Floh’sches Haus
Friedrichstraße 27 / Ecke Carl-Wilhelm-Straße




Sabine Lepsky
Floh’sches Haus

Seit 1766 wurde das Gebiet Krefelds zum fünften Mal in der Geschichte der Stadt erweitert. Dem Schema klassizistischer Stadtbaukonzepte folgend, wurde im Norden der Stadt von der Carl-Wilhelm-Straße bis zur Fabrikstraße ein rechtwinkliges Straßenraster fortgeführt, das in Nord-Süd-Richtung hochrechteckige Insulae ausgrenzente. An einer dieser Insulae, an der Ecke Friedrichstraße/ Ecke Carl-Wilhelm-Straße, wurde bereits 1766 das sog. Haus Floh errichtet. Bauherr war der Seidenfabrikant und Königliche Kommerzienrat Johann von der Leyen (1734-1795), dessen Urgroßvater Adolf von der Leyen als Mennonit 1656 Radevormwald verlassen musste und in dem in Glaubensfragen damals liberalen Krefeld die Seiden-Dynastie der von der Leyens gründete. Adolf stieg mit dem Vertrieb von Leinwand, Seidenband, Nähseide und Kolonialwaren in das Textilgeschäft ein; seine Söhne verlagerten den Betrieb immer stärker in die Seidenproduktion und den Handel, was der Stadt Krefeld ab dem 18. Jahrhundert den bis heute gepflegten Namenszusatz einer Samt- und Seidenstadt verlieh.

Das zunächst aufgrund baubehördlicher Reglementierungen zurückhaltend gestaltete Gebäude erhielt seine heutige Fassade erst gut zehn Jahre nach der Erbauungszeit (Schmidt 1997, S. 68-81). Den Entwurf für die 1777-81 durchgeführte Maßnahme lieferte Michael Leydel. Der aus einer Poppelsdorfer Architektenfamilie stammende Leydel sollte trotz seiner nur kurzen Schaffenszeit – er verstarb bereits 1782 im Alter von 33 Jahren - mit zahlreichen repräsentativen Privathäusern - das Stadtbild entscheidend prägen (Zu den Verleger-Häusern Leydels siehe Schmidt 1997). Zu seinem beruflichen Einstieg in Krefeld zählt der Einbau einer Stuckdecke 1775 in das Haus In den Ketten für Friedrich und Heinrich von der Leyen (Schmidt 1997, S. 62). Dieser Auftrag verschaffte Leydel Zugang zu der einflussreichen Familie von der Leyen. Bauten wie Haus Floh sind sichtbares Zeichen für die durch die Seidenstoffherstellung zu großem Wohlstand gekommene Stadt. Dies gilt heute umso mehr, als das Floh’sche Haus – wenn auch im wiederaufgebauten Zustand – als eines der wenigen Zeugnisse dieser Zeit nach den schweren Bombardierungen Krefelds 1943 erhalten blieb. Einzig die Westfassade blieb weitgehend unzerstört.

Die zu beiden Straßenseiten fünfachsig angelegten Fassaden wurden bei der Fronterneuerung von 1777-81 mit einem Stuck-Putz ausgestattet. Das Erdgeschoss ist klassizistischer Manier folgend mit einem Bänderputz überzogen und nimmt zur Friedrichstraße hin den Haupteingang in der als Risalit betonten Mittelachse auf. Schräg aufgestellte Pilaster rahmen das hausteinerne Rundbogenportal, über dem der von Konsolen unterfangene Balkon der Beletage als kleines Portaldach fungiert. Für die Fassadengestaltung bediente sich Leydel der für die Zeit aktuellen Louis-Seize-Dekoration, indem er die geschossweise in der Höhe abgestuften Segmentbogenfenster und Brüstungsspiegel mit Traperien, Festons, Girlanden und Keilsteindekor ausstattete. Ein schmiedeeisernes Gitter mit geschwungenen Ranken und Akanthusblättern belebt den Portalaufbau. In der von traufhohen Eckpilastern gerahmten Fassade bilden das auskragende Geschossgesims und die Sturzgebälke der Obergeschossfenster horizontale Akzente. Über dem dunkelgrauen Putzsockel ist die Fassade rosé gefasst, und die Fenster sind in hellgrau abgesetzt. Ein weiter Dachüberstand markiert den Ansatz des gebrochenen Pyramidendaches. Die Dachhäuschen entsprechen, soweit es die überlieferte Fassadenansicht zeigt (Dautermann 2017, S. 61, Abb. 12), dem bauzeitlichen Konzept. Der Mittelrisalit ist mit einer reich ausgestalteten Schildkartusche bekrönt, die das mit einer Krone ausgezeichnete Wappen der Familie von der Leyen aufnimmt. Rückwärtig schließt ein zweigeschossiges Nebengebäude an, das in reduzierter Form den Fassadendekor fortschreibt.

Johanns Enkelin Maria heiratete Cornelius Floh, nach dem das Haus seinen heutigen Namen trägt. Bis 1898 blieb das Haus Eigentum der Familie Floh. Nachdem es zunächst in städtischen Besitz überging, zog die Stadtsparkasse 1938 nach umfänglichen Restaurierungen durch den Krefelder Architekt Hugo Lechmig in das Gebäude (Dautermann 2017, S. 61). In den 1950er Jahren baute die Sparkasse das kriegszerstörte Haus wieder auf und ließ gleichzeitig auch im Inneren in begrenztem Umfang Ausstattung rekonstruieren. 1959 erwarb die AOK Krefeld das Haus, die es bis heute als ihren Sitz nutzt. Das Objekt Floh’sches Haus in Krefeld ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste Krefeld, laufende Nr. 324, Eintrag in die Denkmalliste am 04.06.1985). Sabine Lepsky, Forschung am Bau GbR, Köln / Institut. Industrie-Kultur-Geschichte-Landschaft / Köln

Sabine Lepsky, Forschung am Bau GbR, Köln / Institut. Industrie-Kultur-Geschichte-Landschaft / Köln

Internet

de.wikipedia.org: Haus Floh (abgerufen 02.11.2020)

www.wikiwand.com: Von der Leyen (Seidenweberfamilie) (abgerufen 25.11.2020)

www.krefeld-entdecken.de: Haus Floh (abgerufen 02.11.2020)

Literatur

Brües, Eva (1967): Krefeld – 1. Stadtmitte. Düsseldorf. S. 53 (= Die Denkmäler des Rheinlandes, Band 12).

Dautermann, Christoph, Häuser der Verleger und Weber im Krefelder Stadtbild – oder: Die Legende vom Krefelder Wohnhaus. In: Industriekultur. Krefeld und der Niederrhein, hrsg. von Walter Buschmann, Essen. S. 53-71.

Richter, Olaf (2017): Landschaften der Proto-Industrialisierung in Westdeutschland: Krefeld und der mittlere Niederrhein. In: In: Industriekultur. Krefeld und der Niederrhein, hrsg. von Walter Buschmann, Essen. S. 27-52.

Schmidt, Clara Bettina (1997): Michael Leydel. Ein Architekt bürgerlichen Bauens in der Zeit der Aufklärung. Wuppertal.