Bankenviertel Köln
Unter Sachsenhausen / An den Dominikanern




Walter Buschmann / Alexander Kierdorf
Kölner Bankenviertel

Westlich des Kölner Doms, unmittelbar vor der römischen Stadtmauer, befand sich im Mittelalter die Straße „Unter Sechzehnhäusern“ – als „Unter Sachsenhausen“ bis heute Sitz wichtiger Banken und Institutionen. Als Prozessionsweg zwischen Dom und St. Gereon war die Straße breiter als die anderen Altstadtgassen ausgebildet und damit prädestiniert für den Ausbau zu einer Repräsentationsstraße des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Das Bankwesen in Köln konnte sich erst nach Ende der reichsstädtischen Zeit entfalten, als nichtkatholischen Familien erlaubt wurde, sich in der Stadt niederzulassen. Der Hugenotte und Hersteller von Seidenstoffen Isaak Herstatt kam 1720 von Eschweiler nach Köln. Sein Sohn Johann David wurde schon 1792 als Bankier bezeichnet. Johann Heinrich Stein 1790 von Kreuznach von Köln kommend, konzentrierte sich seit 1820 auf Geldgeschäfte. Salomon Oppenheim verlegte 1789 von Bonn sein Geschäft von Bonn nach Köln und wurde hier im neuen Jahrhundert ebenfalls Bankier. Wilhelm Ludwig Deichmann stärkte aus Niedersachsen kommend erst das alteingesessene Bankhaus A. Schaafhausen bevor er sich 1858 selbstständig machte. 1849 gab es 21 Bankfirmen mit 84 Beschäftigten in der Domstadt.

Wie diese Zahlen schon zeigen waren für diese Privatbankhäuser mit durchschnittlich vier angestellten Mitarbeitern noch keine spezifischen Bankgebäude erforderlich. Man nutzte für die Geschäfte größere Wohnhäuser. Das von Salomon Oppenheim in der Großen Budengasse 8 erworbene Barockpalais ist ein beredtes Beispiel. Es war 1780 für einen anderen Bankherrn errichtet worden und strahlt jenen Glanz aus, den noch heute die feudalen Wohnsitzes in der Altstadt von Wien vermitteln. Das Haus musste schon 1901 einem Neubau weichen, der dann ein Opfer der Kölner Bombennächte wurde. Oppenheim siedelte nach dem Krieg mit seinen Geschäftsräumen zur Bankenstraße Unter Sachsenhausen um.

Abraham Schaafhausen (1756-1824) gehörte zu den alteingesessenen Kölner Familien, verdiente sein Geld mit dem Händel südamerikanischer Wildhäute, allgemeinem Speditions- und Kommissionshandel, Geldwechselei und kleinen Kreditgeschäften sowie in geringem Umfang mit dem Immobilienhandel und engagierte sich ab 1793 auch in der Porzellan- und Fayencefabrikation. Seit 1815 traten immer stärker Bankgeschäfte in den Vordergrund. Um 1830 baute er an der Trankgasse ein neues Bankhaus.

Wilhelm Ludwig Deichmann, aus einer niedersächsischen Beamtenfamilie kommend trat 1818 in das Handels- und Bankhaus Abraham Schaafhausen ein, fiel auf durch seine Tüchtigkeit und vertrat die Bank des Öffteren als stellvertretender Geschäftsführer. Nach dem Tod des Firmengründers 1824 verfiel das Unternehmen zunächst in Stagnation. Das Blatt wendete sich erst mit der Einheirat Deichmanns in die Familie Schaafhausen, mit der er die Gesamtleitung der Bank und damit de facto das Erbe des Bankhauses Schaafhausen übernahm. Die nun aufstrebenden Geschäfte manifestierten sich um 1838 im Neubau eines Hauses an der Trankgasse direkt neben dem Bankhaus A. Schaafhausen für das Ehepaar Deichmann. Das Haus zeichnete sich aus durch einen Blendgiebel und eine Reihe von sieben Rundbogenfenstern im ersten Obergeschoss.

