Krupp | Friedrich-Alfreds-Hütte
Duisburg-Rheinhausen

Walter Buschmann
Friedrich-Alfreds-Hütte in Rheinhausen


Geschichte

Die im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu Weltgeltung herangewachsene Gußstahlfabrik Fried. Krupp in Essen hatte mit seinen mittelrheinischen Hütten bei Bendorf und Neuwied und der Johannishütte bei Duisburg eine nur relativ schmale Roheisenbasis, die zur Jahrhundertwende durch den Bau eines neuen integrierten Eisen- und Stahlwerkes nachhaltig vergrößert werden sollte. Essen schied als Standort des neuen Werkes wegen der schlechten Verkehrsanbindung für die vom Mittelrhein, aus Lothringen, Schweden und Spanien bezogene Erze aus. Wie August Thyssen, dessen Stahl- und Walzwerk seit 1889 in Bruckhausen aus dem Boden gestampft wurde, wählte man einen Standort am Rhein, erwarb ein großes Gelände bei Rheinhausen und errichtete 1896-98 die ersten drei Hochöfen.

Um 1900 wurde der Grundbesitz am Rhein auf 1000 Morgen ausgedehnt und Pläne zur Vollendung des Hütten- und Stahlwerkes entwickelt. 1903-05 wurden drei weitere Hochöfen gebaut, es entstanden Martinwerk, Thomaswerk und Walzwerk. 1907-13 wurden noch einmal vier Hochöfen addiert.

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Historisches Schaubild der Hüttenanlage
Mit zehn Hochöfen, die sich in einer Reihe entlang des Rheines erstreckten, hatte Krupp in Duisburg ein Werk geschaffen, das im Ruhrgebiet nur zwei Parallelen hatte: Thyssen in Bruckhausen und die Gutehoffnungshütte in Oberhausen.

Die Friedrich-Alfreds-Hütte war – wie alle Technikbauten – durch das Technische Büro, dessen Leiter seit 1890 Gisbert Gillhausen war entstanden. In der Dualität mit der von Robert Schmohl geleiteten Bauabteilung spiegelte sich die im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts beklagte Trennung von Architektur und Ingenieurbau. Das technologische Konzept der Hütte war stark auch von Friedrich Krupp selbst beeinflusst.

Das auf grüner Wiese direkt am Rhein errichtete Hüttenwerk ermöglichte das, was in der Essener Gußstahlfabrik nicht oder nur unzulänglich möglich war: eine freie und damit optimierte Disposition aller Anlagenteile für das damals vor dem Krieg leistungsfähigste Hüttenwerk Europas, mit dem der gesamte Rohstahlbedarf der Gussstahlfabrik befriedigt werden konnte. Enthusiastisch äußerte sich der damalige Provinzialkonservator Paul Clemen – hier allerdings in einer Funktion als Architekturkritiker - über die Anlage, als ein Gebilde der Raumkunst und als Teil jener Ingenieurkunst, neben dem alles, was Architektur und Kunsthandwerk biete kleinlich und dünn erscheine.



Gießerei- und Reparaturwerkstatt, 1902|03
Abbruch und Teiltranslozierung 2007

Die Entstehung der Gießerei und Reparaturwerkstatt 1902/03 fällt in die erste Ausbauphase des Rheinhausener Hüttenwerkes. Für den Bau der beiden Hallen wurde die Konstruktion eines Ausstellungspavillons genutzt, den die Fa. Krupp 1902 zur Präsentation ihrer Produkte bei der Düsseldorfer Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung verwendet hatte. Entsprechend ihrem Zweck waren die elf Stahlbinder für den Ausstellungspavillon als kastenförmige Fachwerke mit 24,9 m Spannweite besonders schwer ausgebildet, um in sinnfälliger Ergänzung zum wuchtigen Inhalt des Pavillons den ausgestellten Panzertürmen, Panzerplatten und Kanonen, zu stehen.

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Die Halle während der Montage
Nach Ende der Ausstellung wurde die Halle demontiert. Während die in Drahtputzarchitektur erstellten Außenfassaden abgebrochen und verschrottet wurden, brachte man die elf Stahlbinder der inneren Tragkonstruktion nach Rheinhausen und verwendete sie dort zum Bau der Gießerei und Reparaturwerkstatt. Beide Hallen wurden auf einer Linie liegend mit einem Abstand von 50,0 m angeordnet und waren untereinander durch eine Kranbahn verbunden.

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Die Halle während der Montage
An die Gießerei waren beidseitig ein- bis zweigeschossige Seitenschiffe angefügt worden. Im westlichen Seitenschiff standen zwei Kupol- und ein Flammofen. Im östlichen Seitenschiff waren die Trockenöfen, die Sand- und Lehmaufbereitung und darüber Modellschreinerei und Kaue untergebracht. Im Mittelschiff waren drei 5t-Drehkräne montiert. Der mit seiner Kranbahn bis zur Reparaturwerkstatt herüberreichende Laufkran hatte 25 t Tragkraft.

