Samt- Plüsch und Wollstoffweberei
Mottau & Leendertz

Lewerentzstraße 104, 106 / Tannenstraße 79




Heike Oevermann
Die Samtweberei Mottau & Leendertz in Krefeld

  • Bauzeit: 1880-90 (Blockrandbebauung), zwischen 1890 und 1910 Shed; 1951, 1960 (Erweiterungen); Umnutzung 2014-2017
  • Architekten: Josef Jansen (1960)
  • Architekten Umnutzung: Böll Architekten (1889-90, 1960); Strauß & Fischer (1954, Shed)

Seit 1889 stellte Mottau und Leendertz Samttextilien und war Gründungsmitglied der Niederrheinischen Sammet-, Plüsch- und Sammetbandfabrikaten, die 32 Firmen im Gründungsjahr 1900 verband. Seit den 1930er Jahre gehörte Mottau und Leendertz zu Scheibler & Co.

Der Komplex liegt an der Straßenecke Lewerentzstraße / Tannenstraße im südlichen Innenstadtbereich der Stadt Krefeld. Die zwei heute noch existierenden Bauten aus dem 19. Jahrhundert ergeben eine drei- und viergeschossige Eckbebauung und sind in Ziegelbauweise mit Holz-, beziehungsweise Eisentragkonstruktionen erstellt. Sie bilden eine regelmäßige, mit orange-gelblichen Klinkersteinen in dem ansonsten dunkelrotbraun gehaltenden Klinkermauerwerk leicht dekorierte Fassade zur Straßenseite. Die im Hof des Stadtblocks gelegene Shedhalle besteht aus einem halbhohen Kellergeschoss und aufgehenden Klinkermauerwerk der ursprünglichen Bauphase, sowie aus Erweiterungen und Dachkonstruktionen aus der Nachkriegszeit.

Zwei weitere Bauten ergänzen den Blockrand in der Lewerentzstraße. Der Bau von 1954 wird oftmals als Wiederaufbau bezeichnet und ist ein viergeschossiger Stahlbetonskelettbau mit Ziegelfassade, der als Verwaltungsgebäude genutzt wurde (heute als Torhaus bezeichnet). Auch das nach der Umnutzung sogenannte Pionierhaus (1960) wurde für die Verwaltung genutzt und ist ein Stahlbetonskelettbau ist, der allerdings die konstruktive Struktur seiner fünf Geschosse in der Fassade abbildet. Die Produktion wurde Anfang der 1970er Jahre eingestellt, zumindest reduziert, ein erster Bauantrag für Umnutzung von Teilflächen in der Blockrandbebauung wurde 1972 gestellt. 1977 erfolgte dann auch die Umnutzung der Shedhalle zum Parkhaus. Die Blockrandbebauung des Komplexes wurde von der Stadtverwaltung bis 2007 genutzt, Einbauten und Veränderungen wurden vorgenommen. Von 2007-2014 stand der Komplex leer, dann übernahm die UNS gGmbh den Komplex in Erbpacht, unterstützt und initial finanziert von der Montagsstiftung.

Der Komplex beherbergt seit 2017 kleine Unternehmen, Pioniere und Start-ups in den ehemaligen Verwaltungsbauten, 37 Wohnungen in den Bauten des 19. Jahrhunderts und nachbarschaftliche Nutzungen, insbesondere in der Shedhalle. Eine Besonderheit zeichnet dieses Konversionsmodell aus: die Mieten sind reduziert monitär zu leisten und erfordern einen Beitrag zum nachbarschaftlichen Engagement im Viertel. Damit leistet die Erhaltung und Konversion der Textilfabrik einen vielschichtigen Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung.

In Krefeld setzte die Fabrikation von Samt- und Seidentextilien durch den Einsatz mechanischer Webstühle erst relativ spät in den 1860er bis 1880er Jahre ein. Die Unternehmen reagierten damit auf die starke Konkurrenz aus Frankreich, Lyon und der Schweiz, die ihre Produktion bereits modernisiert hatten. Einer der ältesten noch existierenden Fabrikkomplexe in Krefeld ist die Samt- Plüsch und Wollstoffweberei Mottau & Leendertz mit Gebäuden von 1880-90.

