werkstatt, Versandlager, Laboratorium und ein Verwaltungsgebäude. Es wurden 1901 80 Arbeiter beschäftigt.

1904 wird die Werksanlage erweitert. Zwei weitere Siemens-Martin-Öfen mit 8t Fassung wurden beschafft, dazu weitere schwere Hämmer mit nun 20, 50, 100 Zentner Schlagkraft. 1908 ist die Mitarbeiterzahl bei 460 Personen, es geht ein Walzwerk in Betrieb, die alten Öfen Siemens-Martin-Öfen werden vergrößert, eine Präzisionszieherei kommt hinzu. In der Folge ein Rohrwerk, Zieh- und Kratzbänke für Kugellagerrohre sowie eine Fabrik für Automobilfedern die 1911 in Betrieb ging. Das Krefelder Stahlwerk entwickelte sich nun rasch zum führenden Werk Deutschlands für die Herstellung von Stahl für Kugeln und Kugellager.

Den Bedarf an hochwertig ausgeführten Geschossen im Ersten Weltkrieg führte am 30. Dezember 1914 zum Beschluss des Aufsichtsrates, eine Geschossfabrik zu errichten. Bereits Ende 1915 erhielt die Geschoßpresserei ihre fünfte Presse und das Werk kam auf eine Monatsleistung von 180.000 Presslingen. Die Stahlschmelzanlagen reichten für eine derartig hohe Produktion an Geschossen die nicht aus Edelstahl hergestellt wurden nicht aus, es wurde daher Thomasstahl zugekauft. Zudem wurde aber ein bereits längere Zeit geplantes Blechwalzwerk zur Herstellung von Feinblechen aus Werkzeugstahl, Schnelldrehstahl und Baustahl errichtet.

Um die enorme Nachfrage nach hochwertigen Stählen zu befriedigen, wurde am 18. Juni 1916 beschlossen, ein weiteres neues Stahlwerk zu bauen, das nun vier Siemens-Martin-Öfen zu je 8t und ein Ofen zu 15t Fassungsvermögen besaß. Dazu kamen zwei neuartige Elektroöfen von je 8t Fassungsvermögen. Das neue Werk sollte zur Erzeugung hochlegierter Stähle, wie Schnelldrehstahl. Nickelstahl und weichem Einsatzstahl. Kugel- und Kugellagerstahl dienen, während das alte Werk in betrieb blieb und modernisiert wurde.

Im Oktober 1916 wurde zudem ein weiteres Grundstück von der Grundstücksgesellschaft Vulkan erworben und mit dem Bau eines Verwaltungsgebäudes begonnen. Vorerst wurde aber in einer weiteren neu errichteten Halle 1917 eine weitere Walzanlage in Betrieb genommen, somit konnte auf das Auswalzen des eigenen Stahls in Mülheim/Ruhr verzichtet werden und diese Arbeit in Krefeld aufgenommen werden.

Kurz vor Kriegsende sind einen dampf-hydraulische 2.000t Schmiedepresse für Dieselmotorkurbelwellen in Betrieb. Nach Kriegsende im November 1918 wurde der linke Niederrhein durch alliierte Truppen besetzt und die Geschosspresserei und die Geschossdreherei wurden beschlagnahmt und demontiert. Der Bau des neuen Verwaltungsgebäudes an der Gladbacher Straße wurde dennoch 1919 begonnen. Allerdings kam 1920 das Werk mit seinen nun 1400 Mitarbeitern in finanzielle Schwierigkeiten, als eine Explosion den Elektroofen außer Betrieb setzte und zudem auch der im Krieg bereits begonnene Bau der neuen Mittelstraße des Walzwerks sich aufgrund einer Preiserhöhung des Lieferanten vervielfachte. Der Rohbau des Verwaltungsgebäudes war bisher nur zur Hälfte festgestellt worden und wurde mit einem Notdach über der Baustelle abgebrochen.

