Freudenthaler Sensenhammer H. P. Kuhlmann
Leverkusen-Schlebusch




Barbara Wunsch
Der Freudenthaler Sensenhammer H. P. Kuhlmann in Schlebusch




Der Freudenthaler Sensenhammer, Ansicht des Gesamtensembles von Osten, um 1900
Der Leverkusener Ortsteil Schlebusch wurde aufgrund seiner naturräumlichen Gegebenheiten früh Gewerbestandort. Betriebe, deren Produktion abhängig von der Wasserkraft war, profitierten vor allem von den vielen Flüssen, die Schlebusch und seine Umgebung prägen. Zu den bedeutenderen Flüssen zählt die Dhünn, die mit der Errichtung eines Hammerwerkes bereits im 18. Jahrhundert gestaut wurde. Zu diesem Zweck wurde ein enger Graben gezogen, für welchen Wasser von der Dhünn abgezweigt wurde. Dieses fließt durch den Obergraben über eine Strecke von 300 m bei einem Gefälle von damals 1,85 m bis zum Hammerwerk, treibt dort das Wasserrad an und legt durch den Untergraben vom Hammerwerk weg ebenfalls einen Weg von 300 m zurück, bevor es wieder in die Dhünn mündet. Südlich des Grabens steigt das Gelände steil an. In dem Tal liegt zwischen Ober- und Untergraben – vom Dorf durch ein Waldstück getrennt – das "Freudenthal".

Über den genauen Zeitpunkt der Stauung der Dhünn und der Errichtung des ersten Gewerbebetriebes an der Stelle der späteren Fabrik "H. P. Kuhlmann Söhne" ist nichts bekannt. Der erste schriftliche Beleg stammt aus dem Jahre 1801 und ist eine Eingabe des Mülheimer Kaufmannes Derick van Hees, welcher seinen 1778 konzessionierten Reckhammer in eine Öl-, Gersten-, Holz- und Gipsmühle umwandeln möchte. Das nächste schriftliche Zeugnis, eine Statistik des Herzogtums Berg aus dem Jahr 1817, nennt als neuen Besitzer Johann Caspar Lange aus dem westfälischen Haspe. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Anlage bereits "zwei Hammerwerke mit zwei Feuern und vier Arbeitern", die Rohstahl für Betriebe im Raum Remscheid und Solingen herstellten.

Urriss, 1829
Der Urkatasterplan aus dem Jahre 1829 zeigt einen Stauteich, zwei Schmiedekotten, eine Schleiferei, eine Mahlmühle, die wasserbaulichen Anlagen mit insgesamt drei Wasserrädern, ein Fachwerkhaus, ein Doppelwohnhaus sowie zwei weitere Arbeiterwohnhäuser und ein Fabrikantenwohnhaus. Die Ausdehnung lässt auf eine positive Entwicklung des Unternehmens schließen. 1825 verpachtete Lange den Besitz an Johann Friedrich Reusch.

Nach Ablauf des zweiten Pachtvertrages entschloss sich Lange, sein Freudenthaler Anwesen zu verkaufen. Zwei Sensenschmiede aus seinem eigenen Betrieb in Haspe erwarben den Besitz für 9.270 Taler: Carl Kuhlmann, geboren 1811, schloss 1836 den Kaufvertrag mit Lange, sein Vater Heinrich Peter Kuhlmann, Jahrgang 1784, fungierte als Bürge. Nach Vertragsschluss verging allerdings noch ein Jahr, bis die Firma auf den Namen H. P. Kuhlmann eingetragen wurde. Das Sortiment war anfangs breit gefächert und beinhaltete hauptsächlich Schmiedeprodukte. Laut einer Firmenwerbung aus dem Jahr 1840 umfasste das Angebot unter anderem Ambosse, Hacken, Schiffsanker, Sägen, aber auch schon Sensen, Sicheln und Sichten. Erst nach und nach spezialisierte sich das Unternehmen auf die Herstellung von Sensen, Sicheln und Messern für die Land- und Forstwirtschaft.

Nach dem plötzlichen Unfalltod von Carl Kuhlmann 1867 übernahmen dessen Söhne Heinrich (*1837) und Friedrich (*1840) den Betrieb und teilten die Leitung in den handwerklichen und den kaufmännischen Bereich auf. Dieses kluge Konzept dürfte einer der Gründe für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg von H. P. Kuhlmann Söhne sein.

