Farbwerk E. Ter Meer & Co / Chemische Fabriken Weiler-ter Meer / Bayer AG Werk Krefeld-Uerdingen / Currenta-Chempark




Stefanie van de Kerkhof
Currenta-Chempark / Farbwerk E. Ter Meer & Co / Chemische Fabriken Weiler-ter Meer / Bayer AG Werk Krefeld-Uerdingen

Gründung, Etablierung der Standorte und Bauten

Im Jahr 1877 gründete in Uerdingen bei Krefeld der Sohn eines mennonitischen Seidenfabrikanten und Neffe eines Farbstoffherstellers, Dr. Edmund ter Meer (1852-1931), ein international bedeutendes Werk im Dienste der regionalen Textilindustrie. Der in Straßburg promovierte Chemiker begann nach einjähriger Assistenzzeit im Wissenschaftlichen Labor der BASF in Ludwigshafen zunächst mit der Herstellung von organischen Farbstoffen, später mit Azo-Farbstoffen und anderen synthetischen Farben zum Einfärben von Wolle und Seide.

Zunächst umfasste das Werksgelände am Rheinufer etwa 2.000 qm, die sukzessive erweitert wurden. Die Beschäftigtenzahl stieg wie die Nachfrage schnell an: von einem Chemiker (1881) auf 25 (1882) und 180 Angestellte und Arbeiter (1895). Bei der Gründung konnte ter Meer die Geschäftsverbindungen seiner Familie aus dem Textilgeschäft, dem Handel und dem Bankgeschäft nutzen.

Die ter Meersche Fabrik war neben Leverkus (1834, Wermelskirchen, 1860, Wiesdorf bei Köln), Jäger (nach 1823, Barmen) Bayer und Weskott (1861, Barmen) eines der ersten Farbwerke in Deutschland, das synthetische Textilfarben aus Steinkohlenteer produzierte. Sie brachte 1897 eine weitere Produktinnovation mit Azofarbstoffen wie Azogelb (1881), Congorot und Benzopurpurin (1897) auf den Markt, die Baumwolle ohne Beizen direkt färbten und aufgrund von Kosteneinsparungen große Nachfrage der Färbereien erfuhren.

Kurz zuvor hatte ter Meer sein expansives Unternehmen mit der chemischen Fabrik seines Studienfreunds Dr. Julius Weiler (1850-1904) in Ehrenfeld, heute ein Stadtteil Kölns, zu den Chemischen Fabriken vorm. Weiler-ter Meer 1896 fusioniert. Das kleine Pionierunternehmen Weiler stellte seit 1861 ausschließlich Anilinöl für die Farbenfabriken her. Nachdem Weiler-ter Meer 1900 noch das Krefelder Farbwerk Küchler & Buff übernommen hatte, begann ab 1904 die Produktion des Weichmachers Mannol, ab 1905 des Farbstoffs Fuchsin und ab 1906 von Schwefelfarbstoffen und Bittermandelöl (Benzylaldehyd), seit 1908 in einer eigenen Schwefelsäureanlage.

Die Kölner Betriebe Weilers wurden ab 1901 nach Uerdingen verlegt, was erst 1914 mit dem Bau einer Anilinfabrik am Rheinufer abgeschlossen war. In diesem Jahr verfügte das Werk in Uerdingen bereits über 1.600 Beschäftigte, doch die Zahl sank mit dem Ersten Weltkrieg auf 1.300 (1916) ab.

Im Jahr 1910/11 wurde mit den Planungen für ein Kontorgebäude begonnen, dessen Fertigstellung sich bis nach 1917 hinziehen sollte (Schwanke 1987, S. 695). Dieses langgezogene Verwaltungsgebäude mit Wandpfeilern existiert nach Umbauten noch heute und prägt die östliche Werksansicht zum Rhein. Es wurde wie viele der Bauten für Weiler-ter Meer bzw. die IG Farben AG von der renommierten Krefelder Architektenfirma Girmes & Oediger geplant. Heinrich Oediger (1865-1938) und Wilhelm Girmes (1866-1917) gehören zu den wichtigsten Architekten am Niederrhein, deren breite Palette an Bauten für private Bauherren, Stadt und Industrie bis heute Städte wie Krefeld und Orte wie Oedt prägen. Weitere Hallenanlagen, Lagerhäuser, Laborgebäude, Schornsteine und Wassertürme sowie die Arbeitersiedlung für Weiler-ter Meer „dürften durch Girmes & Oediger geplant und erstellt worden sein.“ (Schwanke 1987, S. 693)

