Stadtpalais Conrad von der Leyen
heute Rathaus Krefeld

Von-der-Leyen-Platz 1, Westwall 141




Sabine Lepsky
Stadtpalais Conrad von der Leyen in Krefeld

1791-94 ließ der Seidenverleger Conrad von der Leyen ein Stadtpalais errichten, das mit seiner architektonischen Ausstattung alle bis dahin gebauten Stadthäuser Krefelds übertraf und Ausdruck der selbstbewussten Haltung seines wirtschaftsbürgerlichen Bauherrn ist. Die Wahl des Bauplatzes fiel auf ein großes Grundstück unmittelbar vor der Westgrenze der 4. und 5. Stadterweiterung. Mit eigens erwirkter königlicher Erlaubnis durfte die Stadtmauer hier durchbrochen werden und gab Platz für ein großzügigen Hauses mit Park (Schmidt 1997, S. 82).

Das von der Leyen’sche Anwesen reiht sich in die dichte Folge repräsentativer Bauten, die im Norden Krefelds entstanden und das Stadtbild Krefelds entscheidend prägten. Bauherrn sind allesamt Seidenverleger, davon einige Mitglieder von Conrads Familie wie das für Friedrich und Heinrich von der Leyen errichtete Wohn- und Geschäftshaus in der Friedrichstraße 54 (später genannt Haus Jörgens) oder das sog. Haus Floh Ecke Friedrichstraße/ Carl-Wilhelm-Straße für seinen Bruder Johann. Die 1656 aus Radevormwald immigrierte mennonitische Familie hatte mit der Produktion und dem Handel von Seide einen wesentlichen Beitrag zum ökonomischen Aufstieg und Ansehen der Stadt geleistet und gleichzeitig natürlich auch zum Erfolg der eigenen Familie, der durch vom preußischen König verliehene Monopolstellungen für die Herstellung von Seidenstoffen und die Verwendung von Seidenzwirnmühlen noch gefördert wurde (Richter 2017, S. 37).

Der Architekt Michael Leydel wusste die baulichen Wünsche dieser anspruchsvollen Klientel mit fein abgestimmten Bauprogrammen für deren Wohn- und Geschäftshäuser perfekt zu bedienen. Der aus Poppelsdorf stammende Leydel war seit den 1770er Jahren in Krefeld tätig und unterhielt ab 1778 in unmittelbarer Nachbarschaft zu seiner exklusiven Kundschaft einen Bauhof zwischen Lutherische-Kirch-Straße und Friedrichstraße. Hier beschäftigte er Künstler und Handwerker aller Gewerke, die für seine hochwertigen Aufträge notwendig waren (Stukkateure, Kunstschmiede, Vergolder etc.), so dass Architektur und Innenausstattung aus einer Feder stammten. Dieses Modell stellte die „bürgerliche Variante des Hofbaubetriebes“ (Schmidt 1997, S. 14) dar. Es war für eine unternehmerische Bauherrenschaft abgestimmt, die mit ihren Projekten adlige Lebensweisen imitierten. Ihre vielfache Benennung als Seidenbarone ist in dieser Hinsicht bezeichnend (van de Kerkhof 2017, S. 12). In dieses Bild passen die Bemühungen des Bauherrn von der Leyen um die Erhebung in den preußischen Adelsstand, die 1786 zusammen mit seinen Brüdern Conrad und Heinrich erfolgte.

Michael Leydel verstarb bereits 1782 im Alter von nur 33 Jahren. Sein ebenfalls als Architekt ausgebildeter Bruder Martin zog nach Krefeld, übernahm die Geschäfte seines Bruders und fand damit auch den Zugang zu Auftraggebern wie Conrad von der Leyen. An der Autorenschaft Martin Leydels am Stadtpalais-Entwurf bestehen allerdings für Clara Bettina Schmidt Zweifel, da große Übereinstimmungen zum Brüsseler Conseil de Brabant bestehen, an dessen Planung Michael Leydel ab 1778 beteiligt war (Schmidt 1997, S. 83-84). Das für diesen entworfene dreigeschossige Stadtpalais erhielt im architektonischen Aufbau eine deutliche Zweiteilung, indem Leydel über einem durch Bänderputz rustiziert anmutenden Sockelgeschoss den beiden aufgehenden Geschossen eine glatt verputzte helle Fassadenfläche gab. Die Fenster der Beletage erhielten ein kräftiges Sturzgebälk, die des Obergeschosses dagegen nur eine schlichte Rahmung. Die durch den französischen Klassizismus geprägte Fassade bot die Folie für einen Portikus mit palladianischen Zügen. In Kolossalordnung nehmen sechs ionische Säulen einen faszierten Architrav auf. Ein weit ausladendes, umlaufendes Kranzgesims mit Attika bildet den oberen Dachabschluss, hinter dem. das flache Walmdach kaum sichtbar ist. Während der Bau heute in die Platzanlage eingebunden ist und sich sein Zugang nur wenig über die Platzfläche erhebt, führte ursprünglich eine Stufenanlage zum Portikus mit seinen fünf rundbogigen Öffnungen hoch. Ursprünglich waren nur die drei mittleren als Tür angelegt, rechts und links begleitet von je einem rundbogigen Fenster.

Stilistisch wurde die rückwärtige, platzabgewandte Fassade in der Manier der Neorenaissance deutlich zurückgenommener gestaltet als die monumentale Stadtseite. Seit 1860 wird das Gebäude als Rathaus genutzt. Zu diesem Zweck wurde es ab 1859 mehrfach umgebaut – der Umbau der rundbogigen Fenster zu Türen stammt aus dieser Zeit. Erweiterungen erfolgten im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert durch einen Anbau des Stadtbaumeisters Johann Burkart 1891 im Nordwesten und einen südwestlichen Anbau 1934-36 durch Prof. Dr. Josef Walther Hollatz.

1943 wurde der Bau bis auf die Umfassungsmauern und den Portikus zerstört und konnte bis 1955 rekonstruierend wieder aufgebaut werden – im Inneren unter Anpassung an funktionale und gestalterische Ansprüche der Zeit, wie etwa die Mosaike des Künstlers Hubertus Brouwer in den Deckenkassetten des Portikus zeigen. Trotz des nach Süden anschließenden viergeschossigen Komplexes von 1955-58 wird der Platz bis heute durch die klassizistische Architektur des Stadtpalais bestimmt.

Das Stadtpalais Von der Leyen in Krefeld ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste Krefeld, laufende Nr. 344, Eintrag in die Denkmalliste am 17.05.1985).

Sabine Lepsky, Forschung am Bau GbR, Köln / Institut. Industrie-Kultur-Geschichte-Landschaft / Köln

Links:

krefeld-entdecken.de: Rathaus (abgerufen 02.11.2020)

www.baukunst-nrw.de: Rathaus Krefeld (abgerufen 02.11.2020)

Literatur:

Mahlberg, Hermann Josef (1973): Der Architekt und Bildhauer Johann Georg Leydel. Ein Beitrag zur rheinischen Architekturgeschichte des 18. Jahrhunderts. (Diss.) Köln.

Richter, Olaf (2017): Landschaften der Proto-Industrialisierung in Westdeutschland: Krefeld und der mittlere Niederrhein. In: In: Industriekultur. Krefeld und der Niederrhein, hrsg. von Walter Buschmann, Essen. S. 27-52.

Schmidt, Clara Bettina (1997): Michael Leydel. Ein Architekt bürgerlichen Bauens in der Zeit der Aufklärung. Wuppertal.