Während der Ruhrbesetzung, beginnend Anfang 1923, war das Werk von der Versorgung durch Kohle aus dem Revier abgeschnitten, auch verbliebene Fertigerzeugnisse konnten nicht mehr über den Rhein ausgeliefert werden und das Werk wurde daraufhin stillgelegt. Aufgrund der schwierigen Lage der Belegschaft, die Lohngelder blieben aus, auch die Währungsreform im November 1923 wurde kritisch gesehen, kam es zu einem zweimonatigen Streik, sodass das Werk erst am Ende des Januars 1924 seinen Betrieb mit rund 1.000 Mitarbeitern aufnahm.

Am 11. Januar 1927 wurde das Unternehmen in die „Deutsche Edelstahlwerke AG“ eingebracht. Diese fasste alle Edelstahlaktivitäten verschiedener zugehöriger Werke zusammen. Die der Krefelder Stahlwerke AG, Teile des „Werkes Stahlindustrie“ des Bochumer Vereins, die Magnetfabrik der Dortmunder Union, das Stahlwerke Brüninghaus AG in Werdohl, das Stahlwerk Richard Lindenberg AG und die Bergische Stahlindustrie aus Remscheid, aus Duisburg die Felix Bischoff GmbH, die Vereinigte Leichtmetall-Werke Hannover und das Metallwerk Hannover. Der Unternehmenssitz war zunächst Bochum, wurde dann aber durch die Konzentration auf den Standort Krefeld am Ende des Jahres 1929 nach Krefeld in das fertiggebaute neue Verwaltungsgebäude an der Gladbacher Straße verlegt.

Im Krefelder Edelstahlwerk begann man früh mit der Kriegsproduktion. Walter Rohland, 1933 der Betriebsleiter bei den Edelstahlwerken in Krefeld, wurde als „Panzer-Rohland“ bekannt. Er übernahm die Koordination der gesamten deutschen Panzer-Produktion und war von 1940 bis 1943 Vorsitzender des "Panzer- Ausschuss des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition". Sein Nachfolger Dr. Heinz Gehm seit Mai 1933 NSDAP-Mitglied, SA-Standartenführer, Ratsherr in Krefeld und wurde zum "Wehrwirtschaftsführer" ernannt.

Bereits 1934 ging die Produktion weit über den Rahmen der im „Kriegsgerätegesetz“ erlaubten Rüstungen hinaus. Die Deutschen Edelstahlwerke entwickelten in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen einen Werkstoff, der in seiner Haltbarkeit für Panzer besonders geeignet sein sollte. Das Ergebnis hieß Marathon-Stahl. Das Edelstahlwerk Krefeld, stellt nun besonders zähe und einschlagsichere Stahlpanzerplatten her. Das angeschlossene Edelstahlwerk Remscheid fabriziert Kurbelwellen für Panzer, die in Krefeld eingebaut werden. 1938 wurde das Krefelder Edelstahlwerk zum "nationalsozialistischen Musterbetrieb" ernannt. Voraussetzung für diese seltene Auszeichnung war, dass in dem Betrieb nationalsozialistisches Gedankengut besonders gepflegt wurde. Bei der Auszeichnung wurde hervorgehoben, dass die Edelstahl-Werke seit 1933 bevorzugt SA-Leute einstellten.

Edelstahl-Kampfbahn

Die Gewerkschaften waren mittlerweile verboten worden und durch die "Deutsche Arbeitsfront" (DAF) ersetzt worden, in der die Arbeiter und die Unternehmsleitung nun „vertrauensvoll zusammenarbeiten“ sollte. Als sichtbares Zeichen wurde dazu ein Sportstadion gegenüber der Gladbacher Straße auf Höhe des Verwaltungsgebäudes errichtet, die Edelstahl Kampfbahn. Zur Einweihung am 13. November 1938 kam DAF Reichsleiter Dr. Robert Ley nach Krefeld und bei der großen Kundgebung sprach NSDAP-Gauleiter Florian.

Denkmal von Georg Kolbe

Das Denkmal von Georg Kolbe, ein nackter Jüngling der sich auf das Schwert stützt, wurde vor den Edelstahlwerken 1939 aufgestellt. Georg Kolbe arbeitete mit den NS-Größen zusammen und war 1944 auf der Sonderliste der "Gottbegnadeten" eingetragen. Die Inschrift lautet "Den Opfern der Arbeit“.