Nach dem Ersten Weltkrieg ging die Nachfrage zurück, zudem dauerte es bis zur Mitte der 1920er Jahre ehe sich im besetzten Rheinland die Absatzlage für Farbstoffe und Chemikalien durch die infrastrukturelle Problematik und die Trennung von den östlichen Märkten wieder stabilisierte. Zudem war die Wohnungsnot in den ersten Jahren nach dem Weltkrieg in Krefeld und Uerdingen groß, da auch die belgischen Offiziere, Verwaltungsstellen und Besatzungstruppen untergebracht werden mussten. Die Chemischen Werke Weiler-ter Meer unterstützten daher, nachdem schon 1907 erste Arbeiterwohnungen in Uerdingen und 1912 die Meistersiedlung in der Liebigstraße in Hohenbudberg auf Initiative des Firmengründers entstanden waren, ab 1920 den Bau einer größeren Zahl von Wohnhäusern im Uerdinger Nordbezirk (ter Meer-Siedlung am Stadtpark). (Verlinkung mit Nr. 25) Im Jahr 1923, auf dem Höhepunkt der Inflation, war diese Siedlung bereits auf 261 eigene Wohnungen und Häuser angewachsen. Zudem wurden an zentraler, exponierter Stelle am neuen Uerdinger Marktplatz „Am Röttgen“ 1921/22 gestalterisch ansprechende Angestelltenwohnungen erbaut.

Rationalisierung und Kriegswirtschaft

Hatten sich schon zuvor deutsche Chemieunternehmen im Krieg zu Zwei- und Dreibund zusammengeschlossen, so wurde nach dem Ende der Hyperinflation und der belgischen Besatzung des Niederrheins seit 1925 bzw. 1926 das Werk Uerdingen in die I.G. Farben-Industrie-Aktiengesellschaft (IG Farben) integriert. Dazu kam noch die nach dem Kriegsende erworbene, benachbarte Chromfabrik R. Wedekind & Co. Die Uerdinger Betriebe wurden nun für Anilinproduktion, die Fabrikation von Eisenoxidpigmenten nach den innovativen Verfahren von Dr. Julius Laux und Dr. Ulrich Haberland, für Lederdeckfarben, Kleb- und Riechstoffe, Weichmacher und Holzschutzmittel zuständig. Damit blieb auch die Beschäftigtenzahl mit 1.300 zunächst stabil, bevor in der Weltwirtschaftskrise die Zahl der Belegschaft auf rd. 1.000 zurückging. Ab den 1930er Jahren folgte noch schwerpunktmäßig die Herstellung von Chrom- und Zinkoxiden.

Die Rolle des Werks Uerdingen bei den verbrecherischen Aktivitäten des IG Farben-Konzerns im Nationalsozialismus bedarf noch genauerer Forschung. Fest steht, dass 1934 der Zinkoxidbetrieb in Uerdingen errichtet wurde, ebenso wie eine neue Oxidationsanlage für Benzoesäure. Mit dem Nationalsozialismus und der expansiven Umstellung auf kriegswirtschaftliche Produktion seit dem Vierjahresplan 1936 stieg die Beschäftigtenzahl sprunghaft von 1.400 (1934) auf 2.400 (1939) und über 3.000 (1944). Dieser Anstieg deutet auf eine wichtige Rolle für die Rüstungswirtschaft hin. Der IG Farben-Konzern war als eines der größten deutschen Unternehmen nicht nur ein zentraler Zulieferer von Rüstungsgütern wie chemischen Kampfstoffen, synthetischem Kautschuk (Buna) und Benzin sowie Kunstfasern, sondern organisierte über Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder wie Carl Krauch (1887-1968) und Fritz ter Meer (1884-1967), den ältesten Sohn Dr. Edmund ter Meers, auch die Rohstoffproduktion im Vierjahresplan und die Vernichtungspolitik an den europäischen Juden mit. Der Vorstand war z.B. zuständig für den Aufbau der Buna-Produktion im Vernichtungslager Auschwitz-Monowitz. Zudem wurden mehrere 10.000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt, eine Reihe von Unternehmen der vom Deutschen Reich besetzten Gebiete mit eigenen Plänen ausgebeutet und die militärische Expansion unterstützt. Im April 1945 wurde ter Meer von den amerikanischen Militärbehörden inhaftiert und wie die meisten der 22 anderen Angeklagten im IG Farben-Prozess, einem der Nürnberger Nachfolgeprozesse, 1948 als Kriegsverbrecher zu sieben Jahren Haft verurteilt, aus der er vorzeitig entlassen wurde.