Außerdem profitierte die Firma gegenüber anderen Betrieben von Standortvorteilen, zunächst durch den Rhein und später durch das Eisenbahnnetz. So verkürzte sich der Transportweg für Kohle und Rohstahl durch die Eröffnung der Köln-Mindener Strecke 1845 bereits wesentlich und betrug nach der Inbetriebnahme des Bahnhofes Schlebusch 1868 schließlich nur noch drei Kilometer. Als eine der ersten Sensenfabriken konnte sich die Firma 1883 zusätzlich zu den Wasserrädern eine Turbine leisten, zu der bereits 1892 eine weitere Turbine sowie eine Dampfmaschine hinzukamen, die die durchgängige Produktion unabhängig von den Wasserstandsschwankungen der Dhünn und ihrer Nebenflüsse ermöglichte, welche zuvor häufig zu Betriebsausfällen geführt hatten. Die moderne technische Ausstattung in Kombination mit der für die Rohstoffanlieferung extrem günstigen Lage verschafften der Firma H. P. Kuhlmann Söhne gegenüber anderen Sensenherstellern einen enormen wirtschaftlichen Vorsprung.

Firmenbriefbogen H. P. Kuhlmann Söhne, 1905
Im Jahre 1905 waren an den mittlerweile 15 Hämmern insgesamt 82 Arbeiter beschäftigt, darunter auch drei Frauen. Der Firmenbriefkopf aus demselben Jahr zeigt ein riesiges Firmengelände, welches allerdings zu Werbezwecken stark überdimensioniert und idealisiert dargestellt ist. H. P. Kuhlmann Söhne präsentiert sich als Großunternehmen, Medaillen verweisen auf die Teilnahme an Industrieausstellungen und auf erhaltene Auszeichnungen.

Das Firmenzeichen am Fabrikeingang, angebracht zum 100jährigen Bestehen 1937
Das Firmenzeichen der Herzsense wurde um die Jahrhundertwende eingetragen. Eine punktierte Linie zeichnet die innere Kontur des Herzens nach. Darin befinden sich die Initialen "K S" für "Kuhlmann Söhne" und unterhalb der Buchstaben die stilisierte Darstellung des Wasserrades. 1906/07 wurde ein Vertrag mit dem Bergischen Elektrizitätswerk geschlossen. Nun wurde die Wasserkraft mittels Generatoren in Strom umgewandelt, so dass einzelne Hämmer elektrisch betrieben werden konnten. Der Verkauf überschüssigen Stromes an das Bergische Elektrizitätswerk sicherte zusätzliches Einkommen.

Nachdem sich das Geschäft in den ersten Unternehmensjahren eher schleppend anließ, entwickelte sich H. P. Kuhlmann bis 1920 zu einem der drei größten Sensenhersteller Deutschlands mit einer Produktion von jährlich bis zu 200.000 Schneidgeräten in 208 verschiedenen Formen für die Land- und Forstwirtschaft. Die Sensen fanden sowohl im Inland als auch im Ausland kontinuierlich Absatz. H. P. Kuhlmann Söhne bediente schwerpunktmäßig Polen, Russland und Skandinavien.

Die Handelsnamen für die Produkte prägten die Nachfrage deutlich mit. Aufschriften auf den Sensen waren Geschmack und Erwartungen des jeweiligen Kundenkreises angepasst. So las man beispielsweise "Hoch den Deutschen in Amerika" auf Sensen, die nach Amerika exportiert wurden, oder auf Sensen, die in die Niederlande gingen, einen Text, der wohl altdeutsch oder niederländisch anmuten soll: "Ganz gegoten englisch Stahl".

Wegeskizze aus dem Jahr 1970
Für die Sensenherstellung war eine Reihe von Arbeitsschritten erforderlich, deren Anzahl je nach Sensenform (Façon/ Muster) variierte. Auf der Wegeskizze, 1970 angefertigt vom letzten Betriebsleiter, Herrn Schreiner, sind alle Arbeitswege und Stationen, die ein Werkstück durchläuft, dargestellt. Die Schmiedevorgänge wurden überwiegend im Freiformschmieden ausgeführt, was enormes handwerkliches Können voraussetzte. Zwar war die technische Ausstattung im Laufe der Zeit immer wieder dem modernen Stand angepasst worden – wobei es teilweise auch zu Abwandlungen bei den Arbeitsvorgängen kam –, das alte handwerkliche Verfahren jedoch hatte sich dadurch kaum geändert.