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Die Werkstatt in einem Foto vor ihrem Abriss
An die Reparaturwerkstatt waren zwei eingeschossige Seitenschiffe angefügt worden für elektronische Werkstatt, Büros und Kaue. Im Mittelschiff standen kleinere Werkzeugmaschinen teils mit Einzelantrieb, teils mit Transmission.

Beide Gebäude hatten neue Stahlfachwerkfassaden mit Ausfachungen in Ziegeln und Hochofenschlackesteinen (Gießerei) erhalten.

1914 bis 1916 erfolgte eine erste Erweiterung der Hallen, indem jeweils zwei Achsen angefügt wurden. Die neuen Stahlbinder wurden in gleicher Form wie die alten Binder von 1902 ausgeführt.

1953 wurde der bis dahin offene Hofraum zwischen den Hallen überbaut, so dass Gießerei und Reparaturwerkstatt zu einem Bauwerk zusammenschmolzen. Der Zwischentrakt wurde in innerer Konstruktion und äußerem Erscheinungsbild deutlich von den älteren Hallenteilen abgesetzt. Auch dieser Halle wurden beidseitig Seitenschiffe angefügt.

Die Gießerei- und Reparaturwerkstatt war ein durchgängig dreischiffiges Hallenbauwerk mit hohem Mittel- und niedrigen Seitenschiffen. Die tonnengewölbten Dächer der alten Hallenbereiche wurden mit querliegenden Belichtungsraupen belichtet. Zusätzlich erhält das Mittelschiff Licht über die Giebel und die paarweise angeordneten, schlanken Fenster in den Obergaden der alten Hallen und Fensterbänder im Mitteltrakt. Auch in den Seitenschiffen fand sich diese Unterscheidung von paarweise angeordneten Metallsprossenfenstern und Fensterbändern. Die Stahlfachwerkfassaden mit hochrechteckigen Gefachen erhoben sich über massiv gemauerten Sockeln. In der Außenarchitektur passten sich die älteren Hallenteile bruchlos in die auch sonst im Hüttenwerk Rheinhausen verwendete Formensprache ein.

Die Hauptreparaturwerkstatt war neben der Jahrhunderthalle in Bochum und der Ausstellungshalle der Deutz AG in Köln das einzige Dokument, das noch in seiner materiellen Substanz auf die Düsseldorfer Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung verwieß. Der Pioniercharakter dieser Ausstellung gerade für die Entwicklung der Industriearchitektur ist immer wieder hervorgehoben worden. Der dort gezeigte GHH- Pavillon in unverkleideter Stahlfachwerkarchitektur hatte nicht nur die weltberühmte Maschinenhalle der Zeche Zollern 2/4 zur Folge, sondern trug auch zu einem gewandelten Verständnis im Bauwesen bei. Fortan wurden zunehmend die Stahlkonstruktionen nicht mehr hinter Schaufassaden versteckt, sondern galten als Gegenstand architekturkünstlerischer Auseinandersetzungen, wie später die Werke der Industriearchitekten Schupp und Kremmer (Zollverein 12) oder auch die Arbeiten des konstruktivistisch ausgerichteten Mies van der Rohe zeigen. Der Krupp-Pavillon zeigt markant den Wendepunkt dieser nicht nur architektonisch wichtigen Entwicklung: mit der Schaufassade für die Düsseldorfer Ausstellung stand der Bau noch fest verankert in der Tradition des 19. Jahrhunderts; mit der Stahlfachwerkfassade in Rheinhausen verweist er auf die Entwicklung zur Moderne. Das Rheinhausener Beispiel war auch wichtig, um das Umfeld zu dokumentieren, in dem die Dortmunder Maschinenhalle von Zollern 2/4 steht.

Schließlich verkörperte die Hauptreparaturwerkstatt mit ihrer Binderkonstruktion einen architekturhistorischen Bedeutungsaspekt im engeren Sinne. Seitdem Eisen und Stahl für Hochbaukonstruktionen verwendet wurden, gab es einen stetigen Prozess zur Optimierung und Vervollkommnung dieser Konstruktionen. Für die Stahlbauer war die statistische Berechnungsfähigkeit der Bauwerke von großer Bedeutung und sie erwarben sich mit ihren Erkenntnissen nicht nur für den Stahlbau, sondern für das Bauwesen allgemein große Verdienste. Der Stahlbau war Anlass und Grundlage zur Verwissenschaftlichung des Bauwesens. Wichtige Etappen zu diesem Ziel war die Einführung von Gelenkverbindungen, die im Hallenbau entwickelt wurden. Nach der ersten Dreigelenkhalle von Schwedler 1863 waren die riesige Maschinenhalle der Pariser Weltausstellung von 1889 und die großen Bahnsteighallen (Frankfurt, Köln) gute Beispiele für diese Bauweise. Beim Bau von Fabrikhallen wendete man jedoch überwiegend Konstruktionsformen an, dies sich besser mit den Anforderungen aus der Produktion vereinbaren ließen. Problematisch war bei den Bogenbinderkonstruktionen die seitliche Erweiterbarkeit der Hallen und die Anfügung hochbelastbarer Kranbahnen. Die daher nur selten gebauten, dennoch aber entwicklungsgeschichtlich so wichtigen Bogenbinderkonstruktionen sind in ihren wenigen erhaltenen Beispielen von höchster architekturhistorischer Bedeutung.