Zerstörung und Wiederaufbau

Am Kriegsende sank nach schweren Bombardements die Zahl der Arbeitskräfte im Werk Uerdingen auf 1.680. Nach der Besetzung des Werkes durch die Amerikanische Besatzungsmacht 1945 und die Entflechtung der IG Farben AG durch die Alliierte Hohe Kommission 1950 schlossen sich 1951 die Werke Leverkusen, Elberfeld, Dormagen und Uerdingen in der Farbenfabriken Bayer AG, später mit fortschreitender Diversifizierung Bayer AG, zusammen. Der Wiederaufbau ging relativ schnell, noch vor der Währungsreform 1948 vonstatten. Schon 1947 wurde ein neuer Adipinsäurebetrieb fertiggestellt, wo man mit dem markenrechtlich geschützten „Mesamoll“ einen Weichmacher für PVC entwickelte. Neben Caprolactam, das seit 1952 in Uerdingen im Durethan-Betrieb zu Kunststoff- und Folienmaterial polymerisiert wurde, baute man 1956 noch einen Betrieb zur Herstellung des markenrechtlich geschützten Holzschutzmittels „Basilit“ und des Konservierungs- und Desinfektionsmittels „Preventol“ auf. In diesem Jahr wurde Fritz ter Meer zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Bayer AG ernannt (bis 1964). Ab den 1950er Jahren wird auch die Internationalisierung als wichtige Geschäftsstrategie der Vorkriegszeit mit dem Aufbau von Standorten in Nord- und Südamerika wieder aufgenommen. Zudem wurde im Jahr 1952 die Bayer Wohnungen GmbH gegründet. Dies ist der Wiederbeginn des Werkswohnungsbaus nach 1945, der v.a. in Krefeld-Gartenstadt schnell fortschritt.

Wirtschaftswunder und Diversifizierung

Am Beginn des Nachkriegsbooms verdoppelte sich der Umsatz des Bayer-Konzerns an allen drei Standorten von 1956 bis 1962, ebenso nahm die Beschäftigtenzahl von 27.000 (1948) auf 61.500 (1963) zu. Dies lag auch am durchschlagenden Erfolg neuer Produktlinien, die am Niederrhein lanciert wurden. Seit 1957 stellte das Werk Uerdingen auch weltweit nachgefragte Titandioxid-Weißpigmente her (in Leverkusen schon seit 1928 in der Gemeinschaftsfabrik von IG Farben und amerikanischer National Lead Company). Diese Pigmente waren Basis vieler Farben und Lacke (Weltverbrauch 1957 800.000 t, 1988 2,5 Mio. t). Die Produktionsanlage für Titandioxid wurde 1970 in Uerdingen durch einen nach dem Chloridverfahren arbeitenden Betrieb ergänzt. Außerdem begann Bayer in den 1960er Jahren, magnetische Eisenoxide für Ton-, Computer- und Videobänder zu entwickeln und setzte Ende der 1950er Jahre auf einen neuen Betrieb im Verbundsystem, in dem Schwefelsäure für die Titandioxid-Produktion zurückgewonnen wurde. Ebenfalls 1960 entstand eine Chloralkalielektrolyse, die Chlor und Natronlauge als Hilfsstoffe an alle Nachfrager auf dem Werksgelände absetzte.

