Uerdinger Rheinwerft mit Zollhaus
Am Zollhof 7




Christoph Becker
Uerdinger Rheinwerft mit Zollhaus

Vorgeschichte

Während des 17. und 18. Jahrhunderts fand am Niederrhein unter Anderem zwischen Kurköln, Brandenburg- Preußen, den Hohenzollern ein starker Wettbewerb um den Rheinhandel statt. Nach niederländischem Vorbild wurden Zollabgaben von Kurköln in Rheinberg, Kaiserswerth, Neuss und in Deutz erhoben. Nach einiger Zeit blieb am linken Niederrhein der Licent eine stehende Einrichtung, es war der Ursprung des Ausfuhr-, Eingangs-, und Transit- Zolls. Besonders Uerdingen war für Kurköln der hauptsächliche Einfuhrhafen, da durch die Versandung des Neusser Hafens die Einfuhren dort immer weiter zurück gingen.

In Uerdingen wurden für das Hinterland, die gesamte Herrlichkeit Krefeld, aber auch für Waren die bis nach Monschau oder Schleiden gingen, Zoll erhoben. Uerdingen selbst hatte Einnahmen durch den so genannten „freien Aufschlag“, der von allen Waren, die von den am Rheinufer anlegenden Schiffen direkt verkauft wurde, erhoben wurden. Um 1600 waren dies Kohlen und auch Salz, aber auch Kalk. Zudem wurde seit 1610 in Uerdingen auch der Kaiserswerther Zoll erhoben. Durch Veränderungen der Fahrrinne des Rheins bei Rheinberg, wechselte 1696 der Rheinberger- Zoll ebenfalls nach Uerdingen.

In Uerdingen wurden bis zu vier verschiedene Zölle erhoben, der Kaiserswerther Licent, der Soldatenzoll des Kurfürsten (vorher in Rheinberg), das städtische Uerdinger „Aufgeld“, der Land Zoll. Dies führte in der Folge dazu, dass die Frachtgebühren bei Anlandung in Uerdingen so erheblich gestiegen waren, dass Kaufleute versuchten diese Zölle zu umgehen, indem die Schiffer schon in Moers oder Essenberg anlegten. Man setzte als Gegenmaßnahme auf den Landstraßen Zollschranken ein, die aber auch findig umgangen werden konnten.

Beispielsweise ging der Handel in jenen Fällen per Schiff eine sehr kurze Strecke an Uerdingen vorbei, bis an das unter dem Einfluß der Stadt Linn stehende Ufer und von dort aus wurden die Waren über Land weiter transportiert. So wurden seit 1766 beispielhaft in Linn jährlich bis zu 12.000 Wagenladungen Kohle der Ruhrorter Kohlengesellschaft für Krefeld umgeschlagen. Stromauf und Stromab gab es nun auch Bemühungen eigene Häfen zu errichten, Rechtsstreitigkeiten mit Linn 1783 verhinderten dies aber erfolgreich. Denn die Rheinschiffahrt und der Güterumschlag waren über Jahrhunderte hinweg die wirtschaftliche Basis Uerdingens.

Handel in Uerdingen

Man hatte hier auch vergleichsweise wenig Aufwand, denn jahrhundertelang war der Uerdinger- „Hafen“ nur das mehr oder minder unbefestigte Ufer vor der Stadt, die natürliche Umschlagfläche zwischen der Stadtmauer und dem Rheinstrom. Dort gingen die Uerdinger „Rhinkadetten“ an Bord der anlegenden Schiffe und luden alle Waren, sei es in Säcken oder Fässern hinüber auf das Ufer und weiter zu den wartenden Kaufleuten, Fuhrleuten und Spediteuren. Der gesamte Verkehr bahnte sich dann seinen Weg durch die enge Stadt, am Marktplatz vorbei, in Richtung Hinterland.

Neuordnung und Industrialisierung

Uerdingen, als ein Handelsmittelpunkt der Region, wurde unter preußischer Verwaltung am 1. Juni 1819 zu einem der Hauptsteuerämter im Regierungsbezirk Düsseldorf erhoben. Dem untergeordnet waren damit die umliegenden Ämter Krefeld, Moers, Gladbach und Odenkirchen. Der Dienstsitz in Uerdingen ist bisher nicht bekannt.

1817 war ein erstes Dampfschiff am Uerdinger Ufer vorübergefahren, 1829 wurden Speditionen durch Theodor Müncker und Balthasar Erlenwein gegründet, es wurden regelmäßige Schiffsverbindungen ins Ausland aufgenommen. Das Ufer wurde zwar erstmals 1854 befestigt und dabei auch ein erster handbetriebener Kran angeschafft. Die Situation der Uferanlagen blieb dennoch vorerst schwierig.