Die Trankgasse war mit den Häusern Deichmann und Schaafhausen ein frühes Kraftzentrum des Bankenwesens in Köln. Die Straße lag günstig zum Rheinhafen an der Frankenwerft, zum 1859 eingeweihten Centralbahnhof und konnte auch von der zunehmenden Begeisterung für den Dom profitieren, die 1842 durch die Entscheidung für dessen Weiterbau noch einmal anstieg. Hotels entstanden rings um den Dom. Die Zahl auswärtiger und ausländischer Gäste stieg.

Als sich Wilhelm Ludwig Deichmann 1858 selbständig machte folgte mit dem Neubau für seine Bank an der Trankgasse Nr. 7 noch der traditionellen Kombination aus Wohnhaus und Bankgebäude. Deichmann ließ sich 1864 nach Entwurf von Hermann Otto Pflaume direkt am Dom ein dreigeschossiges, achtachsiges Gebäude im Stil florentinischer Palazzi bauen. Der neu erbaute Kölner Stammsitz der Familie ist als Doppelhaus konzipiert und folgt damit den ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Vorbildern berühmter Kaufmannsfamilien, wie dem Roten Haus in Monschau und dem Haus Cleff in Remscheid. Ergänzend zu seinen Stadthäusern in Köln hatte Deichmann schon 1836 ein Landgut in Bonn-Mehlem mit herrlicher Aussichtslage auf das Siebengebirge erworben. Für die Fahrt zwischen Mehlem und Köln nutzte Deichmann eine vierspännige Kutsche und seit Eröffnung der Eisenbahn Köln-Bonn 1844 und deren Verlängerung bis Rolandseck 1854 auch dieses moderne Verkehrsmittel.

Eine Zäsur in der Kölner Bankengeschichte war die 1848 erfolgte Gründung des A. Schaafhausen’schen Bankvereins auf Aktienbasis. Schon 1845 hatte Gustav Mevissen mit einem Komitee den Versuch zur Gründung einer Aktienbank unternommen, war aber an der ablehnenden Haltung des preußischen Finanzministeriums gescheitert. Der sich abzeichnende Konkurs von Abraham Schaafhausens Privatbank und die damit drohenden negativen Folgen für die Wirtschaft des Rheinlandes führten zur Umbesinnung. Nun wurde, sogar mit finanzieller Unterstützung durch den seit 1848 in die Regierung berufenen Handelsminister David Hansemann die Entstehung der Aktienbank gefördert. Unter Mitwirkung der Gläubiger entstand dann diese für die industrielle Entwicklung Westdeutschlands so wichtige A. Schaafhausenscher Bankverein. Direktoren wurden Gustav Mevissen, Wilhelm Ludwig Deichmann und Victor Wendelstadt.

1859 bis 1863 wurde für den Bankverein ein prachtvolles Geschäftshaus errichtet, mit dem der Grundstein für die Bankenstraße Unter Sachsenhausen gelegt wurde. Dieses Bankhaus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Es lag etwa an der Kreuzung von Tunisstraße und Unter Sachsenhausen.

Architekt auch dieses Gebäudes war Hermann Pflaume. Geprägt durch den französischen Barockklassizismus, wie er auch an den Louvrekolonnaden von Perrault (1667-1674) sichtbar wird, war das Gebäude ein Ausdruck kaufmännischer Repräsentation und wirtschaftlicher Macht. Ein hoch aus dem Straßenniveau emporragendes Sockel- und Erdgeschoss und ein monumentales Portal bedingt fast zwangsläufig geradezu eine Verzwergung der passierenden oder sich nähernden Straßenbenutzer – wie historische Fotos eindringlich zeigen. Auch Wohnräume waren im Haus untergebracht mit Tapeten aus gelber Seide, vergoldeten Möbeln und einem Ballsaal mit Stuckarbeiten im Stil der italienischen Renaissance.