Ein weiterer wichtiger Schritt für das Unternehmen war die Entwicklung des „Makrolon“, ein schlagfester, ungiftiger, leicht formbarer und bis über 100° Celsius temperaturbeständiger Kunststoff, der 1953 im Leverkusener und Uerdinger Hauptlabor durch Dr. Hermann Schnell entwickelt und patentiert und in mehr als 60 Typen und 500 Farbnuancen seit 1959 produziert wurde. Weitere hier entwickelte und produzierte Kunststoffe waren und sind die markenrechtlich ebenfalls geschützten „Durethan“ (1953), ein chemikalienbeständiges Polyamid, „Leguval“, ein ungesättigtes Polyesterharz für Großbehälter, Rohrleitungen, Auto- und Schiffbau, sowie die Lackrohstoffe „Alkydal“ und „Roskydal“, mit deren Entwicklung und Produktion schon in den 1920er Jahren in Uerdingen begonnen wurde. „Alkydal“ kam 1929 auf den Markt und gehörte zu einer neuen Klasse lufttrocknender Lackrohstoffe. In der Phase des Wirtschaftswunders wurde im Boom zunächst für die starke Nachfrage nach Alkydharzen eine Phtalsäurehydrid-Anlage (PSA) errichtet, dann 1966 eine Maleinsäureanhydrid-Anlage (MSA) angegliedert. Nachdem man schon 1937 im Leverkusener Hauptlabor das Polyadditionsverfahren für die Herstellung von Polyurethan entdeckt hatte, wurde das Werk Uerdingen seit 1965 zur Produktion des markenrechtlich geschützten „Desmodur“ 44 (MDI) ausersehen, eines Ausgangsprodukts für die Polyurethan-Chemie auf Anilinbasis. Es diente der Herstellung von Computerteilen, Fernsehern, Möbeln, Teilen für Autos, Häuser, Fenster, Container und den markenrechtlich geschützten „Rekortan“-Bahnen aus Polyurethan. Zur Belieferung mit dem Zwischenprodukt Formaldehyd folgte 1970 ein moderner Formalin-Betrieb für die Polyurethan-Produktion. Seit 1985 vertreibt Bayer weltweit die in Krefeld-Uerdingen hergestellten Produkte „Therban“ (Spezialkautschuk für den Offshore-Einsatz bei Ölbohrungen) und Makrolon CD 2.000 für die Compact Disc. Die CD löste eine zeitlang in massenhaftem Einsatz die Langspielplatten und Musikkassetten in der Gunst der Hörerinnen und Hörer ab, bevor der Trend sich auf online verfügbare Musik verlagerte. Etwa 75 Prozent aller CD-Rohlinge in Europa wurden aus Makrolon hergestellt. Uerdingen wurde damit v.a. zur „Metropole ... der thermoplastischen Kunststoffe und ungesättigten Polyesterharze“ (Verg 2019, S. 333).

Während viele ältere Bauten des Uerdinger Werks konventionelle Backstein-Lochfassaden aufwiesen, waren die Verwaltungs- und Verkaufsgebäude der 1950er Jahre typischerweise mit einer Rasterfassade aus Stahlbetonkonstruktion mit Putz oder Werksteinverkleidung ausgestattet, so Moritz Wild. Für den Neubau eines werkseigenen Kantinenbaus am Uerdinger Rheinufer wählte die Bayer AG dagegen eine symbolträchtigere Lösung, die sie als erstarkter Global Player in modernem Licht erscheinen ließ. Das sog. Bayer-Casino wurde vom renommierten Architekturbüro Hentrich, Petschnigg und Partner (HPP), die schon das Drei-Scheiben-Hochhaus in Düsseldorf entworfen hatten, in Form eines aus Glas und Aluminium nahezu schwebenden Quaders auf grüner Wiese am Rhein 1960/61 erbaut. Es sollte stilbildend für weitere Bauten von HPP in Essen (Fernmeldeamt), Düsseldorf (Verwaltung der Wayss & Freytag KG) und Berlin (Europacenter) werden, wurde aber 2019/2020 abgerissen. Im Jahr 1972 wurden HPP erneut für das Uerdinger Werk tätig und entwarfen als 11-geschossiges Hochhaus ein Bürogebäude für die Ingenieur-Verwaltung, das bis heute existiert.

Ein wichtiges Merkmal der betrieblichen Sozialpolitik der Bayer AG war daneben der Bau von Werkswohnungen und werksgeförderten Eigenheimen. Im Jahr 1977 fanden dort von den 10.000 Beschäftigten etwa ein Drittel ihre häusliche Unterkunft, v.a. in den Krefelder Stadtteilen Uerdingen, Gartenstadt und Elfrath, in denen stark standardisierte Wohneinheiten für die Beschäftigten des Werks entstanden.