Die Firma befand sich in dem dicht bebauten Stadtteil südwestlich des Südwalls in Richtung des 1847 eröffneten Hauptbahnhof. Diese Stadterweiterung erfolgte wie auch einige andere Erweiterungen nach den von Adolph von Vagedes 1819 geplanten vier Wällen, die bis heute den Kern der Stadt Krefeld beschreiben. Die südwestliche Erweiterung bestand aus 40 Stadtblocks, rasterartig angelegt, und wurde überwiegend in der Zeit von 1870er bis 1890er Jahre bebaut.

Mottau & Leendertz gehörte zu den Gründungsunternehmen des 1900 gegründeten regionalen Samtverbandes (Niederrheinischer Sammet-, Plüsch- und Sammetbandfabrikanten) mit 32 Unternehmen. 1882 sind im Krefelder Adressbuch 144 Samtfabriken aufgeführt, 1920 nur noch dreizehn, was den wirtschaftlichen Konzentrationsprozess der Zeit verdeutlicht; Mottau & Leendertz war 1970 immer noch mit fünf weiteren Firmen aufgeführt. Eine historische Mitteilung, nachgedruckt in der Festschrift der Krefelder Textilforschungsanstalt in den 1990er Jahren, dokumentiert Mottau & Leendertz sowie weitere Samtfirmen als Teil des Konsortiums Scheibler & Co; auch die Neue Rhein-Zeitung berichtet 1958 über vorherige Zusammenschlüsse. Vermutlich fand diese Konsolidierung in den Jahren 1928-1932 während der Weltwirtschaftskrise statt und ähnlich wie bei der Verseidag führten die Firmen die Produktion unter ihren ursprünglichen Namen weiter. 1950 waren mehrere Firmen des Scheibler Konsortiums an der Lewerentzstraße gelistet; neben Mottau & Leendertz und Scheibler & Co waren dies Christian Mengen & Co. sowie R. Schelleckes & Co.

Das Firmenarchiv, sowie die historischen Bauantragsunterlagen bis 1957 sind verloren, ebenso die technische Ausstattung und weitere Einbauten beziehungsweise Oberflächen, die mit der ersten Umnutzung entfernt oder verändert wurden.

Die Eckbebauung 1880/1890

Die Straßenecke Lewerentzstraße / Tannenstraße wurde mit einem drei- und einem viergeschossigen Eckgebäude mit Satteldach entlang der Straße bebaut. Diese Gebäude stehen unter Denkmalschutz und werden mit dem Baujahr 1880 (dreigeschossige Eckbebauung, 24,50 und 28,35 Längenachsmasse die acht (Lewerentzstraße) beziehungsweise zehn Achsen (Tannenstraße) aufnehmen, sowie ca. 11 m Breite) und dem viergeschossigen Ergänzungsbau (Achsmasse 36,67 x 13,50 m mit dreizehn Achsen) in der Tannenstraße von 1890 angegeben. Das Eckgebäude weist eine Holzbalkendecke im Abschnitt Tannenstraße eine tragende Mittelwand mit Außenwandstruktur auf.

Dies könnte auf eine Aufdoppelung des Gebäudes und zwei unterschiedliche Baujahre hinweisen und erklären, warum der später errichtete viergeschossige Bau in der Konstruktion anders, nämlich mit Stahlbalken und Stützen, sowie Kappendecken, ausgeführt wurde.

Auch dieser Bau weist, diesmal quer, eine Gebäudetrennwand auf; auch hier können zwei historische Bauabschnitte vermutet werden. Während in dem Eckbau die Erschließung über Treppen im Gebäudevolumen liegt, bildet das Treppenhaus des viergeschossigen Hauses entlang der Tannenstraße einen Anbau mit Außenaufzug im Hof.

