Hauptbahnhof Krefeld
Am Hauptbahnhof 1




Sabine Lepsky
Hauptbahnhof Krefeld

Für den 1907 neu eröffneten Krefelder Hauptbahnhof lieferte der Architekt und Eisenbahn-Baubeamte Karl Biecker (1859-1927) den Entwurf. Dieser nimmt axialen Bezug auf den nach Süden verlängerten Abschnitt des Ostwalls der Stadt. Der Neubau ging einher mit der zwischen 1906 und 1909 durchgeführten Erhöhung der Gleise. Zuvor hatte der wachsende Verkehrsanstieg des 1849 eröffneten Bahnhofs mit seinen zahlreichen Bahnübergängen zu deutlichen Einschränkungen geführt. Der zunächst von der Gladbacher Eisenbahngesellschaft – später von der Rheinischen Eisen-Bahngesellschaft - angefahrene Bahnhof wurde ab 1851 auch von der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft genutzt. 1856 kam die Strecke Krefeld-Köln und 1863 die Strecke Krefeld-Kleve hinzu. Ein 1871 eröffneter Fußgängertunnel und der Bau einer Fußgängerbrücke konnten die Situation nur bedingt entschärfen. Für eine dringend notwendige bauliche Anpassung der inzwischen verstaatlichten Bahn an die prekäre Verkehrslage wurden 1896 die vertraglichen Grundlagen zwischen der Stadt Krefeld und dem preußischen Staat geschaffen. Zunächst entstand 1899-1902 der neue Verschiebe- und Güterbahnhof und 1904 ein Notbahnhof an der Hansastraße, so dass nach Abriss des alten Bahnhofsgebäudes der Neubau an gleicher Stelle begonnen werden konnte. Neben dem Bahnhofsneubau in Krefeld war Bieker zeitgleich auch mit den Hauptbahnhöfen von Mönchengladbach, Rheydt und Neuss beschäftigt. Zuvor hatte er 1899-1902 am Entwurf des Koblenzer Hauptbahnhofes mitgearbeitet. Zu seinen späteren Arbeiten zählt der 1911 -1914 in Zusammenarbeit mit dem Regierungsbaumeister Hugo Röttcher erbaute Bahnhof Köln-Deutz.

Karl Bieker entwarf für die Stadtfront des Krefelder Bahnhofs ein abwechslungsreiches Zusammenspiel mehrerer Abschnitte, die in der Addition unterschiedlicher Breiten einen 113 m langen Baukörper ergeben. Die Trauf- und Firsthöhen verspringen, sämtlich weit überragt von dem 56 m hohen Uhrenturm. Nordische Renaissance, Frühbarock und Jugendstil geben den Rundbogenöffnungen, Giebelvariationen und der Bauplastik jeweils eigene Akzente einer späthistoristischen Stilsynthese. Zusätzlich belebt wird die Fassade durch den Einsatz der verschiedenen Steinvarietäten Basaltlava, Sandstein und Tuff in verschiedenen Oberflächenbearbeitungen im Spektrum von grob bossiert bis flächig. Verbunden werden die abwechslungsreichen Frontabschnitte durch eine Horizontale, die als Gesims, Sohlbank, Kämpfer oder Dachansatz durchbindet. Im Zentrum steht der mit einem Rundbogen und dreiteiligem Portalfenster überfangene Haupteingang, der als ‚Tor zur Welt‘ die Reisenden empfängt. Ihm zur Seite steht der Uhrenturm, der allseits sichtbar dem Reisenden die Zeit anzeigt, die im Fahrplan der Eisenbahn über Regionen und Ländergrenzen hinweg synchronisiert wurde. Im Inneren ist die ca. 20 m hohe Kuppelhalle das Zentrum des Bahnhofs. Als Empfangsaal erhielt sie eine aufwändige Ausstattung mit Wandverkleidungen aus Marmor und Schablonenmalerei im Gewölbe. Neben der großen Empfangshalle mit dem Schalterbereich nahm der Bahnhof die für die Zeit üblichen Service- und Funktionsräume wie Wartesäle für die verschiedenen Klassen, Speisesaal, Küche und Wirtschaftsräume auf.