Das Werk prägte aber noch wesentlich stärker das Stadtbild, indem Bauten für Freizeitaktivitäten wie Werksbibliothek (Gartenstadt), Ausbildungsstätten (Duisburgerstrasse in Uerdingen) und Infrastruktur für das Vereinswesen geschaffen wurde. In Uerdingen wurde z.B. schon 1905 der Werkssportverein FC Uerdingen 05 gegründet, der sich v.a. dem Fußball widmete und 1953 den Namenszusatz Bayer erhielt. Dazu wurde auch ein Trainingsgelände zwischen Uerdingen und Gartenstadt am Löschenhofweg errichtet, die Bundes- und Landesligaspiele fanden und finden im Krefelder Grotenburgstadion am Rande des Krefelder Stadtteils Bockum statt. 1985 gewann der Verein, der nach dem Ausstieg der Bayer AG aus der Finanzierung 1995 in der Regional- bzw. Oberliga spielte, noch den DFB-Pokal. Andere Werksvereine in Krefeld-Uerdingen, die teilweise schon um die Jahrhundertwende und in den 1920er Jahren gegründet wurden, verfügen nur teilweise über so prägnante bauliche Anlagen wie der Fußballverein. Dazu gehören der am Rheinufer situierte Kanu-Sport-Klub Bayer 1951 e.V. Uerdingen, der Sportverein SC Bayer 05 Uerdingen e.V. mit Sitz im Albert-Olbermann-Haus (Krefeld-Gartenstadt), der Schwimmverein Bayer Uerdingen 1923 mit eigenen Anlagen in Nachbarschaft zum Werksgelände am Uerdinger Waldsee gelegen, der Segelklub Bayer Uerdingen e.V. am Elfrathersee und der Uerdinger Tennisclub 1900 e.V. mit eigener Anlage im Uerdinger Stadtpark. Die Hobby- und Kulturvereine wie Musik- und Theatergruppen verfügten dagegen nicht über eigene Bauten in Krefeld, sondern nutzten meist temporär Betriebsstätten oder Werksgebäude.

Als sich 1967/1968 ein Ende des Booms abzeichnete, begann auch im Werk Uerdingen der Bayer AG die Suche nach verbesserten Produktionsmethoden, insbesondere was die Umweltverträglichkeit und den Abbau der Rohstoffe und Produkte anging. Zu den ersten Umweltschutzmaßnahmen in dieser Zeit gehören eine Verbrennungsanlage für organische Produktionsrückstände. In den Jahren 1975 bzw. 1980 folgten die erste und zweite Straße einer biologischen Kläranlage, 1982 errichtete Bayer die Deponie Nord. Bald darauf wird 1984/85 die zweite Rückverbrennungsanlage errichtet, der 1990 eine Rauchgasentschwefelungs- und Entstickungs-Anlage im Kraftwerk Nord folgten. Zudem begann die Werksleitung in Uerdingen mit dem Bau eines Reinwasser-Auffangsystems für die sparsame Wasserführung in den Betrieben, die 1999 endgültig fertiggestellt wurde. In den Jahren 1996 und 1997 wurde die Rückstandsverbrennungsanlage umgebaut und die Kläranlage modernisiert. Weitere Modernisierungen an den Werksteilen folgten, sind für die Gegenwart aber noch nicht abschließend erforscht.

Internationalisierung und Globalisierung

Schon in der Gründungsphase war das Uerdinger Farbstoffwerk international ausgerichtet, Edmund ter Meer betrieb das Auslandsgeschäft mit persönlichem Engagement. Schon 1882 legte er ausländische Farbstofflager in Österreich, der Schweiz, in Frankreich, England, Polen, Rußland, Spanien und den USA an. Nach 1900 baute er die internationale Verkaufsorganisation weiter aus und richtete Vertreterbezirke neu ein. Im Jahr 1907 wurden auf diese Weise z.B. Farbstoffe und Anilinprodukte im Wert von 1,6 Mio. Mark in die USA und von 1,2 Mio. Mark in den Nahen und Fernen Osten exportiert (Verkauf im Deutschen Reich ca. 1 Mio. M). Auch die Schweizer Farbenfabriken und Japan galten als „gute Kunden“. Auch Pulver- und Sprengstofffabriken des In- und Auslandes belieferte ter Meer in den Jahren der Aufrüstung vor dem Ersten Weltkrieg. Zudem verkaufte das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt Lizenzverfahren zur Zinngewinnung aus Färbereiabfällen an Seidenfärbereien in Basel, Lyon, Zürich, Como, nach Rußland und in die USA.