Beide Bauten ergeben eine regelmäßige, mit orange-gelblichen Klinkersteinen in dem ansonsten dunkelrotbraun gehaltenden Klinkermauerwerk leicht dekorierte Fassade zur Straßenseite. Das älteste Gebäude erinnert ganz leicht mit seiner dreigeschossigen, horizontal gegliederten Baukörpergestaltung, mitsamt Sockel und dem kräftigeren Dachgesims an die dreiteilige Fassadengliederung eines florentinischen Palastbaus. Die Fassaden zeigen ein zurückhaltendes Dekor mit orange-gelblichen Klinkersteinen in horizontalen Bändern zwischen den Fensteröffnungen und als Teil des Geschoss- bzw. des Dachgesimses. Zudem sind Terrakottazierelemente zu finden.

Das Fassadenbild ist vertikal ausgeglichen durch regelmäßige und übereinanderliegende, längliche Fensterformate. Diese sind im Erdgeschoss rundbogig, wiederum aus dem gelblichen Klinker bestehend und mit einem Schlussstein in dunkelrotbraun gestaltet. In den beiden Obergeschossen sind sie segmentbogenartig und mit Schlusssteinen versehen. Die Fenster des mittleren Geschosses zeigen leicht nach innen versetzte Brüstungen, die die Fensteröffnung nach verlängern. Zwischen den Fenstern des zweiten und dritten Obergeschosses befinden sich kleine Rechtecke aus Ziermauerwerk, die das Fensterintervall gestalterisch unterstützen. Jeweils zwei angedeutete Risalite der straßenseitigen Fassade sind intensiver verziert, unter anderem mit Flachpilastern, Rundbogenfries aus gelben Klinker im Obergeschoss und Terrakottaformsteinen; an der Lewerentzstraße wird damit die Eingangsachse angedeutet. Die Straßenfassade des viergeschossigen Gebäudes weist grundsätzlich ähnliche Gestaltungs- und Gliederungselemente auf. Zwei betonte Geschossgesimse unterteilen das Erdgeschoss, einen Mittelteil, bestehend aus zwei Geschossen, und ein Dachgeschoss. Hiermit wird wiederum die klassische vertikal dreigeteilte Fassade erzeugt.

Im Detail bestehen weitere Unterschiede der zwei Gebäude. So bestehen zum Beispiel die vertikalen Bänder aus hellem Klinker zwischen den Fenstern aus zwei Linien, die Segmentbögen der Obergeschossfenster sind aus dem hellen Klinker gemauert, während die Rundbogenfenster Einfassungen in dunkelrotbraun erhalten haben, die durch Profilierungen eine Rustika andeuten. Beiden Bauten dienten wohl der Produktion, wie auch der Verwaltung und Lagerung.

Die Shedhalle, 1880/90?

Die große und kleine Weberei, so bezeichnet in einem Bauantragsplan von 1972, befanden sich in der hofseitigen Shedkonstruktion. Dieser Bau ist fast voll unterkellert, allerdings nur mit einem Halbgeschoss und um ca. 1,50 m gegenüber dem Hofaußenniveau erhöht. Vermutlich diente der Keller zur Führung der Transmissionswellen und –scheiben. Die Transmissionsriemen waren dann durch Öffnungen in der Erdgeschoßdecke mit den Webmaschinen verbunden. Diese, den eigentlichen Produktionsraum von störenden, sonst im oberen Bereich der Stützen montierten Transmissionssystem entlastete Art der Disposition, gab es schon 1854 in den Sheds der heute zum Welterbe zählenden Spinnerei und Weberei Saltaire bei Bradford, wurde in England allerdings in den 1870er Jahren wieder aufgegeben, da sich die Wartungsarbeiten zu schwierig gestalteten In jedem Fall war Schutz vor Grundwasser und Bodenfeuchtigkeit gegeben. In den 1950 Jahren wurde in der westdeutschen Zeitung von der Errichtung der Shedhalle berichtet, vermutlich war der Wiederaufbau und die neue Dachkonstruktion aus Stahlbindern, Glaspanelen und vorgefertigten Platten (Beton, Zement) gemeint. Kleine Erweiterungen wurden aus Stahlbeton im hinteren, südlichen Bereich und hin zu dem Bauteil Tannenstraße 79 vorgenommen.