Zwangsarbeiter und Einschätzung der Aliierten im 2. Weltkrieg

Während des Krieges wurden die Arbeitskräfte knapp und ab 1940 beschäftigten die Edelstahlwerke ausländische Zwangsarbeiter, sowohl aus den westlichen Nachbarländern, aber auch Männer - und vor allem Frauen - aus der Sowjetunion. 1200 Zwangsarbeiter waren in einem Lager auf dem Werksgelände hinter Stacheldraht untergebracht.

Im "Bomber`s Baedeker", der Auflistung strategischer Ziele der britischen Royal Airforce, ist über das Werk zu lesen: "Die Hauptbedeutung Krefelds liegt im großen Anteil an der Spezialstahlerzeugung, die hier im ausgedehnten Komplex der Deutschen Edelstahlwerke AG konzentriert ist. Das ist einer der führenden deutschen Hersteller von Spezialstählen, Drehstahlen, Flugzeugstahl, Panzerplatten und anderer Waren von Bedeutung für die Kriegsproduktion." Das Werk wurde mit 1+ in die höchste Stufe eingeordnet. Der erste Bombenangriff auf Krefeld am 22.5.1940 galt auch dem Edelstahlwerk. Im Werk gab es keine Schäden. Nach 1945 wurde Dr. Heinz Gehm erneut der Aufsichtsratsvorsitzende bei den DEW.

Nachkriegszeit

1950 wurde die Montanindustrie neu geordnet und einige Werke aus den „Deutschen Edelstahlwerken“ ausgegliedert. 1955 stellen die verbliebenen Werke 35% des Edelstahls, 50% des in Deutschland erzeugten Elektrostahls her. 1957 übernahm die August-Thyssen-Hütte AG die Aktienmehrheit der „Deutsche Edelstahlwerke AG“.

1975 wurde die „Deutsche Edelstahlwerke AG“ mit dem Edelstahlwerk Witten zur „Thyssen Edelstahlwerke AG“ verschmolzen. Diese wurde 1992 mit der Thyssen Stahl AG fusioniert, bevor sie 1994 nun als neue „Edelstahl Witten-Krefeld GmbH“ ausgegliedert wurde. ThyssenKrupp verkaufte im März 2005 die „Edelstahlwerke Witten-Krefeld“ an die zur Schmolz- und Bickenbach-Gruppe gehörende Swiss Steel AG. Diese Gruppe firmiert seit 2020 als die Schweizer Swiss Steel Holding AG. Ein anderer Teilbereich des Werks, der bei der „ThyssenKrupp-Nirosta“ fortbestand, wurde an „Outokumpu-Nirosta“, einen finnischen Stahlkonzern veräußert. Teile des Werksgeländes sind an andere Firmen vermietet.

Auf dem Werksgelände zwischen der Oberschlesien- und Gladbacher Straße werden auch im Jahr 2020 noch Produkte aus rostfreiem Edelstahl hergestellt. Im Werk sind rund 1800 Mitarbeiter beschäftigt. Der Edelstahlmarkt hat jedoch mit Überkapazitäten zu kämpfen.

Hauptverwaltung

Die ausführende Bauunternehmung waren die "Gebr. Kiefer“ aus Duisburg. Unter Verwendung von Motiven aus Barockzeit erfolgt eine Annäherung an die Herrschaftsarchitektur der Feudalzeit.

Die Hauptverwaltung des Edelstahlwerks wird zur Zeit nicht mehr genutzt.

Christoph Becker, Verein zum Erhalt des historischen Klärwerks in Krefeld Uerdingen

Literatur:

Steeg, Herbert: Ausarbeitung zum Stadtrundgang im Juni 2014, Bündnis Krefeld für Toleranz und Demokratie e.V., Krefeld 2014

Strauß, Stephan: Außer Samt und Seide auch Eisen und Stahl. Notizen zur Stahlindustrie in Stadt und Kreis Krefeld, in: Walter Buschmann (Hg.): Industriekultur. Krefeld und der Niederrhein, Essen 2017, S. 187-201

Ernst, Wilhelm: Außer Samt und Seide auch Stahl und Eisen, Krefeld, 1997

Hougardy, Hans, Ein Edelstahlwerk tritt ins Leben, Heimat Krefeld, Verein für Heimatkunde e.V. Krefeld, Nr. 45, 1974, S.107