Während die in den Nahen und Fernen Osten exportierten Farbstoffe auch teilweise unter dem Namen anderer Firmen verkauft wurden, erfolgte die Distribution in China und Indien zumeist über dort ansässige einheimische Verkäufer. Im Ersten Weltkrieg kam der Auslandsabsatz bei Farbstoffen recht schnell zum Erliegen, obwohl 1914 rund 85% des Weltbedarfs an Farbstoffen von deutschen Unternehmen oder ihren Tochterwerken in Frankreich, England und Rußland gedeckt worden waren. England, Frankreich und die USA stellten alle deutschen Exporte ein und bauten stattdessen eine eigene Produktion von Farbstoffen auf. Dabei nutzten sie teilweise wohl auch das Know-how der deutschen Tochterunternehmen. Kleinere Länder wie die Schweiz, Italien und Spanien folgten. Während des Ersten Weltkriegs stellte auch ter Meer wie viele andere Chemieunternehmen auf Vorprodukte für die Sprengstoffproduktion um. Die schwierige Absatzlage war auch einer der Hauptgründe dafür, dass das ter Meersche Unternehmen 1916 auf Initiative von Carl Duisberg der Interessengemeinschaft der acht führenden deutschen Teerfarbenfabriken (u.a. Agfa, BASF und Bayer) beitrat und die benachbarte Chromfabrik R. Wedekind & Co. in Uerdingen übernahm.

Trotz geringer Kriegsschäden gestaltete sich der Absatz seit 1919 schwierig, v.a. wegen der Schutzzölle und heftigen Preiskämpfen. Ein weiterer, konsequenter Schritt ter Meers zur Absatzsicherung war daher 1925 der Beitritt zur IG Farbenindustrie AG, der aber nahezu das Ende der Azo- und Schwefelfarbenproduktion in Uerdingen bedeutete. Bis 1914 hatten die Chemischen Fabriken vorm. Weiler-ter Meer eine Palette von 60 Azo-Farben, 40 Triphenylmethanfarben, 19 Schwefelfarbstoffen und Schwerchemikalien wie Schwefel-, Salpeter- und Salzsäure produziert. Als Ersatz dafür entwickelte der Werkschemiker Julius Laux aus dem Eisenoxidschlamm der Anilin-Produktion neue Farb-Pigmente, auf die er 1925 eine Reihe von Patenten erhielt. Bald begann man mit der massenweisen Produktion und dem Export von Eisenoxidpigmenten, nach 1930 folgten stark nachgefragte Chrom- und Zinkoxide. Im Zuge der nationalsozialistischen Aufrüstung stieg allerdings auch die Inlandsnachfrage, z.B. nach Pulver- und Sprengstoffgrundstoffen stark an, der Export ging stetig zurück. Mit dem Zusammenschluss (1951) der Werke Dormagen, Leverkusen, Uerdingen und Elberfeld zur Farbenfabriken Bayer AG wurden die vorhergehenden kleineren Unternehmungen in Uerdingen und Dormagen endgültig Teil eines global agierenden Konzerns, dessen Absatzstrategien multinational ausgerichtet sind. Darin einbezogen waren seit 1907 ein Teil und seit 1921 der gesamte Stockhausen-Absatz im Ausland. Denn nachdem sich Bayer schon 1907 das Alleinverkaufs-Recht von Stockhausenscher Monopol-Seife zur Textilproduktion im Ausland gesichert hatte, erweiterte es seine Exportpalette seit 1921 weiter, denn es konnte nun auch alle Stockhausen-Produkte exportieren. Kurz nach der Übernahme des Stockhausenschen Exportgeschäftes expandierten die Farbenfabriken Weiler-ter Meer in Krefeld-Uerdingen auch im Ausland, z.B. in den USA und in Frankreich. Seit 1909 beteiligte sich Weiler-ter Meer an der Geigy Aniline and Extract Co. in New York mit Niederlassungen in Boston, Philadelphia, Atlanta und auch im kanadischen Toronto. Grund dafür waren organisatorische Umstrukturierungen dieses wichtigen internationalen Marktes und expansive Absatzstrategien. Im folgenden Jahr baute ter Meer zudem mit der Société Anonyme des Etablissements Weiler – ter Meer eine Filialfabrik in Tourcoing in Frankreich auf. Sie sollte hauptsächlich Azo- und Schwefelfarbstoffe für die um Roubaix und Tourcoing gelegene nordfranzösische Textilindustrie herstellen und hohe Schutzzölle umgehen.

