Verseidag Hauptverwaltung,
Stadthaus Krefeld

Konrad-Adenauer-Platz, Krefeld




Sabine Lepsky
Verseidag, Hauptverwaltung

Zeitgleich mit dem Neubauvorhaben der Produktionsstätten für die Verseidag an der Girmesgath, dessen erste Bauten Mies van der Rohe entwarf, stand auch der Bau einer neuen Hauptverwaltung an, für deren Bauplatz das Gelände 500 m entfernt am Konrad-Adenauer-Platz reserviert wurde. Konkrete Planungen nahm Mies ab 1937 in Angriff. 1938 beteiligte sich sein Schüler Erich Holthoff am Entwurf, der seit 1934 die hauseigene Bauabteilung der Verseidag leitete (Lange 2019, S. 70 und Abb. 40-41). Die Emigration Mies van der Rohes in die USA 1938 und der Beginn des 2. Weltkrieges setzten dem Vorhaben zunächst ein Ende, das dann in der Nachkriegszeit wieder aufgenommen wurde. Mit Egon Eiermann (1904-1970) fiel die Wahl auf einen weiteren Architekten der Moderne, der sich mit seinen konstruktiv durchdachten, funktional gestalteten sowie auf Vorfertigung bedachten Industriebauten wie der 1950 fertiggestellten Taschentuchweberei im badischen Blumberg für das Projekt empfahl.

In der ganzen Breite des Konrad-Adenauer-Platzes errichtete Eiermann 1951-1953 den 125 Meter langen Verwaltungsbau für die Büros der Unternehmensleitung, der über dem halb aus dem Erdreich ragenden Untergeschoss drei aufgehende Geschosse erhielt. Für die auf Repetition setzende Fassade entwarf Eiermann ein dreigeteiltes Stahlrahmenfenster, das einen Großteil der in Stahlskelettbauweise konstruierten Fläche füllt (Lohmann 2017, S. 106-114). Dieses gestaltprägende Element erhielt mit seinem oberen, als Schwingflügel konstruierten Fenster und den beiden unteren Klapp-Verbundfenstern etwas Leichtes und Spielerisches in dem klar durchdeklinierten Fassadenraster. Wie schon Mies bei seinen Verseidag-Bauten entwickelte Eiermann die Fenster, die in limitierter Stückzahl für diesen Bau angefertigt wurden in Zusammenarbeit mit der Firma Fenestra Crittall. Den flächenbündig eingepassten Fenstern wurde ein Stahlrahmen aufgesetzt, der als aufstellbares Element die Rollläden aufnimmt. Jeweils zwei Fensterbrüstungen und der vertikale Betonpfeiler zwischen ihnen sind mit Mettlacher Platten belegt, so dass ein Rapport paariger Fensterfelder das Fassadenbild bestimmt und die anthrazitfarbenen Fliesen einen Kontrast zu den weiß gestrichenen Fenstern bilden. Trotz der im Verhältnis zur Geschossigkeit enormen Länge wirkt der Bau durch das Aufsockeln über der Platzfläche nicht gedrungen. Unterstrichen wird diese Wirkung durch den weiten, aufgestellten Dachüberstand und das langgestreckte Vordach, das von filigranen Rundstützen getragen wird und über eine Rampe zum Haupteingang des Gebäudes führt.

Auf der großen Freifläche im Nordosten des Verwaltungsbaus wurde 1954-1956 ein neungeschossiges Hochhaus für weitere Büros und Lagerflächen der Verseidag errichtet, dessen Planung ebenfalls von Egon Eiermann stammt. Horizontale Fensterbändern im Wechsel mit durchbindenden Brüstungsstreifen modifizieren die ältere Fassade der Hauptverwaltung. Die wiederum weiß gestrichenen Fenster im anthrazitfarben verkleideten Stahlbetonraster erhielten auch hier einen aufstellbaren Sonnenschutz – ein Bauelement, mit dem er sich Zeit seines architektonischen Schaffens immer wieder befasste. Der Erschließung des Hochhauses dient ein separater Treppenhausturm vor der straßenabgewandten Langseite, der neben großzügigen Fensterflächen weißen Verputz aufweist. Zur Seite des Konrad-Adenauer-Platzes wies in der oberen Zone weithin sichtbar das Firmenlogo auf den Firmensitz hin. Die binnenräumliche Erschließung zwischen beiden Gebäuden organisierte Eiermann über einen gläsernen, dreigeschossigen Verbindungstrakt. An die Nordostecke des Hochhauses schloss zudem noch die Botenmeisterei – die sog. Rampe - an.

Im Südosten des Geländes wurde 1953 eine Fahrradhalle mit Pförtnerloge erbaut. In gleicher Weise wie bei den Verwaltungs- und Lagergebäuden richtete Eiermann auch bei diesem Nebengebäude sein Augenmerk auf eine sorgfältige Detailplanung, was gerade bei der Gestaltung der gefliesten Wandflächen mit ihren sauber definierten Anschlüssen an die Stahlträger offenkundig ist. Die offen konzipierte Fahrradhalle erhielt ein Schmetterlingsdach, das im Süden auch die Pförtnerloge integrierte. Auf der Ostseite ließ 1956 Eiermann eine Glaswand als Windschutz anbringen. Heute ist der bauliche Bestand durch die Anbringung von Toren stark beeinträchtigt. Betroffen von der Krise in der Textilindustrie in den 1970er Jahren, baute das Unternehmen in großen Umfang Stellen ab und veräußerte in der Konsequenz auch den Gebäudekomplex am Konrad-Adenauer-Platz an die Stadt Krefeld, die die seitdem als ‚Stadthaus‘ bezeichnete Liegenschaft von 1979-81 zum technischen Rathaus umbaute. Der inzwischen sehr stark sanierungs- und restaurierungsbedürftige Komplex steht in Teilen leer. Seit 2014 ist das Hochhaus komplett freigezogen, seit 2015 zu einem Teil auch der ursprüngliche Verwaltungsbau.

Das Objekt Verseidag – Hauptverwaltung, Stadthaus Krefeld ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste Krefeld, laufende Nr. 836, Eintrag in die Denkmalliste am 16.06.1999); Fahrradhalle kein Baudenkmal, Denkmalwertprüfung 2017 positiv.

Sabine Lepsky, Forschung am Bau GbR, Köln / Institut. Industrie-Kultur-Geschichte-Landschaft / Köln

Literatur:

Hildner, Claudia (2019): „Rechenkünstler am Werk“ – Stadthaus Krefeld von Egon Eiermann verrottet. In: db deutsche bauzeitung, 9. September 2019.

Lange, Christiane (2019), Bauhaus nützlich. Die Avantgarde im Auftrag der Seidenindustrie. In: Blümm, Anke und Christiane Lange (Hg., 2019): Bauhaus und Textilindustrie. Architektur, Design, Lehre, München, London, New York, S. 24-89.

Lohmann, Daniel (2017): Stahlfenster von Fenestra-Crittall in den Bauten der Verseidag Krefeld. Bedeutung und Erhalt, in: Fenster im Baudenkmal: Wert – Pflege – Reparatur, Dokumentation zum 25. Kölner Gespräch zu Architektur und Denkmalpflege in Brauweiler, 13. November 2017, S. 100-114.

Schirmer, Wulf (1993): Egon Eiermann. Bauten und Projekte, Stuttgart.

Schwanke, Hans-Peter (1996): Architekturführer Krefeld, hrsg. vom Oberstadtdirektor der Stadt Krefeld. Planungsamt in Verbindung mit dem Stadtarchiv, Krefeld.