Das Kesselhaus

Das zum Komplex zugehörige Kesselhaus, vermutlich auch aus der Bauzeit der Shedhalle befand sich auf der östlichen Seite des Komplexes in der Garnstraße. Es war in einem baufälligen Zustand und wurde 2017 abgerissen, nicht zuletzt um die von den Anwohnern gewünschte Teilnutzung der Shedhalle als Parkhaus getrennt von der Spiel- und Freizeitnutzung der Halle zu erschließen.

Der Verwaltungsbau, Fertigwarenlager und Versandgebäude von 1954

Der viergeschossige Bau hat eine Grundfläche von ca. 11 x 13,50 m und ist einseitig vom östlich gelegenen Treppenhaus erschlossen. Der Bau ist eine Stahlskelettkonstruktion mit Satteldach, die mit Ziegelmauerwerk verkleidet ist. Das Gebäude zeigt große, fast quadratische Fenster mit feingliedrigen Unterteilungen aus schwarz lackierten Metallfassungen in drei Geschossen und kleineren Mezzaninfenster unterhalb des Daches. Das über dem Erdgeschoss liegende Geschossgesims ist in einem schwarzen Stein ausgeführt, einem Material, das auch für die straßenseitige Einfassung der Toreinfahrt und der Eingangstüre verwendet wurde.

Der Verwaltungsbau von 1960

Der zweite Verwaltungsbau von Josef Jansen zeigt eine veränderte Gestaltung zu den Vorgängerbauten. Das zweihüftige Stahlskelettgebäude steht auf einer zweireihigen Mittelstützenkonstruktion, die Büros zu beiden Seiten und vor Kopf erlaubt. Im großzügig angelegten Mittelflurbereich befinden sich mittig eine einläufige Treppenerschließung und ein Aufzugskern. Der Bereich erhält Licht durch innenseitige Oberlichter und ist geprägt durch das Ziegelmauerwerk der Bürowände. Zudem ist diese letzte Erweiterung des Komplexes an das Treppenhaus und den Eingangsbereich des Torhauses angeschlossen.

Die Fassade des Bürogebäudes zeigt eine eher für die 1960er Jahre typische Gestaltung mit schmalen Profilen, die für eine Pfosten-Riegel-Betonstruktur verwendet wurden, die die gesamte Straßenfassade bedeckt und von einer gemauerten Ziegelwand eingerahmt wird. Die Brüstungselemente sind mit hellblauen Spaltklinkern verkleidet. Das oberste Geschoss ist zurückgesetzt und macht Platz für eine davorliegende Dachterrasse mit freistehenden, schmal bemessenen Rundsäulen, die das auskragende Dach stützen. Hier befand sich die Kantine des Industriekomplexes.

Erste Umnutzung (1972/73-2004)

Eckbebauung: Die zwei Gebäude wurden von der Stadtverwaltung als Büroräume genutzt. Dafür wurden kleinteilige Einheiten geschaffen und neue Einbauten, wie beispielsweise eine abgehängte Decke, vorgenommen. Ein Wasserschaden während des Leerstands hat weitere Schäden angerichtet, sodass Oberflächen weitreichend abgetragen wurden.

Shed: 1977 wurde eine Bodenplatte aus Beton ergänzt, um die Parkhausnutzung zu ermöglichen.

Verwaltungsbauten: Der Bau von 1951 wurde kleinteilig für die Bürofunktion umgebaut, während der Bau aus den 1960er Jahren eher unverändert weitergenutzt wurde.