Nach 1945 war die Behebung von Kriegsschäden ein dringendes Erfordernis. Dazu gehörte neben Glaserneuerungen und Sanierungen im Inneren eine Neueindeckung des ehemals in Schiefer gedeckten Daches mit modernen Ziegeln. Ein- und Umbauten der Nachkriegszeit prägten über lange Zeit das Interieur. Im Zuge der 1994-96 durchgeführten Sanierung und Anpassung des Bahnhofs an moderne Ansprüche wurden Einbauten der Nachkriegszeit entfernt und durch ein modernes Reisezentrum und Geschäfte ersetzt. Auf der Basis einer restauratorischen Befundung von 1989 konnten in den 1990er Jahren Fassung und bauzeitliche Schablonenmalerei im Kuppelsaal wiederhergestellt werden. Die Anbindung des Bahnhofs an die Südstadt hatte eine Verlängerung des Personentunnels zur Folge, an dessen Ausgang man eine Glashalle mit Pyramidendach setzte. Die Lichtinstallation „Im Vorübergehen“ von Günther Dohr setzt auf der Südseite des Tunnels einen modernen Akzent, während zur Bahnhofsseite im Personentunnel noch Wandfliesen aus „Meißner Platten“ (SOMAG Sächsische Ofen- und Wandplattenwerke) der Erbauungszeit erhalten sind. Das Thermenfenster über dem Südtunnel zeigt heute die in Buntglas ausgeführte Verglasung „Bewegung und Weite“ des Künstlers Hubert Spierling (1925-2018).

Über den Personentunnel werden die Bahnsteige mit der Bahnsteighalle erschlossen. Die dreischiffige Halle mit 59,6m Breite und 102m Länge wurde 1907 geliefert und aufgebaut durch die Firma Dortmunder Brückenbau C. H. Jucho. Die drei Schiffe mit vollwandigen Bogenbindern überspannen 15,7 – 24 – und 19,9 Meter. Das Mittelschiff ist als Dreigelenkbogen mit Zugband ausgebildet mit Gelenken im Scheitel und an den Fußpunkten der Bögen. Die Seitenschiffe sind als Zweigelenkbogen mit unterspannten Bogenbindern konstruiert. Die Pfetten sind als Gerberträger ausgebildet. Auf den Bahnsteigen befinden sich noch kleine, bauzeitlich Holzfachwerkgebäude, die ursprünglich wohl als Dienstgebäude dienten.

Parallel zum Personentunnel führt ein Gepäcktunnel unter sämtliche Gleise von der ehemaligen Gepäckabfertigung in der Empfangshalle bis zu einer heute vermauerten Tunnelöffnung, die zur Krefelder Südstadt führte.

Das Objekt Hauptbahnhof in Krefeld ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste Krefeld, laufende Nr. 554, Eintrag in die Denkmalliste am 02.12.1986).

Sabine Lepsky, Forschung am Bau GbR, Köln / Institut. Industrie-Kultur-Geschichte-Landschaft / Köln

Internet

de.wikipedia.org: Krefeld_Hauptbahnhof (abgerufen 02.11.2020)

www.krefeld-entdecken.de: Hauptbahnhof (abgerufen 02.11.2020)

de.wikipedia.org: Karl_Biecker (abgerufen 25.11.2020)

kultur-in-krefeld.de: Guenter Dohr(abgerufen 25.11.2020)

Literatur

Krings, Ulrich: Bahnhofsarchitektur. Deutsche Großstadtbahnhöfe des Historismus, München 1985 (Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts, Bd. 46).

Martin, Sebastian: Großstadtbahnhöfe des 19. und 20. Jahrhunderts in NRW und die Anpassung ihrer Empfangsgebäude, in: Walter Buschmann (Hg.): Zwischen Rhein-Ruhr und Maas. Pionierland der Industrialisierung – Werkstatt der Industriekultur, Essen 2013, S. 249-285

Meyer, Lutz-Henning (1989): 150 Jahre Eisenbahnen im Rheinland. Entwicklung und Bauten am Beispiel der Aachener Bahnen, Köln (Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland, hrsg. von Udo Mainzer, Bd. 30).

Mundhenk, Lutz: Der Krefelder Hauptbahnhof. Geschichte und Sanierung, in: Die Heimat 70, 1999, S. 104-110

Naumann, Ulrich: Eisenbahnlandschaft Niederrheinisches Industriegebiet, in: Walter Buschmann (Hg.): Industriekultur. Krefeld und der Niederrhein, Essen 2017, S. 328-361

Schwanke, Hans Peter: Architekturführer Krefeld. Krefeld 1996