Rheinbrücke Krefeld-Uerdingen
Krefelder Straße




Christoph Becker
Rheinbrücke Krefeld-Uerdingen

Vorgeschichte

Vor der Errichtung einer Brücke behalf man sich in Uerdingen über Jahrhunderte mit einer Fähre. Die erste Uerdinger Brücke wurde 1795 von napoleonischen Truppen erbaut, um Düsseldorf zu erobern und war temporär aus Pontons hergestellt worden. Im Zuge des Eisenbahnausbaus am Niederrhein, 1851 in Gestalt einer Verbindung nach Homberg und Mönchengladbach, 1856 auch von Krefeld nach Köln, hoffte man in der Stadt Uerdingen auf eine Eisenbahnbrücke. Die Wünsche wurden nicht erfüllt.

Frühe Planungen

Seit dem Jahre 1910, der Krefelder Rheinhafen war seit fünf Jahren in Betrieb, wurde die Brücke auch in Krefeld stärker werdend diskutiert. Zuerst ging es immer noch, wie Jahrzehnte zuvor in Uerdingen, um eine Eisenbahnbrücke. Die eigentlichen Planungen der späteren realisierten Uerdinger Rheinbrücke hatten in den 20er Jahre ihren Ursprung. Der im Jahr 1920 als Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) gegründete Verband der Ruhrgebietsstädte, war Aufgrund des enormen Wachstums im Revier gegründet worden. In diesem Zuge wurde das bisher unterentwickelte Straßennetz neu ausgerichtet. Überlegungen für einen Anschluss der Ruhr Region an das Wirtschaftszentrum um Aachen, sowie die Niederlande, führte zu einer Planung einer neuen Fernstraße.

Durch das Inkrafttreten des Neugliederungsgesetzes am 1.8.1929 waren die beiden bisher eigenständigen Städte Krefeld und Uerdingen am Rhein in einer im deutschen Kommunalverfassungsrecht bis heute einzigartigen Konstruktion, einer so genannten „Dachgemeinschaft“ verbunden worden. Um 1930 gab die Stadtverwaltung Krefelds bekannt, dass das Bauprojekt zur Brücke über den Rhein „aus dem Land der Zukunftsträume in den Bereich realer Möglichkeiten“ gerückt sei und es gab erste Planungen, an welcher Stelle die Brücke linksrheinisches Gebiet berühren sollte. Ursprünglich sollte die Brückenverbindung bedeutend näher und in Uerdingen das Ufer erreichen. Ein Gutachten der TH Hannover führte allerdings zum einem entfernteren Standort, an dem die Brücke später auch gebaut werden sollte.

Aufgrund der Bereitschaft der NS-Reichsregierung, durch neue Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auch Gelder für Brücken bereitzustellen, stellte Krefeld 1932 einen entsprechenden Antrag. 1933 wurde sowohl der Krefelder Oberbürgermeister Hüpper beurlaubt und durch NSDAP-Mitglied Dr. Alois Heuyng als Oberbürgermeister der Stadt Krefeld ersetzt. Auch der Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen, zugleich „Erster Beigeordneter“ der Gesamtstadt Krefeld-Uerdingen a. Rh. wurde beurlaubt.

Planungen

Die zeitgleich 1933 ablaufenden Planungen zur Brücke liefen nun außergewöhnlich schnell, begleitet durch eine umfangreiche nationalsozialistische Propaganda. Es wurden dabei mit großen medialen Beteiligungen die Projektbewilligung gefeiert, die Zustimmung des Stadtrats war eine Formsache, die finanzieller Beteiligung der Industrie durch die IHK wurde zugesichert und entsprechend wirksam dargestellt, alle erforderlichen Genehmigungen wurden in Windeseile eingeholt und auch die Finanzierung geklärt. Es wird verlautbart, dass mit fünf Brückenbauanstalten Kontakt aufgenommen worden sei.

Ende September 1933 wurde der Kieler Brückenbau Experte Dr. e.h. Friedrich Voß zugezogen. Die Geschwindigkeit der Planungen lässt vermuten, dass detailliert ausgearbeitete Pläne zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen haben müssen. Bereits am 22. November 1933 wurde Seitens der „Internationalen Zentralkommission für die Rheinschiffahrt“ der dort vorgelegte Entwurf positiv beschieden. Am 21. September wurde der Name des Brückenbauprojektes auf „Adolf-Hitler-Brücke“ geändert.

Bauausführung

Am 29. November 1933 erfolgte der erste Spatenstich. Pläne und Entwürfe sind jeweils vom Brückenkonstrukteur Friedrich Voß abgezeichnet. Voß besuchte die technische Hochschule in Braunschweig und trat 1897 in den Dienst der Wasserbauverwaltung Harburg, später gehört er der Kanalisationsabteilung in Königsberg an. Von 1899 bis 1902 arbeitet Voß in der Brückenbauabteilung bei MAN. 1908 wird Voß an das Kaiserliche Kanalamt als der Leiter des Brückenbauamtes berufen. Er baut dort in dieser Zeit drei Hochbrücken über den Kaiser-Wilhelm-Kanal (heute Nordostsee-Kanal): in Holtenau (1912), Rendsburg (1913) und Hochdonn (1920). Die Brücken sind schon zu ihrer Zeit aufsehenerregende Bauwerke.

Federführendes Stahl-Brückenbauunternehmen der Rheinbrücke war die „Krupp Brückenbauanstalt“ der „Friedr. Krupp A.G. Friedrich-Alfred-Hütte“, im benachbarten Rheinhausen. Beim Gesamtgewicht von 7.000t Stahl lieferte Krupp 3.500t. Zudem war „C.H. Jucho“ als Stahlbau-Unternehmen aus Dortmund beteiligt, das wiederum bereits zusammen mit Voß die Rendsburger Hochbrücke 1913 erbaut hatte.