Die Bank wirkte wie ein Katalysator für die Industrialisierung in Westdeutschland. Sie war außer im Rheintal auch stark engagiert im östlichen Teil des Ruhrgebiets. Geschäftsbeziehungen gab es mit dem Montanunternehmen Phoenix – Actiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb mit Stahlwerken in Eschweiler, Duisburg-Ruhrort, Essen-Kupferdreh und Dortmund-Hörde, mit der Waggonfabrik Van der Zypen & Charlier, dem Eisen- und Stahlwerk Hoesch in Dortmund, dem Kölner Bergwerksverein in Essen, Felten & Guilleaume, der Gasmotorenfabrik Deutz, der Maschinenfabrik Humboldt und der Waggonfabrik Herbrands (später Linke-Hofmann-Werke) in Köln-Ehrenfeld.

Emile Zola läßt in seinem Jahrhundertroman 'Germinal' von 1884/85 den altersweise gewordenen Großvater einer Bergmannsfamilie im nordfranzösischen Departement du Nord sagen: "Wie? wem das alles gehört? - Das weis man nicht. Irgendwelchen Leuten. Und er deutet mit der Hand auf einen unbestimmten Punkt im Finstern, einen unbekannten, fernen Ort, wo die Leute wohnten, für die die Maheus seit mehr als einem Jahrhundert in der Grube Kohle schlugen. In seiner Stimme lag eine Art frommer Scheu. Es war, als spräche er von einem unerreichbaren Tabernakel, in dem sich der vollgefressene hockende Götze verbarg, dem sie alle, ohne ihn je zu Gesicht bekommen zu haben, ihr Fleisch und Blut zum Opfer brachten." (zitiert nach der Ausgabe 1976 im Winkler-Verlag / München, S. 18f) Der A. Schaafhausen'sche Bankverein in Köln, war einer dieser steingewordenen Tabernakel, hier allerdings nicht in Paris oder Brüssel, sondern in Köln.

Ältestes erhaltene Bankgebäude auf Unter Sachsenhausen ist heute die 1894-97 errichtete Reichsbank von Max Hasack (Unter Sachsenhausen 1-3), dessen gotische Architektur vor allem auch durch seinen roten Sandstein mehr mittel- und oberrheinischen Charakter zeigt. Trotz der national-konservativen Einstellung Hasacks wurde das Gebäude mit einem eisernen Dachstuhl versehen. Beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg entfiel die schmucke Dachlandschaft, bestehend aus einem zentralen Stufengiebel und seitlichen, die Erker fortsetzenden Türmchen an der Straßenfront.

In den Jahren kurz vor dem Ersten Weltkrieg erlebte das Kölner Bankenviertel einen deutlichen Ausbau. Es setzte eine Entwicklung ein, die schon in den 1920er Jahren als Citybildung verstanden wurde mit dem Hauptbahnhof, der Hauptpost, dem Dom und dem daran anschließenden Banken- und Geschäftsviertel. Der Bau weiterer Bankgebäude an Unter Sachsenhausen und in den benachbarten Straßen trug wesentlich dazu bei.

Der Stammsitz Deichmann musste 1913 dem Deichmannhaus weichen, einem Büro- und Geschäftshaus, das gegenüber dem Hauptbahnhof fast die Hälfte eines Baublocks beanspruchte und in dem ein Enkel des Firmengründers weithin seine Bankgeschäfte betrieb. Wilhelm Theodor Deichmann war 1908 in den erblichen Adelsstand erhoben worden und markierte dies nicht nur durch den Bau gegenüber Dom und Hauptbahnhof in Köln, sondern auch durch die schloßartige Umwandlung seines Landsitzes in Bonn-Mehlem.

In diese Zeit fällt auch der Neubau des Barmer Bankvereins (später Commerzbank, Unter Sachsenhausen 21–27) durch den Architekten Carl Moritz. Von der Gesamtform her ein Nachfolger barocker Stadtpalais, ist die Muschelkalk-Fassade klassizistisch-streng durch Architekturdekor und figürliche Reliefs gegliedert, an denen der Kölner Bildhauer und Professor Georg Grasegger maßgeblichen Anteil hatte.