Konversion zur Neuen Nachbarschaft und Alten Samtfabrik (2014-2017)

Das Beispiel von Mottau & Leendertz in Krefeld unterscheidet sich von vielen Erhaltungsansätzen in seinem Ansatz, Wohnungen, Büros und einen Nachbarschaftsraum als ein urban common, ein gemeinschaftliches Gut, zu entwickeln. Das Stadtviertel, das Probleme von Leerstand, baulichem Verfall und sozio-ökonomischen Herausforderungen aufwies und aufweist, sollte mithilfe der Erhaltung und Umnutzung auch Impulse für eine soziale und nachhaltige Stadtteilentwicklung erhalten. Die Montag Stiftung Urbane Räume gAG als Initialkapitalgeber entwickelte das Projekt mit ihrem Programm Nachbarschaften gemeinsam mit eben der Nachbarschaft und der Stadt Krefeld.

Die grundlegende Konstruktion des Modells ist: Der Grund und Boden verbleibt im Eigentum Stadt Krefeld, die Gebäude sind von diesem Erbbaupachtgeber an die gGmbH Urbane Nachbarschaft Samtweberei (UNS) als Erbbaupachtnehmer für 60 Jahre mit Optionen auf Verlängerung gegeben. Die Stadt verzichtet auf den Erbbauzins solange von den Nutzern Gemeinwesenarbeit geleistet wird, sodass die gemeinnützige gGmbH UNS durch das Engagement der Mieter*innen Nachbarschaftsangebote anbietet. Der Viertelsfond (Budget), der Viertelsrat (inhaltliche Ausrichtung und Verwendung der Ressourcen) und der Viertelsratschlag (eine Art Hauptversammlung der Akteure des Stadtviertels) sind die Formate mit denen auch die zukünftigen Kooperationen im Stadtviertel sichergestellt werden. Eine Mietergenossenschaft ist in Planung.

Der konkrete Umnutzungsprozess begann 2014. Zunächst wurde das Verwaltungsgebäude von 1961 in ein sogenanntes Pionierhaus umgewandelt, in dem Kleinstunternehmer und kreative Start-ups den schrittweisen Prozess der Belebung und Regeneration in Gang setzten. Einige Reparaturarbeiten waren nötig, aber keine größeren Eingriffe.

Das Torhaus (Verwaltungsgebäude von 1951) war das zweite Gebäude, das umgenutzt wurde. Hier wurden Einbauten, zusätzliche Decken und Trennwände aus der Zeit der Nutzung durch die Stadtverwaltung entfernt und die historischen Fenster repariert und mit einer innenliegenden Zweitverglasung in ihrer klimatischen Funktion aufgewertet. Geplant wurden die Eingriffe von den Architekten Strauß & Fischer, die auch Mieter des Komplexes wurden. Der erdgeschossige Raum im Torhaus wird als sogenanntes Wohnzimmer für Nachbarschaftsveranstaltungen genutzt und bietet neben einem Begegnungsraum auch eine Küche und Toiletten.

In einem weiteren Schritt entwarf das Essener Büro Böll Architekten den Umbau der beiden älteren und denkmalgeschützten Klinkerbauten für eine Mischung aus ein bis fünf Zimmer Wohnungen errichtet worden. Für 1/3 der Wohnungen gelang eine öffentliche Förderung für Haushalte mit geringem Einkommen. Für die anderen Wohnungen konnte diese Förderung nicht erreicht werden. Durch den Umbau entstanden insgesamt 37 Wohnungen mit Zugängen und großzügigen Gemeinschaftsbalkonen, die beide zum Innenhof ausgerichtet sind. Obwohl das historische Erscheinungsbild der Hoffassade durch diesen Haupteingriff verändert wurde, konnte über diese oftmals konflikthafte Änderung der Fassaden eine Einigung mit den Denkmalbehörden erzielt werden. Die Architekten argumentierten, dass der Hof dieses Textilindustriekomplexes - wie die meisten Fabriken – einfacher gestaltet ist und immer wieder verändert und angepasst wurde, die Straßenfassade mit ihrem aufwändigeren Dekor jedoch nicht. Daher ließe - so wurde argumentiert –die Hoffassade neue Veränderungen zu, die Straßenfassaden hingegen nicht. Ein weiterer Vorteil der außenliegenden Erschließung ist, dass keine neuen Innentreppen zu einem zusätzlichen Verlust der historischen Bausubstanz geführt haben. Lediglich der frühere Außenaufzug wurde durch einen innenliegenden ersetzt, der in das vorhandene Treppenauge hereinpasste. Damit ist dieser Gebäudeteil, Tannenstraße 79, auch barrierefrei erschlossen. Zudem wurden die Fenster erneuert, die nicht mehr einheitlich erhalten waren.