Aufbau der Brückenbauwerke

Die Uerdinger Brücke besteht aus mehreren einzelnen Brückenbauwerken. Bei allen Brückenteilen ist die Fahrbahn oben liegend. Die linksrheinische Anschlussbrücke in Uerdingen ist eine 88m lange und dreifeldrige Vollwand-Trägerkonstruktion mit Pendelstützen als Pfeiler. Es folgt die 500m lange und 19,5m breite eigentliche Strombrücke. auf dem gegenüberliegenden Ufer schließt sich die rechtsrheinische Vorlandbrücke in Mündelheim an, die eine 270m lange Fachwerkbrücke mit sechs Feldern.

Die dreifeldrige Strombrücke ist eine Zügelgurtbrücke. Bei dieser Art Hängebrücke wird das Tragseil nicht in Ankerblöcken an den Ufern befestigt, sondern mit den versteiften Längsträgern verbunden. Die Tragseile sind bei der Uerdinger Brücke keine Seile, sondern als Profilträger ausgebildet. Die Zügelgurtbrücke besteht - in Längsrichtung betrachtet - aus zwei auf dem jeweiligen Uferpfeiler aufstehenden 40m hohen Pylonen mit jeweiligen Auslegern. Diese beiden Brückenteile sind, mittels eines 50 m langen Einhängeträgers über der Strommitte, verbunden.

Der versteifte Fahrbahnträger der Brücke ist ein 7,25 m hoher durchlaufender Fachwerkträger, welche alle 6,25 m durch Querträger miteinander verbunden ist. Dieser Fachwerkträger wird alle 12,5m von den von den Pylonen seitlich herunter führenden Zuggurten, mittels schmaler Pfosten abgehangen.

Formgebung

Die Formgebung der Brücke, bei seitlicher Perspektive, ist durch den durchlaufenden Fachwerklängsträger geprägt und folgt den amerikanischen Vorbildern der großen Hängebrücken, wie beispielhaft der Golden-Gate-Bridge in San Francisco, aber im Unterschied zur 1938 bis 1941 gebaute Rheinbrücke Köln-Rodenkirchen, die mit einem 3,30m hohen vollwandigen Versteifungsträger konstruiert wurde.

Bei der Querung der Brücke fallen die 40m hohen Portalpylone besonders auf. Diese wurden auch als eine der wenigen Brücken im Bildband „Das Bauen in Neuen Reich“ in hoher Auflage publiziert und verdeutlichen so die Relevanz, die man der Architektur im nationalsozialistischen Staat beimaß, ohne dass auf die technischen Details einer eher amerikanischen Brückenkonstruktion einzugehen.

Eröffnung

Als „Adolf-Hitler-Brücke“ wurde sie am 7. Juni 1936 vom „Stellvertreter des Führers“ Reichsminister Rudolf Heß dem Verkehr übergeben. Die Baukosten betrugen 6,3 Millionen RM.

Sprengung

Am 4. März 1945, kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs, wurde die intakte Brücke durch deutsche Truppen gesprengt. In der Nacht zuvor hatten amerikanische Soldaten im Rahmen der „Operation Grenade“, dem koordinierten Vorstoß der alliierten Truppen bis zum Rhein, bereits zu Fuß die Brücke und somit den Rhein erstmalig und kurzzeitig überqueren können. Der rechtsrheinisch auslaufende Zuggurt wurde bei der Sprengung zerstört. Dieser Teil der Strombrücke stürzte durch das Gewicht und mit der Fahrbahn in den Fluß.

Wiederaufbau

Die Rheinbrücke wurde 1949 - 1950 in der ursprünglichen Bauweise und mit einem großen Teil des geborgenen Materials wieder aufgebaut und am 4. November 1950 vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Karl Arnolds als „Krefeld-Uerdinger Rheinbrücke" dem Verkehr übergeben. In der Region wird die Brücke jedoch mehrheitlich als „Uerdinger Brücke“ benannt.

Verstärkungsmaßnahmen

Um dem gewachsenen Verkehrsaufkommen standzuhalten, wurde die Brücke mehrfach, in Details des unter der Fahrbahn liegenden Längsträgers, verstärkt. Es wurden beispielsweise weitere Querträger eingebaut, der Fahrbahnbelag selbst wurde ebenso ersetzt.

Heutiger Zustand

Die Uerdinger-Brücke steht unter Denkmalschutz. Sie kann dem heutigen Verkehrsaufkommen bisher noch standhalten und wird im Rahmen der Bauwerksüberwachung durch Experten des Landesbetriebs „Strassen NRW“ engmaschig überwacht. Das erhaltene vollständige Planwerk der Brücke wurde dazu digitalisiert.

Ausblick

Es ist absehbar, dass die enorm gestiegene Anzahl der Fahrzeuge des Schwerlastverkehrs durch querende LKWs, schon jetzt eine zu hohe Beanspruchung für das Bauwerk darstellt. Die Brücke stellt heute eine jeweils einspurige Überquerung des Rheins sicher, laufende Planungen sehen allerdings den Ausbau der Rheinquerung in jeweils zwei Fahrspuren je Richtung vor.

Christoph Becker, Verein zum Erhalt des historischen Klärwerks in Krefeld Uerdingen

Literatur:

Festschrift zur Eröffnung der Uerdinger Brücke, Krefeld 1936

Der Brückenbau. Nach Vorträgen. Deutsche technische Hochschule, Prag 1921

Troost, Gerdy: Das Bauen im Neuen Reich, fünfte Auflage, erster Band, Berlin 1943