Bei der Sensenfabrik H. P. Kuhlmann Söhne handelte es sich genau genommen nicht um eine Fabrik, sondern vielmehr um eine Manufaktur: Der Anteil maschinisierter Arbeitsschritte fiel gegenüber den stark überwiegenden manuell ausgeführten Arbeiten nur sehr gering aus. Zwar war auch bei der Blausensenherstellung versucht worden, die Handarbeit durch Maschinen zu ersetzen, bspw. gab es Vorrichtungen zum Stanzen der Sensenblätter und zum Umbiegen des Randes, um den verstärkten Sensenrücken herzustellen. Auch die Akkordarbeit sollte mittels Maschinen erfolgen, bspw. indem Walzen reihenweise Sensenblätter pressten, welche anschließend stückweise abgetrennt und weiterverarbeitet wurden. Jedoch haben sich Versuche zur Maschinisierung der Sensenherstellung nicht durchsetzen können – die Qualität der Handarbeit blieb unerreicht.

Auch der Erste Weltkrieg konnte dem starken Unternehmen zunächst nichts anhaben. 1918/20 wurde sogar die dritte Turbinengeneration eingebaut, von der die größere Turbine bis heute erhalten ist. Inzwischen leiteten die Vettern Ludwig, Sohn des 1905 verstorbenen Friedrich, und Heinrich (II), Sohn des 1916 verstorbenen Heinrich (I), in der dritten Generation den Betrieb. In der weiterhin beibehaltenen Aufteilung war Ludwig für den kaufmännischen, Heinrich für den technischen Zweig zuständig.

Nach dem Ersten Weltkrieg jedoch machten sich zunehmend Absatzschwierigkeiten bemerkbar. Die Zahl der Landwirte, die sich Erntemaschinen leisten konnten, war zunächst aufgrund des Krieges nicht weiter gewachsen. Nach dem Krieg investierten jedoch immer mehr Bauern in Erntemaschinen. Zudem ging für die deutschen Sensenhersteller nach 1918 ein Großteil der osteuropäischen Märkte verloren: Durch den Versailler Vertrag 1920 fielen vor allem Absatzgebiete in Polen und Russland weg – und die Sensenproduktion sank um fast die Hälfte auf durchschnittlich 120.000 Sensen pro Jahr.

Als kurz nach dem Ersten Weltkrieg wieder ein Generationenwechsel stattfand, trat Heinrich (III) an die Seite seines Vaters, während für Ludwig, der keinen Sohn hatte, der Schwiegersohn die kaufmännische Leitung übernahm. Der gelernte Kaufmann Hans Schäperclaus erwies sich für die Firma als Glücksgriff: Um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, musste das Unternehmen mit Kosten einsparenden Maßnahmen reagieren. Hans Schäperclaus konnte sowohl den Betriebsablauf kostengünstiger gestalten als auch im Vertrieb neue Kunden gewinnen. Zudem wurden andere Sensenunternehmen übernommen und deren Markenzeichen weitergeführt. So kaufte H. P. Kuhlmann Söhne u.a. 1937, also 100 Jahre nach der Gründung, Caspar Lange Nachfolger, das Unternehmen, für welches die Firmengründer Carl und Heinrich Kuhlmann seinerzeit gearbeitet hatten.

Trotz der zunehmenden Konkurrenz und der wachsenden Zahl von Mähmaschinen waren die Kuhlmannschen Qualitätssensen weiterhin gefragt. 1932 wurden noch 80.000 Sensen jährlich hergestellt – im Vergleich zu anderen Unternehmen der Branche eine beachtlich hohe Zahl. Von 1933 an stieg die Produktion bedingt durch die ideologische Förderung des Bauernstandes sogar wieder an und bescherte der als kriegswichtig eingestuften Firma während des Zweiten Weltkrieges ein neuerliches letztes Produktionshoch von durchschnittlich ca. 130.000 Sensen pro Jahr. Diese Mengen fanden nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Absatz mehr. 1936 ging die Firma Claas mit dem Bau des ersten für europäische Äcker konstruierten Mähdreschers in Serie. Die zunehmende Mechanisierung der Land- und Forstwirtschaft, aber auch der erneute Wegfall wichtiger Abnehmerländer durch den "Eisernen Vorhang" sowie der Rückgang an landwirtschaftlicher Nutzfläche waren ebenso Gründe für die sinkenden Produktionszahlen deutscher Sensenhersteller wie die zu hohen Lohnkosten und die wachsende Konkurrenz aus Billiglohnländern.

