Die Bereitstellung von preiswertem und qualitativ gutem Brot gehörte zu den zentralen Anliegen solcher Konsumgenossenschaften. In einem durchschnittlichen Arbeiterhaushalt wurden allein für Backwaren zwischen 8 und 10 % des Wochenlohnes ausgegeben.
Die Produktion war rationalisiert: das Mehl und die Zutaten wurden mit der Eisenbahn angeliefert, gelangten per Aufzug in die oberste Mehletage, wurden gereinigt, für die verschiedenen Brotsorten gemischt und über Trichter zu den Teigmaschinen in die zweiten Etage geführt. Im Untergeschoss befanden sich die Dampfbacköfen, die über einen Feuerungsstand außerhalb des Gebäudes beheizt wurden. So waren die „sauberen“ von den weniger sauberen Arbeitsprozessen getrennt. In Barmen entschloss man sich, den Maschinenpark, nicht aber die Backöfen, mit Strom zu betreiben. „Vorwärts“ gehörte zu den ersten zweitausend Kunden des städtischen Elektrizitätswerkes. Die Produktivität einer solchen Großbäckerei war etwa doppelt so hoch wie die einer handwerklich organisierten Bäckerei. Nach der Fertigstellung machten Backwaren fast 20 % des Gesamtumsatzes aus.
In der Fassade des Lagerhauses zeigen Fenstervergitterungen und Natursteinpilaster Motive des späten, geometrischen Jugendstils. Walmdach, Mittelrisalit, Lisenen und Zwerchgiebelfeld erinnert an barocke Schlossbauten. Den Giebel schmückten ein sonnenförmiges Fenstergitter und der Schriftzug „Vorwärts“. Die Sonne war damals eine häufig zitierte Allegorie auf die neue Gesellschaft, den Sozialismus. Durch die besondere Lage am Hang über dem weitläufigen Bahngelände wurde das Gebäude der zentrale Blickpunkt für das Bahngelände und so zur „Visitenkarte“ der Barmer Arbeiterbewegung. Zu dieser Zeit (1908) war die sozialistische Bewegung zwar seit Jahrzehnten die stärkste politische Gruppierung in der Stadt, aber zugleich als „vaterlandslos“ und „umstürzlerisch“ aus der offiziellen Stadtpolitik ausgegrenzt und durch das herrschende preußische Dreiklassenwahlrecht massiv benachteiligt. Die „Vorwärts“- Fassade bringt Macht, Stolz und Zukunftshoffnung dieser Bewegung zum Ausdruck.
„Wir bauen eine neue Welt“ – so warben in den 1920er Jahren die Arbeiterparteien in Deutschland und Österreich. Sie beschrieben damit treffend die Idee der Konsumgenossenschaften, die ein wichtiger Baustein der gesellschaftlichen Reform und Demokratisierung darstellte. Neben der Arbeiterpartei und den Gewerkschaften galten die Konsumgenossenschaften damals als „dritte Säule“ der Arbeiterbewegung.
An der Elsternstraße (8-18) entstanden bis 1912 sechs Wohnhäuser, 1914-16 wurde eine neue Großbäckerei mit etwa 700 qm Grundfläche und 5 Etagen errichtet. Die Kapazität der nur 10 Jahre alten ersten Großbäckerei reichte nicht mehr aus.
Die Geschichte der Konsumgenossenschaft „Vorwärts“ und die Konsumgenossenschaften im Rheinland insbesondere vor 1914 werden in einer Ausstellung in der ehemaligen Mehletage dargestellt.
Der „Vorwärts“-Komplex dokumentiert nicht nur die Geschichte der Genossenschaften. Hier finden sich noch einige erhaltene Wandaufschriften, die die bewegte Geschichte des Gebäudes nach seiner Nutzung als Genossenschaft dokumentieren. Nach dem Bau der Neuen Zentrale diente der Komplex ab 1933 als SA-Kaserne und wurde somit Ort für der Repressionen gegen die sozialistische Arbeiterbewegung, gerade jene politischen Kraft, für die der Bau ein Symbol ihres Aufstiegs gewesen war. 1936 bis 1943 wurde der Komplex als Wehrmachtskaserne genutzt, um nach dem Krieg als Lebensmittelgroßhandlung („Koma“) wieder eine Bedeutung für die Lebensmittelversorgung der Stadt zu erhalten. Schließlich wurde hier 1953 ein Flüchtlingsauffanglager eingerichtet. Auch über diese Zeitabschnitte und Themen informieren von Ausstellungstafeln im Foyer und Treppenhaus. Entscheidende Zäsuren der deutschen und lokalen Geschichte lassen sich an diesem Gebäude ablesen. Ein Förderverein bemüht sich um die Dokumentation dieser Geschichte und bietet regelmäßig Führungen durch die Anlage an.