Durch die Einrichtung zweier Eisenbahnlinien, zuerst der Ruhrort- Krefeld-Kreis Gladbacher Eisenbahn 1849, später zudem der Rheinischen Eisenbahngesellschaft, wechselte eine immer erheblichere Menge des Stückgutverkehrs der vorher in Uerdingen abgewickelt wurde, auf diese Bahnlinien. 1852 wurde ein Packhof mit Zollrevisionsanstalt am Werft durch die preußische Regierung erbaut, darin fand auch die bereits 1831 laut der internationalen Vereinbarung der Rheinschiffahrtsakte erforderlich gewordene Einrichtung eines Freihafens ihren Ort.

Zollgebäude

Das Zolldienstgebäude wurde als zweigeschossiges, fünfachsiges Hauptgebäude mit dreiachsigem, übergiebeltem Mittelrisalit an den beiden Traufen errichtet. Das stromab liegende, erhaltene Packhaus ist als ein eingeschossiger Backsteinbau mit regelmäßiger Lisenengliederung und Traufgesims errichtet worden. Bis 2006 bestand ein weiteres Packhaus spiegelbildlich stromauf, das mit den beiden verbleibenden Gebäuden zusammen „den Zollhof“ bildete.

Lokale Industrie

Mit der Zollverwaltung und besonders dem seit 1874 gestiegenen Umschlagbedarf, der sich in Uerdingens nun rasch entwickelnder Industrie abzeichnete, als Büttner Werke, Uerdinger-Aktien-Spritfabrik, Ter Meer, Lienau, Alberdingk, Boley, Holtz & Willemsen, Wedekind Werke entstanden, wurde die Werft dringlicher. Denn der Bedarf an Rohstoffanlieferung und den Warenabsatz, sei es Öl, Früchte, Getreide, Metalle, Chemikalien und auch Kohle wuchs immens.

Die Verstaatlichung der vorgenannten Eisenbahnlinien 1880 ermöglichte dann auch finanziell, im Zusammenspiel zwischen Eisenbahnverwaltung und der Stadt Uerdingen, entlang des gesamten Ufers die Werft auszubauen und dort eine städtische Industriebahn, mit Anschluss zur staatlichen Eisenbahn am Uerdinger Güterbahnhof, einzurichten.

Uferbefestigung Der Querschnitt der dabei errichteten 2km langen Ufermauer ist: von der Normalwasserlinie aus ein befestigter und gemauerter Flutstreifen, der bis in eine 70cm hohe schräg ausgeführte kleinere Mauer, die Mauerkrone bei Pegel +2,5m führte. Daran schließt sich der ebenerdig ausgeführte Bereich des Leinpfads an. Hierauf baut die eigentliche 5,25m hohe Abschlussmauer, mit der Mauerkrone und dem Werftplateau bei Pegel +8,45m.

Die für die Uferregulierung zuständige Rheinstrombauverwaltung ist nur für die Unterhaltung des Ufers bis Mittelwasserhöhe zuständig und vermerkt in einem Bericht, dass keine besonderen Kosten für sie entstanden seien. In Uerdingen wurde dann dieser 1888 fertiggestellte großzügige Uferbereich im Volksmund dann als der „kostbare Rheinwerft“ bezeichnet.

1892 wurde das Hauptzoll- und Hauptsteueramt in das Zollamt umgewandelt. Zollamt und Packhaus ist erhalten und in als „Zollamt Uerdingen“ und „Post-Zollstelle“ in Dienst. Die gesamte Werftanlage ist erhalten, allerdings ist sie ungenutzt. Das Ufer wird zumindest noch als Ankerplatz für die Rheinschiffahrt in Verbindung mit dem Chempark genutzt, ein Steiger für die unregelmäßige Ausflugsschifffahrt.

Christoph Becker, Verein zum Erhalt des historischen Klärwerks in Krefeld Uerdingen

Literatur:

Jasmund, Robert: Denkschrift „Die Arbeiten der Rheinstrom-Bauverwaltung 1851-1902, Halle a. S, 1900

Kordt, Walter: Die Krefeld Uerdinger Rhein und Hafenindustrie, Krefeld 1963

Vogt, Hans, Kleine Wirtschaftsgeschichte der Rheinstadt Uerdingen, Heimat Krefeld, Verein für Heimatkunde e.V., Krefeld, 53, 1982, S.137ff