Mit dem Eintritt des neuen Betriebsleiters Hans Schreiner 1958 wurden diverse Neuerungen eingeführt, die dieser während seiner Arbeitszeit in Schweden kennengelernt hatte. Als eine der ersten Maßnahmen rüstete er auf moderne Hämmer um: 1960 wurden die alten Schwanzhämmer zum Breitschmieden durch Luft- und Federhämmer ersetzt, und auch bei den Kaltschmiedehämmern kam es zum Austausch durch Spiralfederhämmer.

Breithammer. Foto: 2015
Lediglich ein Schwanzhammer blieb für Kaltschmiedevorgänge erhalten; er ist mit heute knapp 125 Jahren der älteste Hammer in der Schmiedehalle. Zudem erfolgte die Umstellung von Kohle auf Öl. Den Lehmboden der Schmiedehalle ließ Schreiner mit Platten belegen und schaffte Transportwagen an – für eine angenehmere Beförderung einer wesentlich höheren Anzahl von Werkstücken von einem Arbeitsplatz zum anderen. Eine weitere und wesentliche Neuerung betraf die Löhne: Ebenfalls 1960 schaffte Schreiner den Akkordlohn zugunsten des Stundenlohnes ab.

1967/68 wurde trotz der bereits deutlich gesunkenen Absatzzahlen mit dem Einbau einer neuen Turbinengeneration die letzte große Investition in die Modernisierung der technischen Ausstattung getätigt. Womöglich waren die Einnahmen aus dem Stromverkauf eine unverzichtbare Einnahmequelle geworden.

Nach dem Tod von Hans Schäperclaus 1976 übernahmen seine Söhne Horst und Hans-Gert das Unternehmen. 1980 war die Produktion gegenüber 70.000 Sensen noch im Jahre 1955 auf lediglich 40.000 Sensen zurückgegangen. Sensen wurden nur noch dort benötigt, wo die Maschine nicht eingesetzt werden konnte. Eine Umstellung in der Produktion war aufgrund des hohen Anteils an Handarbeit und der extremen Spezialisierung der Arbeiter kaum möglich.

1982 war Horst Schäperclaus alleiniger Eigentümer der Firma und beschäftigte noch 14 Arbeiter, von denen sechs kurz arbeiten mussten. Eine Turbine, die 1984 ausfiel, wurde zu Firmenzeiten nicht mehr instand gesetzt.

Im selben Jahr wurde mit dem Antrag auf Aufnahme des Sensenhammers in das Projekt des Rheinischen Industriemuseums (RIM) des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) der erste Versuch unternommen, die Fabrik für die Zeit nach ihrer Stilllegung museal zu erhalten.

1985 stellte Horst Schäperclaus die Produktion ein: Selbst mit nur noch fünf Arbeitern waren die Produktionskosten zu hoch, um gegen die wesentlich preisgünstigere ausländische Konkurrenz bestehen zu können. Mit der Einstellung auch des Vertriebs 1987 wurde die älteste und zugleich letzte rheinische Sensenfabrik endgültig stillgelegt und 1991 aus dem Firmenregister gestrichen. Industriedenkmal und Industriemuseum

Das Ensemble. Bestandsplan: 1991
1985 wurde das Ensemble – bestehend aus dem Fabrikationsgebäude, dem Verwaltungsgebäude, der Wasserkraftanlage mit zwei Wasserturbinen, Ober- und Untergraben und dem Stauteich, den beiden Fabrikantenvillen sowie drei Arbeiterwohnhäusern und der ehemaligen Werksschreinerei – in seiner Gesamtheit unter Denkmalschutz gestellt.

Die ehemalige Werkshalle. Foto: 2015
Selbstverständlich zählt die komplette Ausstattung – unter anderem ein Schwanzhammer, zwei Federhämmer sowie die Schleifsteine und die Transmission – ebenfalls zum Schutzgut. Die Erhaltung von Anlage und Ausstattung konnte in ihrem Zusammenhang nur durch museale und soziokulturelle Nutzung erfolgen.

