Färberei und Kunstseidenspinnerei J.P. Bemberg AG
Wuppertal-Öhde, Öhder Str. 8

Reiner Rhefus
Türkischfärberei und Kunstseidenspinnerei J. P. Bemberg in Wuppertal-Öhde


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historische Ansicht von 1896
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Spinnerei. Foto 2011
Zu den ältesten erhaltenen Färbereigebäuden der Stadt gehört die Türkischrotfärberei J. P. Bemberg. Der repräsentative burgartige Backsteinbau mit seinen Rundbogenfenstern, den vorspringenden oktogonalen Eckpfeilern und aufgesetzten Warten wurde 1865 errichtet und verweist auf die Bedeutung des Färbereigewerbes in der Stadt.

Die 1792 gegründeten „Türkischroth“-Färberei J.P. Bemberg färbte Garne für den europäischen Markt. Man befasste sich dabei mit dem Mercerisierungsverfahren, das der Baumwolle einen seidigen Glanz verlieh. Seit 1897 experimentiert man mit der Herstellung der Kupferkunstseide (Kupferoxydammoniakseide). Der Chemiker Dr. Edmund Thiele entwickelte in den Jahren 1900-1906 ein Streckspinnverfahren zur Produktionsreife, so das ab etwa 1906 bedeutende Mengen der neuen „Kupfer-Kunstseide“ im Wuppertal erzeugt und verarbeitet wurden.

Das Kupferoxidammoniakverfahren, bei dem Baumwolllinters in einer Flüssigkeit aus Kupfersulfat, Natronlauge, Ammoniak und Wasser gelöst wird, um aus der tiefblauen Flüssigkeit einen Faden zu absorbieren, gilt als des älteste der vier Verfahren zur Herstellung der halbsynthetischen Kunstseide. Das Bemberg-Färbereigebäude dürfte das einzige erhaltene Gebäude in Deutschland sein, das mit der Erfindung der Kupfer-Kunstseide in Verbindung steht.

Die „Adlerseide“ von Bemberg wurde zum Inbegriff für feine Damenstrümpfe. Die bis dahin unerreichte Feinheit der Seide begründete ihren internationalen Ruf. Franz Reinthaler, Professor an der Hochschule für Welthandel in Wien, umriss die damalige Sonderstellung der Bemberg-Kunstseide: „Wie man schon mit unbewaffnetem Auge erkennen kann, sind die Einzelfäden (Primärfäden) aus denen das Kunstseidengarn besteht, beträchtlich dicker als die Fibroinfädchen der Naturseide. Nur die nach dem Streckspinnverfahren hergestellte Kupferseide der J. P. Bemberg A.G. bilden eine Ausnahme da deren Primärfäden sogar etwas feiner als die der Maulbeerseide sind. Dieses Produkt, das aber von der Firma zum größten Teil selbst verwebt wird, sieht der Naturseide täuschend ähnlich. Seit 1920 stellt auch die Firma M. Hölken A.G. ein ähnliches Erzeugnis her.“ (Die Kunstseide und andere seidenglänzende Fasern, Berlin 1926)

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Produktionshallen der Glanzstoff-Fabrik von 1935. Foto: Gregori, 2015
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Produktionshallen der Glanzstoff-Fabrik von 1935. Foto: Gregori, 2015
J. P. Bemberg gründete weitere Tochterunternehmen in Frankreich, England, USA und Japan. Nach einem Kooperationsvertrag mit dem großen Konkurrenten, dem Glanzstoff-Konzern in Elberfeld (1925), wurde in nur zwei Jahren ein sehr großes Areal im Anschluß an die Färbereibauten von 1865 mit neuen Produktionshallen bebaut. Die bedeutendste Ausbauphase des Werkes lag in den Jahren 1925 – 1928. An das alte Färbereigebäude schließen sich weitläufige Spinnereigebäude mit Backsteinfassaden an mit senkrechten Wandfelder und turmartigen Aufsätzen.

Das Kunstseidenwerk war mit maximal etwa 5.700 Arbeitskräfte 1937 auf zum größten Arbeitgeber der Stadt geworden.

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Werksverwaltung von 1956. Foto: Gregori, 2015
In den 1950er Jahren fanden weitere Werkserweiterungen statt, darunter das Eckgebäude der Werksverwaltung. Die aufstrebende, nüchtern-sachliche Form der 1920er Jahre wurde beibehalten.

Neue Produkte wie die Cuprophan-Folie und die daraus entwickelte Cuprophan-Membrane gewannen Bedeutung. Gerade die Durchlässigkeit des Stoffes war bei den neuen Produkten entscheidend. Aus dem gleichen Ausgangsmaterial, aus dem 1900 die Kupfer-Kunstseide gewonnen worden war, konnten hochwertige Hohlfasern für medizinische Zwecke, etwa die Blutdialyse, hergestellt werden. Nach dem Höhepunkt der Entwicklung – 1968 etwa 3.500 Beschäftigte – wurde in mehreren Umstrukturierungen die Belegschaft immer weiter reduziert. Die aus J. P. Bemberg hervorgegangene Membrana GmbH - seit 2015 Teil der 3M-Gruppe - ist auch heute ein führender Hersteller medizinisch genutzter Membranen.