Die Halle wurde trotz Denkmalschutz 2007 für die Erweiterung des logports abgebrochen. Erhalten blieben sieben Stahlbinder, die von einer westfälischen Stahlfirma für den Wiederaufbau und die Weiterverwendung als Halle erworben wurden.


Tor 1, Baujahr: 1957-58
Architekt: Peter Neufert

Das Hüttenwerk erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg eine durchgreifende Modernisierungsphase. Mit der Neuen Verwaltung (Friedrich-Ebert-Straße), Lehrwerkstatt (Kruppstraße), Tor 1 und Lohnbüro/Krankenkasse (Friedrich-Alfred-Straße) wurde in den 1950er Jahren eine neue architektonisch-städtebauliche Beziehung zwischen dem Werk und der Stadt Rheinhausen geschaffen.

Von besonderer Bedeutung ist das Tor 1. Es markierte die Nahtstelle zwischen öffentlichem Raum und Werksgelände, formuliert zugleich Trennung und Öffnung zwischen den beiden für Rheinhausen so gewichtigen Sphären der Arbeits- und Wohnumwelt. Seine herausragende städtebauliche Position am Anfang, bzw. Ende der Friedrich-Alfred-Straße, die als Achse Werk und die Krupp-Siedlung Margarethenhof verbindet, veranlasste eine äußerst anspruchsvolle architektonische Gestaltung der Toranlage.

Das 1957-58 erbaute Tor 1 wird dominiert von einer "schwebend" ausgebildeten, großzügigen Dachkonstruktion in Stahlbeton auf dem Grundriß eines Ypsilons. Die drei Schenkel des Ypsilons sind an den Enden schräg nach oben weisend abgewinkelt. Sie ruhen an den Enden jeweils auf massiven, mit Ziegeln verblendeten Wandscheiben und in der Mittelzone auf schlanken Stahlstützen. Der längste Schenkel des Ypsilons überspannt die Werkszufahrt mit zwei Schranken und eine kleine Platzfläche, die zum Werksgelände mit einer niedrigen, an den Ecken gerundeten Backsteinmauer eingefasst ist. Einer der beiden kurzen Schenkel erstreckt sich über dem fußläufigen Werkszugang und der dritte Schenkel ragt in das Werksgelände hinein. Unter dem zentralen Mittelfeld der Dachkonstruktion befindet sich das im Grundriß der Ypsilon-Form angepasste Pförtnerhaus. Es ist nahezu vollständig verglast mit Glasflächen zwischen schlanken Stahlprofilen und reicht nicht ganz bis unter das Stahlbetondach, so dass das Dach als eigenständige, "schwebende" Konstruktion erscheint. Sockel und einige rückwärtige Wandpartien des Pförtnerhauses sind in Ziegelmauerwerk erstellt. In den Griffen der drei originalen Eingangstüren taucht das Motiv des Y-förmigen Daches wieder auf.

In der Formensprache der Toranlage spiegeln sich prägende Architekturmerkmale der 1950er Jahre. In Anlehnung an die Vorstellungen des Konstruktivismus werden mit den weitgespannten Schenkeln des Daches die konstruktiven Möglichkeiten des Stahlbetons provokativ zur Schau gestellt und für die Bauaufgabe Werkstor umgesetzt. Das weitgehend in Glas ausgeführte, damit entmaterialisierte, Pförtnerhaus unterstützt noch diese Gestaltabsicht. Das Tor 1 des Hüttenwerkes Rheinhausen ist also für die Entwicklung der Architektur von Bedeutung. Zudem ist es bedeutend für die Firmengeschichte des Hüttenwerkes - auch als sozialer Ort der Auseinandersetzungen um die Stilllegung der Hütte 1987/99 - sowie für die Stadtgeschichte von Rheinhausen.


Literatur

• Buschmann, Walter (Hg): Stahl und Eisen. Texte und Bilder zu einem Leitsektor menschlicher Arbeit und dessen Überlieferung , Essen 1989
• Die Friedrich-Alfred-Hütte zu Rheinhausen, in: Stahl und Eisen 27 (1907), S. 1445-1484 und zahlreichen Tafeln.
• Ghise-Beer, Anka: Das Werk des Architekten Peter Neufert. Dissertation, Bergische Universität/Gesamthochschule Wuppertal, 2000
• Krupp 1812-1912. Zum hundertjährigen Bestehen der Firma Krupp und der Gußstahlfabrik in Essen, o.O., o.J.
• Robeck, Ulrike: Die "Jahrhunderthalle" in Bochum (= Technische Kulturdenkmale, Heft 11), Münster 1992
• Robeck, Ulrike: Die Krupphalle - Ausstellungspavillon und Reparaturwerkstatt, in: Denkmalpflege im Rheinland 10 (1993), S. 105