Das ehemalige Verwaltungsgebäude. Foto: 2015
Die Gebäude sind beidseits des Freudenthals angeordnet, welches im Verlauf von Nord nach Süd in einer leichten Linkskurve einen Hang hinaufführt. Auf der linken Straßenseite steht das Produktionsgebäude, zusammengewachsen aus mehreren einzelnen Schmiedekotten, deren älteste Ende des 18. Jahrhunderts in Fachwerkbauweise errichtet wurde. Zum 100jährigen Bestehen der Firma 1936/37 war das zerrissene Erscheinungsbild vereinheitlicht worden. Durch die Zusammenfassung mehrerer Gebäude zu einem größeren Gebäude mit jeweils nur einem Giebel und die Überbauung noch offener Flächen entlang der Gebäudekonturen entstand das bis heute in diesem Umriss erhaltene geschlossene Fabrikgebäude. Daneben befindet sich das – ursprünglich als Wohnhaus 1855 errichtete und 1895/1900 mit neuer Funktion neu gebaute – ehemalige Verwaltungs- und Lagergebäude der Firma H. P. Kuhlmann Söhne.

Ein ehemaliges Arbeiterwohnhaus und die Werksschreinerei. Foto: 2015
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegen weitere zum Ensemble gehörige Gebäude: das so genannte Landhaus Kuhlmann – ein zweigeschossiger verputzter Gründerzeitbau von 1865/70 und damit das jüngste Gebäude im Ensemble –, die in Fachwerkbauweise errichtete ehemalige Werksschreinerei sowie daneben eines der Arbeiterhäuser – beides Ursprungsgebäude des van Heeschen Betriebes aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im weiteren Straßenverlauf steht rechterhand die zweite Fabrikantenvilla in Bergischer Bauweise, im Kern ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert stammend, mit ihrem bis heute erhaltenen Landschaftspark. Zwischen dieser zweiten Villa und dem Arbeiterwohnhaus befindet sich die Gedenkstätte für die Kriegsopfer der Sensenfabrik. Dort ist auch der Untergraben zu sehen, ebenso wie etwas versteckt das Taubenhäuschen aus den 1920er Jahren, welches früher zur Villa gehörte und den Bewohnern zur Taubenzucht diente. Dicht neben dieser zweiten Villa stehen am Ende der Straße zwei weitere Arbeiterwohnhäuser von 1840 bzw. 1865, durch einen Zwischentrakt miteinander verbunden. Auf der Rückseite des Fabriktraktes liegen die zum Werk gehörigen Obstwiesen und der Stauteich, von dem der Wassergraben, der unter der Fabrikhalle durchführt, abgeht. Hier sind noch die Schienen für die Loren erhalten, mit denen bis 1950 der Schlamm aus dem Teich abtransportiert wurde.

Der Eintragungstext nennt "das mit Baulichkeiten seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts besetzte Ensemble [...] ein von Umfang und Geschlossenheit her seltenes Beispiel frühindustriellen Gewerbes. Produktion, Arbeiter- und Unternehmerwohnen sind in ihrer für diese Epoche typischen Gemeinsamkeit erhalten. Die auch heute noch in handwerklicher Manier erfolgende Produktion stellt in ihrer Anschaulichkeit ein wichtiges technikhistorisches Zeugnis dar. [...] Als ältester durchgehend produzierender Betrieb Leverkusens ist die Anlage in ihrer Gesamtheit als Denkmal geeignet, in anschaulicher Weise Beleg zu sein für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse seit dem frühen 19. Jahrhundert. [...] Die auf eine Hammerwerks- und Mühlenanlage von 1779 zurückgehende heutige Sensenfabrik Kuhlmann [ist] ein orts- und technikgeschichtlich wichtiges Denkmalensemble von hohem Rang." Eine vergleichbare Anlage ist deutschlandweit nicht bekannt.

Den internationalen Stellenwert belegt auch die Aufnahme des Denkmalensembles in das Förderprogramm der Europäischen Gemeinschaften zur "Unterstützung gemeinschaftlicher Pilotvorhaben zur Erhaltung von Baudenkmälern" mit dem Schwerpunkt auf Arbeits- und Produktionsgeschichte im Jahre 1991. Von den insgesamt 433 Bewerbern waren 37 für das Förderprogramm ausgewählt worden. Die Tatsache, dass die Sensenfabrik eines der drei deutschen Projekte mit positivem Förderbescheid ist, zeigt ihre Bedeutung auch innerhalb des Europäischen Kulturerbes.