Die für ein junges Unternehmen umfangreichen ausländischen Direktinvestitionen machen deutlich, dass sich in der Farbstoffindustrie hohe Gewinne in kurzen Zeiträumen realisieren ließen. Dies veränderte sich allerdings mit dem Ersten Weltkrieg, der die internationalen Absatzwege abrupt blockierte und zu langfristigen Veränderungen auf dem Farbstoffmarkt führte. Das Familienunternehmen Weiler-ter Meer und sein Auslandsgeschäft ging seit 1925 zunächst in der IG Farben AG und nach 1945 im Bayer-Konzern auf. Der Gesamtkonzern wurde nach vorhergehenden Planungen 1969/1970 im Jahr 1971 umfangreich neustrukturiert: es wurden neun Sparten gebildet, die als selbständige „profit center“ agieren sollten, und übergeordnet gab es neun Zentralbereiche wie Beschaffung, Werbung, Personalwesen. Daneben gab es weiterhin weit über 400 Verkaufsniederlassungen und mehr als 29 ausländische Tochtergesellschaften und Beteiligungen. Dabei spielten verschiedene Konzernstrategien eine Rolle, die längst nicht mehr den Bindungen an eine regionale Ökonomie im Raum Mittlerer Niederrhein Rechnung trugen. Im Jahre 1972 erfolgte noch eine längst fällige Neuerung: der Konzern mit seiner vielfältigen Produktpalette und diversifizierten Organisationsstruktur änderte seinen Namen am 30. Juni von „Farbenfabriken Bayer AG“ in „Bayer AG“.

Konzernumbau

Weitere Umorganisationen des Konzerns folgten 1984 und 2001, wobei auch eine Klagewelle in den USA gegen das Medikament Lipobay nach Aussagen der Werksleitung eine Rolle spielte. Seitdem vollzog sich eine tiefgreifende Neuorganisation der vorherigen Strukturen der Bayer AG in den Werken Leverkusen, Dormagen und Krefeld, die nun unter der Dachmarke „CHEMPARK“ geführt werden.

Der CHEMPARK Krefeld-Uerdingen gilt als führender Produktionsstandort Westeuropas für Polycarbonat und Polyamid, zudem werden Zwischenprodukte für Pflanzenschutzmittel, Eisen- und Titandioxid für Farbpigmente, Geruchs- und Geschmacksstoffe, insgesamt mehr als 2.000 verschiedene Chemikalien, produziert. Die 260 Hektar große Industriefläche mit über 40 Betrieben wurde zunächst von Bayer Industry Services (BIS), wird heute aber vom Unternehmen CURRENTA betrieben, das Dienstleistungen für die verschiedenen Chemieunternehmen und ihre rd. 7.500 (2016) Beschäftigten bereitstellt. Damit verschwand auch der Traditionsname Bayer sukzessive, der durch neue Unternehmensgründungen bzw. Umfirmierungen und Out-Sourcing z.B. in LANXESS (seit 2005, ehemals Bayer Chemicals und Teile von Bayer Polymers), Covestro (seit 2015 Kunststoff-Bereich von Bayer), Huntsman, Tronox Pigments GmbH und Underwriter Laboratories (UL) ersetzt wurde. Im städtischen Bereich sichtbares Zeichen für die vertiefte Kommunikation mit der Öffentlichkeit ist ein seit 2013 im Stadtkern von Uerdingen am Marktplatz eingerichtetes „Nachbarschaftsbüro CHEMPUNKT“, in dem Fragen zum Chempark gestellt, aber auch Werkstouren vereinbart werden können.

Stefanie van de Kerkhof, Mannheim / Krefeld

Literatur

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Bayer Werk Uerdingen, Krefeld-Uerdingen o.J., Firmenfestschrift

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Dormagen und sein Werk. 75. 1917-1992 Bayerwerk Dormagen. Dormagen 1992

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Dies. (2017): Vom “Rheinischen Manchester” zum modernen Chemiestandort. Der Mittlere Niederrhein als global vernetzte Regionalökonomie. In: Ute Engelen/Michael Matheus (Hg.): Regionale Produzenten oder Global Player? Zur Internationalisierung der Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Rheinland-pfälzische Wirtschaftsgeschichte im europäischen Vergleich (Geschichtliche Landeskunde Rheinland-Pfalz). Mainz, S. 105-120

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