Eine freie Neuinterpretation des heute verschwundenen Schaafhausenschen Bankvereins stellte der 1914 von Bielenberg & Moser errichtete Bau der Rheinisch-Westfälischen Bodenkreditanstalt (Unter Sachsenhausen 2) dar: Über einem gequaderten Sockelgeschoß erhebt sich eine zwei Geschosse umfassende Kolossalordnung aus mehrfach abgestuften Rahmen mit einem breiten Abschlussgesims. Das Kreditinstitut war 1894 durch eine Reihe von Banken und Industriellen unter Führung des Schaafhausen’schen Bankvereins gegründet worden, entwickelte sich zu einem engagierten Instrument des deutschen Hypothekenmarktes, konzentrierte sich dann aber stark auf Beleihungen im ländlichen Raum des Rheinlandes und Westfalens. Heute gehört der Bau zur benachbarten Oppenheim-Bank.

Zur Zeit der Inflation kurz nach dem Ersten Weltkrieg, in den Jahren 1923/24, entstand - näher am Dom - die Darmstädter- und Nationalbank (Architekten Moritz & Betten, An den Dominikanern 2), deren massiges Bauvolumen durch angedeutete Eckrisalite gegliedert wird. Heute ist hier u. a. das Kölner Sozialgericht untergebracht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden eher konservative, dennoch zeittypische Neubauten für Sal. Oppenheim (Architekt Breuhaus de Groot, Unter Sachsenhausen 4), für die kurzlebige Herstatt-Bank (Unter Sachsenhausen 6-8, Enggasse) sowie die Deutsche Bank errichtet.

Einen gestalterischen Höhepunkt bildet sicher der Neubau der „Bank für Gemeinwirtschaft“ unmittelbar vor der Westfassade des Domes (Fritz Schaller, 1953, Domkloster 3). Mit seinem transparenten Erdgeschoß, den von Sichtbetonstützen getragenen Obergeschossen und seinem zentralen runden Lichthof bildete er einen Gegenentwurf zu den konservativen Bankhäusern des Wiederaufbaus; heute nimmt er die Begegnungs- und Veranstaltungsstätte „Domforum“ auf.

Bildquellen
Galleriebilder
Deichmannhaus 1864: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05705734

Deichmannhaus 1914: https://de.wikipedia.org/wiki/Deichmannhaus_(K%C3%B6ln)#/media/Datei:Deichmannhaus_Köln.jpg

Bank für Gemeinwirtschaft: https://de.wikipedia.org/wiki/Domforum#/media/Datei:Domforum-Köln.jpg

Textbilder
Wohn- und Bankhaus Deichmann: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05213666

Schaafhausen'scher Bankverein: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05212561

Darmstädter und Nationalbank: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05709180

Bank für Gemeinwirtschaft: https://de.wikipedia.org/wiki/Domforum#/media/Datei:Domforum-Köln.jpg

Literatur
Meynen/Klein-Meynen/Kierdorf: Kölner Wirtschaftsarchitekur, Köln 1996, S. 210–218

Krüger, Alfred: Das Kölner Bankiergewerbe vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1875, Essen 1925 (=Veröff. Des Archivs für Rheinich-Westfälische wirtschaftsgeschichte Bd. X) Raez, Svetlozar: Bankgebäude in Köln von 1850 bis 1914. Ein Beitrag zur Zeichenfunktion von Architektur (Diss Aachen), Aachen 1974

Treue, Wilhelm: Die Kölner Banken 1835 bis 1871, in: Van Eyll, Klara u. a.: Kölner Unternehmer und die Frühindustrialisierung im Rheinland und Westfalen (1835-1871), Köln 1984, S. 85-95

Van Eyll, Klara u. a.: Kölner Unternehmer und die Frühindustrialisierung im Rheinland und Westfalen (1835-1871), Köln 1984 (Ausstellung des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv zu Köln e.V. in enger Zusammenarbeit mit dem Historischen Archiv der Stadt Köln in den Räumen des Historischen Archivs 17. 9. 84 bis 30.11.84, Hg.: Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln e.V.)