Ebenfalls 1991 wurde die NRW-Stiftung als Förderer gewonnen, die bis zur Museumseröffnung 2005 den entscheidenden unterstützenden Anteil am Projekt Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer hatte. Der Förderverein Freudenthaler Sensenhammer e. V. gründete sich im selben Jahr. Mit öffentlichen und privaten Mitteln konnten im Juli 1993 das Produktionsgebäude inklusive Inventar, das moderne Bürogebäude auf dem Gelände, die Wasserkraftanlage – mit Wehr, Ober- und Untergraben, Stauteich und Schützenanlage –, das Kraft- und Elektrizitätswerk und ein Teil des Grundstücks beiderseits des Stauteiches und des Obergrabens angekauft werden. Mit den Sanierungsmaßnahmen für den Fabriktrakt wurde noch im selben Jahr begonnen; bereits während der Bauarbeiten fanden im Mai 1994 erstmals Schmiedevorführungen statt. Auch der kulturellen Nutzung wurde das künftige Museum mit den ersten Konzerten der Leverkusener Jazztage im Oktober 1995 früh zugeführt. Mit der wissenschaftlichen Inventarisation der "festen und losen Einrichtungen, Gerätschaften und Werkzeuge" erfolgte 1996 der erste große Schritt in Richtung Museumswerdung. Das Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer verfügte bereits über die vollständige und größtenteils funktionierende Ausstattung und verzichtete auf die Ergänzung durch Fremdexponate. Das Ausstellungskonzept entwickelten im Jahr 2000 Johannes Großewinkelmann und Wilhelm Matthies. Bei der inhaltlichen Vermittlung der authentischen Ausstattung wird der Besucher maximal eingebunden und kann selbst aktiv werden.

Nach über zehn Jahren Vorarbeit eröffnete das Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer am 24. April 2005.


Literatur

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 33. Jg., Nr. C 304/6 vom 4. Dezember 1990, Brüssel 1990

Bekanntmachung einer Mühlen Anlag in der Gemeinde Schlebusch. In: Oeffentlicher Anzeiger, Nr. 39. Düsseldorf, am 18ten Oktober 1817, Stadt Leverkusen Stadtarchiv 1973/ B99, Leverkusen 1817

Das Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrien, Bd. VI und Bd. VIII, F. Receaux (Hg.), 8. umgearbeitete und bedeutend erweiterte Auflage, Leipzig/ Berlin 1887

Dietz, Walter/ Weise, Jürgen: Der Freudenthaler Sensenhammer H. P. Kuhlmann Söhne (1837- 1987) in Leverkusen-Schlebusch. Aspekte zur Kultur- und Technikgeschichte der Sensenherstellung (= Schriften zur rheinisch-westfälischen Wirtschaftsgeschichte, Sonderband), Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln e. V. (RWWA) (Hg.), Köln 1998

Erhaltung des Architektonischen Erbes in Europa, 1991: Zeugnisse der landwirtschaftlichen, handwerklichen und industriellen Produktionstätigkeiten sowie sonstiger Tätigkeiten (= Katalog zur Ausstellung im Saal "Grand Narthex" des Königlichen Museums für Kunst und Geschichte in Brüssel vom 28 XI. bis zum 21 XII 1991), Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Generaldirektion X "Kulturelle Aktion" (Hg.), Brüssel 1991

Förderverein Freudenthaler Sensenhammer e. V. Leverkusen-Schlebusch (Hg.): 10 Jahre

Förderverein Freudenthaler Sensenhammer 1991 bis 2001, Leverkusen 2001

Langensiepen, Fritz/ Schäperclaus, Horst/ John, Gabriele: Die Kuhlmannsche Sensenschmiede in Leverkusen-Schlebusch. In: Bergischer Geschichtsverein, Abt. Niederwupper e. V. (Hg.): Historische Beiträge, Heft 11, S. 18-23, Leverkusen 1989

Möller, Rainer: Die Sensenschmiede. Der Freudenthaler Hammer in Leverkusen-Schlebusch (= Landes- und volkskundliche Filmdokumentation, Beiheft 3), Landschaftsverband Rheinland, Amt für rheinische Landeskunde Bonn (Hg.), Köln 1988

chäperclaus, Horst: Von Abbau keine Rede. In: Rheinische Post, 31. März 1987 Treiber, E.: Sensenherstellung. In: Otto Lueger (Hg.): Lexikon der gesamten Technik, Stuttgart/ Leipzig 1904, S. 83-84

Arbeitsunterlagen/ Dokumente/ Filme Archiv des LVR – Amt für Denkmalpflege Rheinland: Aktennr. L 912-916 Landschaftsverband Rheinland, Amt für rheinische Landeskunde Bonn (Hg.): Die Sensenschmiede. Volkskundliche Filmdokumentation, Schlebusch 1968 Unternehmensarchiv H. P. Kuhlmann Söhne. Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln e. V. (RWWA), Abt. 183, Köln