Die Shedhalle wurde durch zusätzliche Öffnungen in den Wänden, im Dach verändert und durch eine neue Treppe gegenüber dem Eingangstor besser zugänglich und nutzbar. Die ehemalige Weberei-Produktionshalle fungiert nun als öffentlicher Raum, der verschiedenen Funktionen und Aktivitäten wie Spielplatz, Gemeinschaftsgarten, Sport, Begegnungsveranstaltungen und Parken dient. Diese spezifische gemeinsame Nutzung war das Ergebnis mehrerer Gemeinschaftsworkshops und der Zusammenarbeit von Anwohnern, Nutzern und Architekten. Der, auch durch Abrisse von Überdachungen geschaffene, offene und frei zugängliche Hofraum wurde mit Bäumen, einem weiteren Spielplatz, Bänken, und Fahrradabstellplätzen gestaltet. Insgesamt zeigt dieses Beispiel, wie viel Potenzial ein integrierter Ansatz von Erhaltung und Umnutzung hat, wenn ein Komplex nicht nur als denkmalgeschütztes Gebäude, sondern auch als wertvoller und gemeinschaftlicher Raum erkannt wird. Dies gilt für beide ehemalige Verwaltungsbauten, aber insbesondere auch für das Potenzial einer gewöhnlichen Shedhalle, die bisher nicht unter Denkmalschutz steht.

Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG, Projektnummer 338539858.

Literatur:

Beierlorzer, Henry: Nachbarschaft Samtweberei. In: Buschmann, Walter (Hrsg.) Industriekultur, Krefeld und der Niederrhein. Essen: Klartext, 2017, S. 178-186.

Brües, Eva: Die Denkmäler des Rheinlandes. Krefeld, Stadtmitte. Hersg. v. Wesenberg, Rudolf und Albert Verbeek, Düsseldorf: Rheinland-Verl., 1967.

Feinendegen, Reinhard; Vogt, Hans: Vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur Gegenwart (1918 - 2004). Krefeld, 2010.

Oevermann, Heike: Urban Textile Mills: Conservation and Conversion. Berlin: Bebra, 2021.

Landschaftverband Rheinland Rheinischer Städteatlas, Krefeld, Nr. 81. Köln u.a.: Böhlau.

Rouette, Hans-Karl: Seide & Samt in der Textilstadt Krefeld. Frankfurt am Main: Dt. Fachverl, 2004.

Traxler, Egon: Die alte Samtweberei: Fragmente einer Geschichte. Krefeld, 2016 (nicht publiziert).

Stadtarchiv Krefeld, Akte: Mottau & Leendertz

Mit 200jähriger Tradition, Westdeutsche Zeitung 25.01.1950

Die Seidenstrümpfe des Alten Fritz, Neue Rhein-Zeitung 31.12.1958

Digitales Bauaktenarchiv Krefeld
Kundenakte Tannenstraße 79, 05445-1500, Kundenakte Lewerentzstraße 104, 00716-1500, 05427-1501

Links:

https://samtweberviertel.de/

Stephan Strauß: Samtweberei Scheibler & Co. vormals Mottau & Leendertz. In: https://www.kuladig.de.